MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken - Robert Mccammon страница 17
Wir haben einen gemeinsamen Bekannten, hatte Rebecca Mallory eines Tages zu Matthew an einer ruhigen Straße im Hafen gesagt, während ihr Mann stumm Wache hielt. Wir glauben, er würde sich freuen, Eure Bekanntschaft zu machen.
»Wenn Ihr so weit seid, in ein oder zwei Wochen, würden wir gern sehen, dass Ihr uns besucht«, hatte die Frau gesagt. »Werdet Ihr kommen?«
»Was ist, wenn ich nicht komme?«, hatte Matthew entgegnet. Denn er wusste genau, auf welchen Bekannten Rebecca Mallorys Anspielungen sich beziehen mussten.
»Kommt, wir wollen nicht unfreundlich miteinander sein, Matthew. In einer Woche oder zwei. Wir werden die Tafel decken, und wir werden Euch erwarten.«
»Ich jedenfalls trinke gern einen Apfelmost mit Euch, Berry!«, sagte Effrem Owles und drängte sich in seinem Eifer, den Duft des Mädchens einzuatmen, an Matthew vorbei. Seine Augen hinter der Brille waren groß und rund. Er, der Schneidersohn, war mit seinem schwarzen Anzug, weißem Hemd und weißen Strümpfen einfach aber elegant gekleidet. In seinem flatterhaften Lächeln strahlten die Zähne. Obwohl Effrem erst zwanzig Jahre alt war, durchzogen graue Strähnen seine braunen Haare. Er war groß und dünn; schlaksig wäre wohl das passende Wort. Er war ein ausgezeichneter Schachspieler, doch an diesem Abend galt sein einziges Spiel Amor. An diesem Abend klammerte er sich offenbar an die Hoffnung, dass Berry ihm die Gunst schenken würde, sie beim Apfelmosttrinken und Zuckerkuchenessen zu beobachten. Effrem war verliebt. Nein, mehr als verliebt, dachte Matthew. Effrem war von Berry besessen. Er redete ohne Unterlass über sie und wollte alle Einzelheiten ihres Kommens und Gehens wissen, und ob Matthew je ein gutes Wort für ihn eingelegt und gesagt hatte, wie viel Geld ein guter Schneider verdienen konnte, und derartigen Unsinn. Mit Effrem und dem exzentrischen, wenn auch sehr effizienten Leichenbeschauer der Stadt Ashton McCaggers hatte Berry ihre Auswahl an glühenden Verehrern.
»Tja …« Berrys Tonfall nach handelte es sich nicht nur um ein tiefsinniges Thema, sondern auch eins, das sie stark verwirrte. »Matthew, ich dachte …«
»Geh nur«, sagte Matthew zu ihr, wenn auch nur, weil er befürchtete, dass Effrem ihm auf den Ärmel sabbern würde. »Ich komme gleich nach.«
»Famos!«, sagte Effrem, der sich für den Marsch in den anderen Raum an Berrys Seite schob. Sie ging mit ihm, weil sie Effrem mochte. Nicht auf die Weise, auf die er gemocht werden wollte, sondern weil Matthew ihn zu seinen guten Freunden zählte und sie in Effrem die Treu von Freundschaft sah, die Berry zu den höchsten Gütern dieser Welt rechnete. Als Berry und Effrem gingen, lehnte Hudson Greathouse sich leicht auf seinen Stock, legte den Kopf schief und bedachte Matthew mit einem Grinsen, das genauso schief war. »Verzieh mal den Mund«, riet er ihm. »Was ist denn los mit dir?«
Matthew zuckte die Schultern. »Ich bin wohl nicht zum Feiern aufgelegt.«
»Dann bemühe dich drum. Mein Gott, Junge! Ich bin derjenige, der nicht mehr tanzen kann! Und ich kann dir sagen, dass ich in jüngeren Jahren ordentlich das Tanzbein geschwungen habe. Also rühre dich, solange du noch kannst!«
Matthew starrte auf das Stück Fußboden zwischen ihnen. Manchmal fiel es ihm schwer, Hudson ins Gesicht zu sehen. Durch seine Geldgier und aus einer schlechten Entscheidung heraus hatte Matthew Greathouse und sich selbst Slaughter ausgeliefert. Sicher, Greathouse konnte sich mithilfe seines Gehstocks gut bewegen, und an Tagen, an denen er sich wie ein Hengst und nicht ein Wallach fühlte, auch ganz ohne Stock gehen. Aber viermal in den Rücken gestochen zu werden und dann fast zu ertrinken, ließ einen Mann altern, machte ihn langsamer, hielt ihm die bittere Wahrheit seiner eigenen Sterblichkeit vor Augen. Natürlich war Greathouse stets ein Mann des Zupackens gewesen und kannte daher das Risiko, sich Gefahren in den Weg zu stellen. Aber Matthew gab seiner eigenen