Abgerutscht. Marliese Arold

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Abgerutscht - Marliese Arold

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Mann, in den ich mich verliebt hatte, war ein Künstler. Ich bewunderte ihn. Wir haben geheiratet. Er war drogenabhängig, aber ich war überzeugt, dass er es schaffen würde, von dem Zeug wegzukommen. Mit meiner Hilfe. Es hat nicht geklappt. Irgendwann hab ich ihn dann verlassen. Ich hab’s einfach nicht mehr ausgehalten. Das ständige Auf und Ab war die Hölle.“

      „Und dann?“

      „Nach der Scheidung hab ich eine Weile allein gelebt. Klar hatte ich Männerbekanntschaften, aber nichts Festes. Dann traf ich Klaus. Wir haben uns auf einer Silvesterparty kennengelernt. Vor fast drei Jahren. Ich war mal wieder ziemlich unten, es ging mir gesundheitlich auch nicht besonders gut. Na ja, und dann kam Klaus. Es war nicht gerade Liebe auf den ersten Blick, jedenfalls was mich betrifft. Aber Klaus war ganz anders als die Männer, die ich vor ihm gekannt habe.“ Eileen verstummte. Sie blieb in der Tür stehen, während Nina den Boden mit Zeitungen abdeckte. Nina hatte das Gefühl, dass sie nun auch von sich erzählen sollte.

      Es fiel Nina schwer, über alles zu reden. Die Wut und der Groll auf ihre Eltern stiegen wieder in ihr hoch.

      „Zu Hause halt ich’s nicht mehr aus“, gestand sie. „Diese Lügen. Das dauernde Geheuchel. Wir leben in einem kleinen Kaff, da kennt jeder jeden. Und es ist unheimlich wichtig, was die anderen Leute denken. Das nervt vielleicht!“

      Zornig tauchte sie die Rolle ein und klatschte die Farbe an die Wand. „Ich hab die Nase voll gehabt. Es waren tausend Kleinigkeiten. Ich will nicht so werden wie meine Eltern. Ich will nicht so leben wie sie. Beide sind Lehrer, Papa am Gymnasium und Mama an der Hauptschule. Sie bilden sich immer ein, Vorbild sein zu müssen. Zum Kotzen! Das ganze Getue ekelt mich an, ehrlich.“

      „Was denn besonders?“

      „Ach … na ja, eigentlich alles. Zum Beispiel glauben meine Eltern nicht an Gott. Den brauchen sie auch gar nicht, sie haben ja alles selber fest im Griff. In die Kirche gehen sie normalerweise auch nicht. Aber in diesem Jahr war Frommsein angesagt. Mein Bruder ist nämlich zur Erstkommunion gegangen. Weil es sich eben so gehört. Florian ist neun. Es war schrecklich. Ein Riesenfest, die ganze Verwandtschaft war da, alle fein gemacht, meine Mutter im neuen Kleid … Ich wär schon damals am liebsten auf und davon.“

      „Hm. Verstehe. Kann ich nachfühlen.“

      „Es gab zuletzt nur noch Zoff mit meinen Eltern. Sie haben mich total genervt. Meine Freunde haben ihnen nicht gepasst. Nichts war ihnen recht. Tu dies nicht! Lass das! Hör auf damit, was sollen denn die Leute denken? So ’ne Scheiße musste ich mir jeden Tag anhören.“

      „Und bevor du von dem ganzen Mist taub wirst, bist du lieber abgehauen?“

      Nina schluckte heftig. „Na ja, da war noch was. Mein Freund hat mich nämlich auch noch angelogen. Er war mit einem anderen Mädchen im Bett. Als ich’s rausgekriegt habe, war Schluss. Ich musste einfach fort.“

      Es kostete Kraft, die Farbe gleichmäßig mit der Rolle aufzutragen, aber Nina empfand die körperliche Anstrengung fast als Erleichterung.

      Eileen trat einen Schritt ins Zimmer. „Die Wand wird gut aussehen“, stellte sie fest. „Die Farbe ist toll.“

      „War auch ziemlich teuer.“ Nina geriet langsam ins Schwitzen.

