Spitzenreiterinnen. Jovana Reisinger

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Spitzenreiterinnen - Jovana Reisinger

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Barbara stimmt ihr zu, Emma sagt, sie möchte morgen vorbeikommen, Barbara hat nichts mehr dagegen, Emma freut sich für Barbara, Barbara freut sich auch, Emma sagt, der Hund wird ihr helfen, nicht dumm zu werden oder ungeduldig oder gemein. Barbara verabschiedet sich. Barbara ist unermesslich glücklich. Manchmal trifft’s die Richtigen, jawoll! Da gibt’s gleich noch ein Leckerli fürs Hundi.

      Sie setzt sich zu ihrem Hund an den Küchentisch, streichelt das weiße Tier und holt den Erdbeerschnaps aus dem Schrank in der Eckbank. Um ein Glas bemüht sie sich erst gar nicht und trinkt einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Gloria legt den Kopf auf ihren Schoß, Barbara greift nach den schönen Zigaretten und raucht genüsslich. So hat sie sich ihr Leben vorgestellt. Wenn das nur der D. sehen könnte. Wenn der wüsste, was er verpasst. Sie streichelt das Köpfchen des Hündchens und lässt sich das Gesicht abschlecken. Gierig nach Zuneigung, streckt sie sogar ihre Zunge ein Stück weit heraus. Fast wie ein Kuss, denkt sich Barbara und desinfiziert ihren Mund mit einem Schluck Selbstgebranntem. Danke D., denkt sie sich.

      LISA

      Lisa sitzt im Restaurant, weil sie nicht wusste, was sie sonst mit ihrer Zeit anfangen sollte. Sie hat einen kleinen Beilagensalat gegessen, ausführlich die extra kitschige Tischdekoration betrachtet, Bleikristallkerzenständer mit rosa Kerzen, rosa Servietten und in der Mitte eine Vase mit roten Rosen, hat zwei Gläser Prosecco getrunken und bestellt sich jetzt, um diesem Tag irgendeine Art von Schönheit zu geben, ein weiteres Glas Champagner. Es ist 18 Uhr, und heute ist ihr das Geld egal.

      Dem Kellner ist ihr Verhältnis zu Geld ebenso egal, weil hier – im Spezialitätenrestaurant für Meeresfrüchte – immer gut Geld ausgegeben wird. Der Kellner ist das Geld gewöhnt und weiß, dass oft die Leute das Geld haben, die gar keinen Geschmack und Stil vorweisen können. Lisa sieht heute nicht besonders aufregend oder schön aus. Lisa hat heute viel geweint, ihr Gesicht ist verquollen, und bei genauerem Hinsehen ist ihr Outfit abgetragen. Lisa weiß all das und schämt sich, weiß jedoch nicht, wohin mit sich. Das teure und traditionsreiche Spezialitätenrestaurant war der erste Laden, in den einzutreten sie sich entschließen konnte. Sie irrte zuvor ziellos durch die Stadt und wusste nur, dass sie unter keinen Umständen nach Hause will. Es musste ein Etablissement sein, in dem sie noch nie war und in dem garantiert niemand säße, den sie kennt. Und wie kann eine besser eine Fehlgeburt vergessen als in einem Spezialitätenrestaurant für Austern?

      Das Glas Champagner kommt an den Tisch, und Lisa, die gewissenhaft seit Wochen keinen Alkohol trank, ist jetzt – schon vor dem dritten Glas – beschwipst. Der Kellner möchte, dass die Frau etwas Richtiges isst, um nicht zu betrunken zu werden, und empfiehlt daher wärmstens die Spezialität des Hauses: eine Austernplatte. Frische Austern und leckere Saucen, mit köstlichen Schnecken in den unterschiedlichsten Variationen und als kleines Bonbon kommen sogar noch zwei Garnelen dazu: »Dafür kommen die Leute von weit her. Zu den Gästen zählt nicht nur die Prominenz, sondern auch die einfachen Leut, und das ist unserem Restaurant schon immer wichtig gewesen: die Klassenunterschiede einfach ignorieren. Weil, die Preise sind hier unschlagbar, der Service ganz klassisch, wie Sie sehen, und die Lage sowieso: top. Unsere Küche können sich auch die einfachen Menschen leisten.«

      Lisa findet sein Bemühen schön. Lisa schlägt zu. Sie wird sichtlich aufgeregt: »Wenn nicht heute, wann dann? Sie haben Recht! Her damit! Und noch mehr Champagner – ich zahle mit Kreditkarte, schließlich habe ich Geburtstag …«, und so kramt sie auch schon in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie und darin nach ihrer Kreditkarte, die irrsinnigerweise mit einem Zebramuster bedruckt ist, und wedelt damit in der Luft herum. Stünde der Kellner noch da, hätte er ihren glücklichen, gelösten Gesichtsausdruck erhaschen können, der sich wieder zu einer Grimasse verzieht. Ihre Kreditkarte funktioniert. Sie ist kreditwürdig. Sie hat Geld auf dem Konto. Lisa trinkt. Ihr Lidstrich ist verschmiert. Niemand hat sie darauf hingewiesen. Mit dem ganzen Leid allein.

