Abgerutscht. Marliese Arold
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Читать онлайн книгу Abgerutscht - Marliese Arold страница 6
„Ach!“ Nina nahm ihm die Ausrede nicht ab. „Und da bist du über die Matratze gestolpert und hast dir gedacht, dass du gleich liegen bleiben kannst?“
Klaus sagte gar nichts, sondern massierte seine Nase.
„Hast mich wohl mit Eileen verwechselt“, stichelte sie.
Beim Stichwort Eileen hielt Klaus seine Armbanduhr vor die Augen, aber er war zu betrunken, um die Uhrzeit zu erkennen. „Zum Teufel, wie spät ist es überhaupt?“
„Viertel nach vier.“
„Und sie ist immer noch nicht da.“ Klaus’ Stimme klang fast weinerlich. „Bestimmt hat sie einen anderen Kerl!“
„Und du denkst, du kannst es dann mit mir treiben“, empörte sich Nina.
„Ich denke gar nichts“, behauptete Klaus. Er hatte Mühe aufzustehen, erwischte eine Türklinke und hangelte sich an der Wand hoch.
„Mensch, geh bloß wieder ins Bett. Du bist ja völlig zu.“
Nina sah ihm nach, wie er in Richtung Schlafzimmer abzog. Er taumelte dabei von links nach rechts. Fast tat er ihr leid. Aber dann schob sie alles Mitleid beiseite. Es war sein Problem, wenn er sich betrank!
Nina war jetzt völlig aufgekratzt. Sie konnte nicht einfach das Licht ausmachen und sich wieder hinlegen!
Ihr Herz hämmerte noch immer. Klaus würde sich nicht noch mal trauen, da war sich Nina ziemlich sicher. Wahrscheinlich war er ohnehin gleich wie tot ins Bett gefallen und schnarchte schon längst. Und morgen würde er sich vermutlich nicht einmal mehr daran erinnern, was passiert war!
Trotzdem mochte Nina nicht mehr auf dem Flur schlafen. Sie wollte lieber in ihr Zimmer und die Tür hinter sich abschließen, selbst wenn es noch so sehr nach Farbe stank!
Mühsam wuchtete sie die Matratze vom Flur in ihr Zimmer zurück. Der Farbgeruch kam ihr nicht mehr so schlimm vor. Die ganze Zeit hatte das Fenster sperrangelweit aufgestanden. Nina ließ es offen, legte sich hin und löschte das Licht. Die Nacht war mild und ein leichter Wind wehte herein. Hoffentlich kam kein Fassadenkletterer auf die Idee, ihr einen Besuch abzustatten. Von nächtlichen Übergriffen hatte sie genug!
Sie konnte nicht einschlafen. Irgendwo in der Ferne schlug eine Turmuhr. Wenig später hörte Nina, wie sich ein Schlüssel in der Wohnungstür drehte. Eileen kam zurück.
Nina kämpfte mit sich. Sollte sie ihr erzählen, was passiert war?
Eileen summte draußen im Flur vor sich hin. Zweimal plumpste etwas zu Boden – ihre hochhackigen Schuhe. Dann ging Eileen leise trällernd ins Bad.
Nein. Nina rollte sich auf der Matratze zusammen. Sie würde Eileen nichts sagen. Jedenfalls jetzt nicht. Vielleicht auch nie.
Nina versuchte, ihren Gedanken eine andere Richtung zu geben. Sie brauchte unbedingt Geld. Morgen würde sie alle Zeitungen nach Anzeigen durchsehen. Wenn sie nicht gleich einen Job fand, was dann? Betteln? Oder stehlen? Einmal hatte sie in einem Kaufhaus einen Lippenstift mitgehen lassen. Es war ihr nicht leichtgefallen. Nein, zum Klauen hatte sie wahrscheinlich nicht die Nerven.
Auf alle Fälle kam es nicht infrage, dass sie reumütig nach Hause zurückkehrte. Irgendwie würde sie schon Geld auftreiben.