      „Für die Decke brauchst du aber eine Leiter.“

      „Ich steige auf den Tisch. Der ist stabil genug, so schwer bin ich nicht.“

      „Gut. Sonst hätt ich dir eine Stehleiter aus dem Keller geholt. Dort unten muss eine rumliegen.“

      „Danke, nicht nötig. Das geht auch so.“

      Eileen sah Nina noch eine Weile beim Streichen zu. „Da kriege ich richtig Lust, auch mitzumachen.“

      Nina grinste sie an. „Ich hab aber nur eine Rolle gekauft.“

      „War bloß Spaß“, entgegnete Eileen. „Ich zieh mich jetzt besser an. Dann will ich einkaufen gehen. Brauchst du was?“

      „Nein, ich hab vorhin schon alles erledigt. Ist aber lieb von dir.“

      Nina hatte das Gefühl, dass sie in Eileen eine gute Freundin gefunden hatte. Eine Freundin konnte sie auch brauchen. Es hatte gutgetan, über alles zu reden. Der innere Druck war doch größer, als sie gedacht hatte.

      Nina strich bis in die Nacht hinein. Obwohl das Zimmer so klein war, machte es eine Menge Arbeit. Es kostete viel Zeit, die Möbel zu verrücken. An manchen Stellen deckte die Farbe nicht richtig und sie musste nachstreichen.

      Eine halbe Stunde vor Mitternacht war sie endlich fertig. Das Zimmer sah viel besser aus als vorher, aber Nina fühlte sich wie erschlagen. Sie hatte Kopfschmerzen vom Farbgeruch. Überall an Händen und Kleidung waren winzig kleine Farbspritzer. Auch das Haar war verklebt. Obwohl es schon so spät war, nahm Nina noch ein heißes Bad. Vorher musste sie den Wäscheständer, diesmal mit lauter Männersocken, entfernen. Ihre eigenen Klamotten weichte sie in kaltem Wasser ein. Hoffentlich gingen die Farbspritzer raus. Die Jeans waren noch so gut wie neu, sie konnte sich momentan unmöglich andere kaufen.

      Nina träumte vor sich hin. Sie stellte sich vor, wie es wäre, reich zu sein und eine große, toll eingerichtete Wohnung zu haben. Natürlich mit einem breiten französischen Bett. Edle Bettbezüge aus echter Seide. Jemand würde ihr ein Tablett mit appetitlichen Häppchen ans Bett servieren. Dazu vielleicht Champagner … Und als Krönung des Ganzen gab es noch einen gut aussehenden Lover, der ihr zu Füßen lag und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas.

      4

      Jemand stolperte über sie.

      Nina spürte im Halbschlaf einen schweren Männerkörper, der neben ihr auf die Matratze plumpste.

      „Du bist so süß“, lallte Klaus. „Mein Gott, bist du süß!“ Und seine Hände fingen an, an ihr herumzutatschen.

      Nina wurde wach. Sie roch den Alkohol. Der Kerl war ja stockbesoffen! Energisch schob sie ihn von sich.

      „Hau ab, du Schwein!“, schimpfte sie. „Was fällt dir ein?“

      „Nur ein Kuss …“

      Sie holte aus und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Das brachte ihn zur Besinnung, er zog sich zurück. Nina rappelte sich inzwischen auf und suchte den Lichtschalter.

      Das Flurlicht ging an.

      Die Szene war grotesk.

      Klaus lehnte an der Wand und hielt sich die Nase. Nina konnte nicht sehen, ob sie blutete. Auf alle Fälle hatte sie wohl einen Volltreffer gelandet.

      Sein gestreiftes Pyjamaoberteil klaffte vorne auseinander und gab den Bauch frei. Eine Wölbung wie bei einer Schwangeren, bloß mit lauter schwarzen Haaren. Es sah lächerlich aus. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Nina laut gelacht, aber jetzt war sie stinksauer.

      „Glaubst du, ich hab mich in den Flur gelegt, nur dir zum Spaß?“, donnerte sie los. „In meinem Zimmer stinkt’s so nach Farbe, dass man unmöglich schlafen kann. Aber wenn ich gewusst hätte, dass du über mich herfällst, hätte ich unten im Erdgeschoss geschlafen, selbst wenn’s dort von Mäusen wimmelt! Du Arsch!“

      Klaus wirkte kleinlaut.

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