      Der Kellner bringt artig einen Kühler, platziert die Flasche Champagner und gratuliert mit einem kleinen Stück Schokotarte. »Geburtstagsgruß aus der Küche. Und das am Tag der Liebe, wunderbar!«, säuselt er angenehm glaubwürdig.

      Lisa trinkt ihr Glas schnell leer und beantwortet lieber gleich die Frage nach ihrem Alter, bevor sie saudumm gestellt wird: 44.

      »Prächtig! Eine Schnapszahl! Herzlichen Glückwunsch«, erwidert der Kellner, der es vergisst, als er sich vom Tisch wegdreht, der einfach Mitleid hat mit einsamen Frauen, die sich in sein Restaurant verirren, die sich dorthin flüchten, sich ihrem Schicksal ausgerechnet hier hingeben wollen. Generell liebt er Menschen, die am Katalog der luxuriösen Eigenheiten festhalten, an Dingen, die irgendwann einmal für Glanz standen, für Erfolg und jetzt, schon bis zur Peinlichkeit zum Gemeingut geworden, immer noch gelten. Kaviar, Austern, Champagner, gibt’s alles beim Discounter. Aber hier ist es noch echt, hier war es schon immer authentisch. Der Kellner hat eine Schwäche für Menschen, die sich von den Versprechen eines besseren Lebens manipulieren lassen, und genießt ihre Anwesenheit. Wenn sie unbeholfen den Hummer zerlegen und nicht genau wissen, wie das geht, mit dem Krabbencocktail, dann geht ihm das Herz auf. Nicht aus Überheblichkeit, nein, aus ehrlichem Mitgefühl.

      Der letzte Schimmer längst verschwundenen Glamours. Er hängt an dem Kitsch. Aber die Menschen, die sich diese Extravaganz leisten können, werden immer weniger. Die Superreichen kommen schon lange nicht mehr her.

      Lisa nimmt einen großen Schluck und schenkt sich wieder nach.

      Da sitzt sie also, nach außen hin zusammengehalten von einer gesund anmutenden Hülle, hat immerhin alles, was ein Körper braucht, und im Innern ein Schlachtfeld. Das Telefon klingelt, sie schaut dem leuchtenden Bildschirm zu, bis es aufhört zu vibrieren, 17 Anrufe in Abwesenheit, meine Güte, nervt der Typ. Lisa schafft es nicht ranzugehen, aber auch nicht, das Telefon in ihrer Tasche zu verstauen und starrt auf den Bildschirm, überfliegt die Nachrichten. Er will immer etwas regeln. Seine Regeln gelten dann. Er findet, er brauche jetzt Zeit, und legt den Schlüssel auf den Küchentisch. Er findet, das sei eine gute Idee. Es wäre gut für beide.

      Zum Glück hat Lisa keine Zeit, sich dem nächsten Gefühlsschwall hinzugeben und in Tränen auszubrechen, sich selbst zu hassen und die Schuld auf sich zu nehmen, denn da kommt der Kellner und das Objekt, das er trägt, ist nicht gerade das, was Lisa sich unter einer ordinären Austernplatte vorgestellt hat. Eine dreistöckige Etagere, zum Überquellen belegt mit Schnecken in jeglicher Größe, Austern und auf der obersten Stufe in jeweils ein Gläschen getunkt zwei Riesengarnelen. Lisa trägt’s mit Fassung, der Kellner mit einem Glücksgefühl. Das ist die Spezialität. Das ist der Stolz des Hauses.

      »Genießen Sie, Madame, auf diese drei Stockwerke feinsten Genuss kommt es an. Herzlichen Glückwunsch zu dieser phänomenalen Wahl. Und zum Ehrentag selbstredend. Was für eine herrliche Idee, sich selbst so zu feiern! Es kommt niemand mehr, nehme ich an?«

      Lisa legt sich die Stoffserviette auf den Schoß und weiß gar nicht, wo sie anfangen soll, greift nach der erstbesten großen Schnecke und dem dazugehörigen Besteck. Der Kellner stellt noch ein Dutzend Saucen auf den Tisch, wünscht guten Appetit, und beide sind erleichtert, weil Lisa jetzt eine Weile lang beschäftigt sein wird. Der Kellner ist verzückt bei ihrem Anblick, kümmert sich nun allerdings um die neu eintrudelnden Gäste, würde ihr aber gern weiterhin Gesellschaft leisten. So ein schöner Tag, denkt er sich, denn da kommt eine Familie aus Niederbayern herein, mit einem München-Reiseführer in der Hand und einem ordentlichen Dialekt im Mund.

      Der Kellner ist ein hundsgemeiner Typ und setzt die Familie an Lisas Nebentisch. Die ganze Familie staunt nicht schlecht über die dreistöckige Etagere, und der Vater kann seine Augen gar nicht mehr abwenden. Lisa fühlt sich in ihrer Wahl bestätigt und lobt freundlich die Qualität des Essens. Ehe der Kellner die Karten ausgeteilt hat, stürmt auch schon eine neue Gruppe ins Restaurant.

      Heute geht’s aber zu, das kann

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