Spitzenreiterinnen. Jovana Reisinger

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Spitzenreiterinnen - Jovana Reisinger

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in den geschmacklosen Bereich außerhalb des historischen Ortskerns und der guten Viertel mit Seezugang verirren, schätzen diese Klarheit an dem sauberen altbayerischen Städtchen. Doch die, die hier leben müssen, die sind der Hässlichkeit und der Tristesse schonungslos ausgeliefert. Arme Hunde. Arme Säue, hat D. sie genannt.

      Fast am Ziel kommt ihr plötzlich ein Polizeikonvoi entgegen mit Blaulicht, Sirene, allem, was dazu gehört. Barbara weiß, wie sie sich zu verhalten hat. Am liebsten würde sie umdrehen und der Polizei hinterher, schauen, was sich zugetragen hat, wie früher, als D. und sie noch gemeinsam ins Auto gesprungen und der Sirene hinterher sind. Ohne D. macht das Gaffen keinen Spaß, weiß die Witwe und fädelt sich stattdessen in die Linksabbiegerspur ein, um in den Parkplatz vom Mega-Center zu rollen. Die Zeiten sind vorbei, jetzt lebt sie ein neues, ein anderes Leben. Da weht schon der Duft vom Grillhendl-Stand herüber. »Nimm mich mit!«, steht da drauf. Heute nicht, sagt Barbara zu sich selbst.

      Während sie das Auto verriegelt und zur großen automatischen Schiebetür blickt, denkt sie über das Glück nach, das ihr so ein Tier bringen wird. Die unbedingte Liebe, der Gehorsam, die Liebkosungen, die Abhängigkeit.

      Zur Sicherheit holt sie sich einen großen Einkaufswagen und strebt sofort nach Betreten des Tiercenters in die Hundeabteilung. Die Musik ist ausgesprochen gut gewählt, und alle Besucher erscheinen grundsätzlich glücklich. Kinder suchen Spielzeug für ihre Vier-beiner, ein Paar steht vor den Vogelkäfigen, also Vögel im Käfig, das ist wirklich Tierquälerei, und da sieht sie eine sehr elegante Frau, die einen Spitz an der Leine führt. Barbara pocht das Herz. Auch sie wird so aussehen. Die Dame lacht herzlich. Der Hund wird von ihr hochgehoben, beide knuddeln sich, und da bellt der einmal – zuckersüß! – und die Frau wirft einen Ball, das Hündchen läuft los. Das Video über Hund und Frauchen läuft auf einem kleinen Monitor am leeren Info-Counter. Als nächstes wird ein Mann mit einem Bernhardiner gezeigt. Der Hund ist viel zu groß.

      Das Tier braucht ein Schlafkörbchen, eine Decke, einen Fressnapf, Spielzeug. Barbara kann sich bei allem zügig entscheiden und greift stets zur drittteuersten Ausführung. Das ist nicht so protzig und doch besser als der Durchschnitt. Ihr neuer Liebling darf schon was kosten, aber angeben muss sie auch wieder nicht. Vor den Tierfutterregalen bleibt sie zum ersten Mal ratlos stehen. Sie möchte keinesfalls einen Fehler machen, entschließt sich schließlich für eine Marke, die einen weißen Spitz auf ihrer Verpackung abbildet. Die müssen’s ja wissen. Und kehrt noch zwei Mal zurück, um mehr Futter in den Wagen zu werfen, wer weiß, was der frisst.

      Sie stattet sich aus, als hätte sie eine Spitzzucht eröffnet. Erst bei den Halsbändern realisiert sie, dass sie das Geschlecht ihres Hündchens nicht kennt. Barbara ist enttäuscht. Sie wünscht sich so sehr ein Mädel, mit einem rosa Band, einer rosa Leine und für besondere Tage vielleicht sogar das strassbesetzte Exemplar. Sie wählt ein Set in schwarz und eins in braun, wirft im letzten Moment aber das rosafarbene in den Einkaufswagen. Dem Hund is doch egal, was er trägt. Am allerliebsten würde sie auch noch so ein herziges Namensschildchen gravieren lassen, greift stattdessen zu einem Ratgeberbuch für Hundenamen. Kurz soll der Name sein und die edle Ausstrahlung des Wesens erfassen.

      Gloria würde passen, weil der Hund so neugierig ist und Barbaras Rätselheft so heißt. Wahrscheinlich hat der Hund einen saudummen Namen, so was wie Madame, Bella oder Mini. Ich werd den schon umbenennen können. Nur eine Frage der Erziehung. Eine Frage der Fürsorge. Meine kleine Gloria wird gar nicht mehr weg wollen von mir. Nein, die wird es so gut haben wie der D.

      Sie legt den Ratgeber zurück und lässt sich ihre Grundausstattung in Tüten einpacken, schaut gar nicht auf den Preis, reicht nur die EC-Karte, schiebt anschließend den Einkaufswagen über den Parkplatz und kann es kaum erwarten, zuhause anzukommen und Gloria zu beschenken. Wie der Hund schauen wird, wenn sie ihm die Leckerli bringt und das schöne ergonomische Hundebett, das intelligente Spielzeug und die weiche Decke.

      Raus aus dem Parkplatz, blaue Stunde. Sie fährt durch die Ortschaft, wieder vorbei an den unzähligen Einkaufsmöglichkeiten, lässt den Industriepark hinter sich und will auf die Landstraße abbiegen, da wird sie von der Polizei weitergewunken und muss einen Umweg in Kauf nehmen.

