Nana. Emile Zola
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Nana - Emile Zola страница 9
Nana schlief auf dem Bauch, wobei sie ihr Kopfkissen, in das sie ihr vom Schlaf ganz blankes Gesicht vergrub, in ihre nackten Arme preßte. Das Schlafzimmer und das Ankleidezimmer waren die beiden einzigen Räume, die ein Möbelhändler aus dem Viertel sorgfältig eingerichtet hatte. Ein Lichtschimmer glitt unter einem Vorhang hervor; man konnte das Mobiliar aus Palisanderholz, die Tapetenbehänge und die Sessel aus durchwirktem Damast mit großen blauen Blumen auf grauem Grund unterscheiden. Aber in der matten Feuchtigkeit dieses verschlafenen Zimmers fuhr Nana plötzlich aus dem Schlaf auf, wie überrascht, neben sich eine Leere zu fühlen. Sie sah das zweite Kopfkissen an, das sich neben ihrem mit der noch lauen Einbuchtung eines Kopfes inmitten der Gipürestickereien ausbreitete. Und mit ihrer tastenden Hand drückte sie auf den Knopf einer elektrischen Klingel am Kopfende ihres Bettes.
„Er ist also gegangen?“ fragte sie die Zofe, die erschien.
„Ja, Madame, Herr Paul ist vor kaum zehn Minuten fortgegangen . . . Da Madame müde war, hat er sie nicht aufwecken wollen. Aber er hat mich beauftragt, Madame zu sagen, er käme morgen.“
Noch beim Sprechen öffnete Zoé. die Zofe, die Fensterläden. Das helle Tageslicht fiel herein. Zoé, die dunkelbraun war und deren Haar in kleinen, glatten Streifen herabfiel, hatte ein längliches, fahles und pockennarbiges Gesicht wie eine Hundeschnauze mit einer stumpfen Nase, dicken Lippen und schwarzen Augen, die unaufhörlich in Bewegung waren. „Morgen, morgen“, wiederholte Nana, noch nicht ganz munter, „ist das denn der Tag, morgen?“
„Ja, Madame, Herr Paul ist immer mittwochs gekommen.“ „Ach nein, da fällt mir ein!“ rief die junge Frau aus und setzte sich auf. „Es hat sich alles geändert. Ich wollte ihm das heute morgen sagen . . . Er würde auf den Mulatten stoßen. Das gäbe eine schöne Geschichte!“
„Madame hat mich nicht unterrichtet; das konnte ich nicht wissen“, murmelte Zoé. „Wenn Madame ihre Tage ändert, so würde sie gut daran tun, mich zu benachrichtigen, damit ich Bescheid weiß . . . Dann ist der alte Knauser nicht mehr dienstags dran?“
So — mit den Namen „alter Knauser“ und „Mulatte“ — bezeichneten sie unter sich, ohne zu lachen, die beiden Männer, die bezahlten, einen Großkaufmann aus dem Faubourg Saint-Denis von sparsamer Veranlagung, und einen Walachen, einen angeblichen Grafen, dessen Geld, das immer sehr unregelmäßig eintraf, einen sonderbaren Geruch hatte. Daguenet hatte sich die Tage nach dem alten Knauser geben lassen. Da der Großkaufmann schon um acht Uhr morgens zu Hause sein mußte, paßte der junge Mann von Zoés Küche aus sein Weggehen ab und nahm seinen noch ganz warmen Platz bis zehn Uhr ein; dann ging er selbst seinen Geschäften nach. Nana und er fanden das sehr bequem.
„Na wenn schon!“ sagte sie. „Ich werde ihm heute nachmittag schreiben . . . Und wenn er meinen Brief nicht erhält, so werden Sie morgen verhindern, daß er hereinkommt.“
Inzwischen ging Zoé langsam im Zimmer auf und ab. Sie sprach von dem großen Erfolg des gestrigen Abends. Madame habe so viel Talent gezeigt, sie sänge so gut! Oh, Madame könne jetzt beruhigt sein!
Den Ellbogen im Kopfkissen, antwortete Nana nur mit Kopfschütteln. Ihr Hemd war heruntergerutscht; ihr aufgelöstes, verwuscheltes Haar floß über ihre Schultern.