Verlogenheit immer noch die Schuld für die Dunkelheit, die sich manchmal wie ein Schatten über Greathouses Gesicht legte und die schwarzen, tiefliegenden Augen des Mannes noch dunkler machte und die Fältchen um sie herum zahlreicher. Allerdings war selbst ein zusammengestutzter Hudson Greathouse noch eine Kraft, mit der man rechnen musste – sollte es jemand wagen, ihn auf die Probe zu stellen. Nicht viele würden dies tun. Er hatte ein auf raue Art gutaussehendes, markantes Gesicht und trug seine dichten eisengrauen Haare zu einem mit schwarzem Band zusammengebundenen Zopf. Er war fast zwei Meter groß, hatte breite Schultern und einen ausladenden Brustkorb und eine ebenso ausladende Gestik; er wusste, wie man ein Zimmer eroberte, und mit seinen achtundvierzig Jahren – am achten Januar war sein Geburtstag gewesen – besaß er die ausgefuchste Lebenserfahrung eines Menschen, der sich nicht unterkriegen lässt. Und das war gut so, denn die Wunden und der Gehstock hatten ihn weder seine Arbeit für die Herrald-Vermittlung niederlegen lassen, noch seine Anziehungskraft auf diverse New Yorker Frauen geschmälert. Sein Modegeschmack war einfach, wie sein grauer Anzug, das weiße Hemd und die weißen Strümpfe über den ungeputzten schwarzen Stiefeln attestierten, die wussten, wie man Tritte verteilte, wenn es darauf ankam. Matthew fand, dass Mr. Vincent sich glücklich schätzen konnte, lediglich mit einer Beleidigung aus dem Raum entkommen zu sein. Denn seit Matthew Greathouse das Leben gerettet hatte, war dieser sein bester Freund und heftigster Beschützer. Einen Streitpunkt gab es trotzdem.
»Bist du tatsächlich ein so großer Idiot?«, fragte Greathouse.
»Wie bitte?«
»Stell dich nicht dumm. Ich rede von dem Mädchen.«
»Dem Mädchen«, wiederholte Matthew betäubt. Er sah zur Seite, um zu prüfen, ob Doctor Jason und die schöne Rebecca immer noch ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn konzentrierten, aber die Mallorys waren ein paar Schritte weitergegangen und unterhielten sich mit dem rotgesichtigen Zuckerhändler Solomon Tully, dem mit den dritten Zähnen samt Zahnrädern aus der Schweiz.
»Dem Mädchen«, betonte Greathouse. »Merkst du nicht, dass sie auf dich aus ist?«
»Wieso aus?«
»Na, aus!« Greathouses zusammengezogene Augenbrauen waren ein beunruhigender Anblick. »Jetzt weiß ich, dass du zu viel arbeitest! Ich hab’s dir ja gesagt, oder nicht? Nimm dir Zeit zu leben.«
»Meine Arbeit ist mein Leben.«
»Hm«, machte Hudson. »Das kann ich mir gut als Inschrift für deinen Grabstein vorstellen. Also, ehrlich, Matthew! Du bist jung! Weißt du nicht, wie jung du bist?«
»Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht.« Ah, ja! Jetzt kam wieder ein schneller Blick von Rebecca Mallory. Was ihr auch durch den Kopf gehen mochte, Matthew wusste, dass sie ihn nie weit aus ihren Gedanken ließ. Natürlich war Matthew nach den Geschehnissen, die auf die Tode von Slaughter und Leka folgten, klargeworden, dass die Mallorys irgendetwas mit der Person zu tun hatten, die zu einem finsteren Stern am Horizont von Matthews Welt geworden war: Professor Fell, Kaiser des Verbrecherreichs von Europa und England. Und jetzt von dem Wunsch besessen, die Neue Welt zu kontrollieren, indem er sie in seinen Würgegriff schloss wie die Arme des Kraken, der sein Symbol war.
Wir haben einen gemeinsamen Bekannten, hatte Rebecca Mallory gesagt.
Matthew hegte keinerlei Zweifel daran, dass die Mallorys Professor Fell näher kannten als er. Alles, was er über den Mann wusste, war, dass er eine Unmenge ruchloser Pläne verfolgte – von denen Matthew bereits ein paar ins Wanken gebracht hatte –, und dass Professor Fell vor einiger Zeit das Leben des jungen Problemlösers mit einer Blutkarte abgestempelt hatte, einem blutigen Fingerabdruck, der bedeutete, dass Matthew für einen bestimmten Tod auserkoren war. Ob diese Bedrohung noch bestand oder nicht, wusste er nicht. Vielleicht sollte er einfach den Raum durchqueren und die Mallorys fragen?
»Du lenkst ab von dem, was ich gesagt