      Na sowas, was ist denn jetzt schon wieder passiert? Heute wird es ihr wirklich nicht leicht gemacht, doch sie kann widerstehen, bleibt nicht stehen und fragt nicht nach dem Grund. Auf dem Land kennen sich alle, nicht wahr? Da darf jeder ein bisschen neugieriger sein. Und das kann auch schnell gefährlich werden. Nicht dass der Polizist fragt, was das ganze Hundezeug da soll. Freundlich winken und weiter geht’s.

      Der Umweg beschert ihr einen Blick auf die Berge, die heute viel näher erscheinen, als würden auch sie diesen Tag zu etwas ganz Besonderem machen wollen. Die Greifvögel sitzen erhaben am Straßenrand, und kaum ein Auto kommt ihr entgegen. An was für einem wunderschönen Fleck Erde ich lebe, denkt sich Barbara, das hier ist das Paradies. Kein Wunder, dass die Gloria ausgerechnet zu mir gekommen ist. Logisch!

      Und schon biegt sie ab, in die eigene Idylle und parkt ihr Sportauto vor dem Bungalow. Sie trägt Tüte um Tüte zur Haustür, blickt sich um, niemand zu sehen. Wo steckens denn alle? Und mit dem Öffnen der Haustür kommt auch schon Gloria dahergelaufen und springt eifrig dem neuen Frauli die Beine hoch. Barbara spürt in diesem Moment, dass der weiße Spitz gar keine Intention hat, wieder zu gehen. Die beiden gehören zusammen, das Schicksal hat sie zusammengeführt. Das hier ist nicht die Ausgeburt des Teufels, das ist vielleicht der Hund gewordene D.! Sie bringt die Einkäufe ins Haus und setzt sich erst einmal in die Küche. Verschnaufpause. Der Spitz schnuppert an den Tüten. Fernseher an. Der Spitz springt auf die Eckbank und legt sich hin auf den alten Platz vom D. Das ist ein Zeichen. Aber darüber kann Barbara nicht weiter nachdenken. Jetzt kommen die Nachrichten. So mag es Barbara. Schön stillhalten, wenn die Neuigkeiten verkündet werden und sie sich ordentlich über die Anderen wundern kann.

      Die Ruhe und Entspannung sind nur von kurzer Dauer. Die Moderatorin berichtete soeben noch vom Aktionsplan Wolf, die vom Bauernverein geforderte Tötungserlaubnis, da schwenkt die Kamera auch schon auf ein stattliches Grundstück aus Barbaras erweiterter Nachbarschaft. Freilich, das Haus hinter der polizeilichen Absperrung ist nicht gerade einen Katzensprung entfernt, aber es gehört zum gleichen Landabschnitt, genauer gesagt zum selben Landkreis. Ein schönes Haus, eine alte Villa mit privatem Seezugang, muss ein Vermögen gekostet und jährlich noch eins verschlungen haben. Das Bild zeigt Polizisten, Spurensicherung, eins der Autos, das zum Haus gehört. Typische Tatortaufnahmen. Die Moderatorin spricht von Überfall, Raubmord, Todesopfern, eingeschlagenen Scheiben, Blut, gestohlenen Gütern, gestohlenem Barvermögen, bittet um Informationen. Sie zeigen ein Archivfoto: Mann mit breitem Lächeln und Escada-Golf-Käppi. Dann ein anderes: Frau im Kostüm mit Hut und, jetzt erschrickt sich Barbara, mit einem weißen Schoßhündchen. Um dringende Tathinweise wird gebeten, schließlich handelt es sich bei dem Paar um ruhige, angenehme Nachbarn, die seit Jahren hier ihre Wochenenden und Ferien verbrachten. Hoffentlich, so die Moderatorin, ist das nicht der Anfang einer Überfallserie. So was Tragisches, Mord aus Habgier, aus Eifersucht, aus Tobsucht, aus Versehen? Und das wäre auch in der eigenen Nachbarschaft möglich, hier ist das alte Geld, huch, Barbara wird es ganz klamm ums Herz. Zur Aufmunterung ein Bericht über die Rückkehr der Goaßmaß, der Weltrekord im Maßkrugstemmen und die Frage, warum die Österreicher mehr Rente kriegen. Es folgen Sport, Wetter und ein lustiger Spruch aus dem Bauernkalender. Das waren die Tagesnachrichten, schönen Abend, bis morgen, Mahlzeit, gesund bleiben und nach vorne schauen!

      Barbara schaut abwechselnd den Hund und den Fernseher an. Der Hund döst. Es rattert im Hirnkastl. Der Hund merkt nichts. Dann endlich Freude, Barbaras Mund verzieht sich zu einem Lächeln, wie es schon lange nicht mehr durchkam: Ja, das ist sich jetzt super ausgegangen. Die alten Besitzer sind tot. Keiner wird nach dem Hündchen suchen. Es wurde nicht einmal über dich gesprochen. Außerdem sind’s, was sag ich, waren’s Wochenendler! Des war’n gar keine von uns!

      Es läutet das Telefon, Emmas Name wird angezeigt. Barbara hebt ab, die Freundin redet, Barbara hört kaum zu, Emma hat

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