„Das schon“, murmelte sie, träumerisch geworden. „Aber wie soll man inzwischen auskommen? Heute werde ich alle möglichen Scherereien haben . . . Ist eigentlich der Concierge heute morgen schon wieder raufgekommen?“
Dann unterhielten sich beide ernsthaft. Man schuldete die Miete für ein dreiviertel Jahr,und der Hauswirt sprach von Pfändung. Außerdem brachen die Gläubiger über sie herein, ein Wagenvermieter, eine Wäschehändlerin, ein Damenschneider, ein Kohlenhändler und noch andere, die jeden Tag kamen und sich auf einer Bank im Vorzimmer niederließen. Besonders der Kohlenhändler führte sich furchtbar auf; er schrie auf der Treppe herum. Aber Nanas großer Kummer war ihr kleiner Louis, ein Kind, das sie mit sechzehn Jahren bekommen und bei seiner Amme auf einem Dorf in der Umgegend von Rambouillet gelassen hatte. Diese Frau verlangte dreihundert Francs für Louisets Rückgabe. Nana, die seit dem letzten Besuch bei dem Kind ein Anfall von Mutterliebe ergriffen hatte, war verzweifelt darüber, daß sie einen Plan, der zur fixen Idee geworden war, nicht verwirklichen konnte, nämlich die Amme zu bezahlen und das Kleine zu ihrer Tante, Frau Lerat, nach Les Batignolles zu bringen, wo sie es so oft, wie sie wollte, besuchen könnte. Indessen gab die Zofezu verstehen,Madame hätte ihre Nöte dem alten Knauser anvertrauen sollen.
„Ach, ich habe ihm ja alles gesagt“, rief Nana. „Er hat mir geantwortet, er habe zu große Verbindlichkeiten. Von seinen tausend Francs im Monat geht er nicht ab . . . Der Mulatte ist augenblicklich pleite: ich glaube, er hat beim Spiel verloren . . . Was den armen Mimi betrifft, so hätte er es dringend nötig, daß man ihm was borgt. Eine plötzliche Baisse hat ihn ausgeplündert; er kann mir nicht mal mehr Blumen mitbringen.“ Sie sprach von Daguenet. Im Sichgehenlassen des Erwachens hatte sie kein Geheimnis vor Zoé.
Diese, die ähnliche vertrauliche Mitteilungen gewohnt war, nahm sie mit ehrerbietiger Sympathie entgegen. Da Madame nun einmal geruhte, mit ihr über ihre Angelegenheiten zu sprechen, so würde sie sich erlauben zu sagen, was sie denke. Erstens habe sie Madame sehr gern, sie sei extra von Madame Blanche weggegangen, und Madame Blanche versuche weiß Gott alles nur Menschenmögliche, um sie wiederzukriegen! An Stellen sei kein Mangel, sie sei zur Genüge bekannt; doch sie sei bei Madame geblieben, selbst bei Geldverlegenheit, weil sie an Madames Zukunft glaube. Und schließlich sprach sie ihre Ratschläge deutlich aus. Wenn man jung sei, mache man Dummheiten. Diesmal müsse man die Augen aufhalten, denn die Männer dächten nur an das Vergnügen. Oh, man müsse zu Gelde kommen! Madame brauche nur ein Wort zu sagen, um ihre Gläubiger zu beruhigen und das Geld aufzutreiben, das sie benötigte.
„Das verschafft mir alles keine dreihundert Francs“, meinte Nana mehrmals und grub die Finger in die wilden Strähnen ihres Haarwulstes im Nacken. „Ich brauche dreihundert Francs, heute, sofort . . . Es ist dumm, daß man niemand kennt, der einem dreihundert Francs gibt.“ Sie forschte nach, sie hätte Frau Lerat, die sie gerade am Vormittag erwartete, nach Rambouillet geschickt. Ihre verdrossene Laune verdarb ihr den Triumph des gestrigen Abends. Wenn man bedachte, daß unter all diesen Männern, die ihr zugejubelt hatten, keiner zu finden sein sollte, der ihr fünfzehn Louisdors brachte! Zudem konnte man ja nicht so einfach Geld annehmen. Mein Gott, wie unglücklich war sie doch! Und sie kam immer wieder auf ihr Baby zurück; es habe blaue Cherubinoaugen, es lalle mit so drolliger Stimme „Mama“, daß es zum Totlachen sei.
Doch im gleichen Augenblick war die elektrische Klingel an der Eingangstür mit ihrem schnellen und bebenden Vibrieren zu hören. Zoé kam zurück und flüsterte mit vertraulicher Miene:
„Es ist eine Frau.“ Sie hatte diese Frau zwanzigmal gesehen, aber sie tat so, als erkenne sie sie nie wieder und als wisse sie nicht, welche Beziehungen sie zu den Damen hatte, die in Geldverlegenheit waren. „Sie hat mir ihren Namen gesagt . . . Madame Tricon.“
„Die Tricon!“ rief Nana aus. „Ach ja, es stimmt, ich hatte sie