Viel Geld.
5
Lichter zuckten, Bässe dröhnten.
Nina schob sich auf die Tanzfläche. Ihre Laune wurde zusehends besser. Auf der Bühne spielte eine Live-Band, die Dangerous Drops. Die Band übertraf alle anderen, die Nina von daheim kannte. Sie spielten ungeheuer rockig und es gelang ihnen, die Gäste mitzureißen.
Nina ließ sich von der Stimmung anstecken. Sie tanzte nach vorne, zur Bühne. Den Bassisten fand sie besonders süß. Er hatte lange blonde Haare und trug ein dunkelblaues T-Shirt mit glitzernden Sternen. Ein bisschen ähnelte er Steffen, aber nicht viel. Nina lächelte ihm zu. Er lächelte zurück und Ninas Laune hob sich.
Die Musik heizte sie immer mehr an. Sie flippte über die Tanzfläche, gab sich ganz dem Rhythmus hin und sang bekannte Songs mit. Alle Probleme abschütteln. Bloß nicht mehr daran denken, wie mistig der Tag verlaufen war.
You make me feel so good …
„So good“, summte Nina und wirbelte zwischen einem Pärchen hindurch. Den ganzen Tag hatte sie am Telefon gehangen, auf der Suche nach einem Job unzählige Nummern angerufen. Überall dasselbe. Vergeben oder unterbezahlt. Oder sie erfüllte die Voraussetzungen nicht, weil sie weder einen PC noch ein Auto hatte.
Sie war desillusioniert, enttäuscht und frustriert.
Ein beknackter Tag auf der ganzen Linie.
Yeah, you’re my beautiful baby …
Sie hatte sogar bei der Redaktion einer Hamburger Frauenzeitschrift angerufen. Dort hatte sie erfahren, dass die Models durch Agenturen vermittelt wurden oder dass die Fotografen mit festen Models arbeiteten. Man hatte ihr angeboten, sie könne bei der Aktion „Das neue Gesicht“ mitmachen. Da würden immer Mädchen gesucht. Richtig geschminkt, und aus dem hässlichen Entchen wird ein wunderschöner Schwan. Nina hatte wütend aufgelegt.
So, wie sie war, fand sie sich total in Ordnung, und mit der neuen Frisur sah sie sogar noch viel besser aus. Da gab es nichts zu verbessern, gar nichts.
Sie konnte mithalten. Sie musste bloß eine Chance kriegen.
Oh please, let my dream come true …
Das Größte wäre natürlich, wenn sie irgendwie zum Film käme. Sie wäre bestimmt eine gute Schauspielerin, davon war sie überzeugt. Man musste dazu nicht unbedingt jahrelangen Unterricht nehmen, es gab zahlreiche Gegenbeispiele. Jemand musste sie bloß entdecken …
Yeah!
Nina sah die Schlagzeilen schon vor sich. Berühmt über Nacht! Ein neues Gesicht! Ein Star wie Emma Watson und Kristen Stewart. Ein Riesentalent, eine ganz große Naturbegabung. Und die Welt würde ihr zu Füßen liegen.
Nina schloss die Augen. Selbst durch die Lider nahm sie die bunten Lichter wahr. Ein Gefühl, als müsste sie gleich abheben. Alles war möglich, alles!
Ausgepowert landete sie schließlich an der Bar und bestellte sich eine Cola mit Schuss. Sie spülte das Getränk auf einen Rutsch hinunter. Links neben ihr saß ein Typ, der sie beobachtete. Nina registrierte hellblaue Augen, ein sympathisches Gesicht und blonde Haare, die für ihre Begriffe ein bisschen zu kurz geschnitten waren. Die Art, wie er mit den Augen lächelte, gefiel Nina.
„Hey, ich kenn dich nicht. Neu hier?“
„Ich bin erst seit ein paar Tagen in Hamburg.“
„Hallo, da hab ich aber Glück, dass ich dich so schnell kennenlerne.“ Er ließ noch eine Cola kommen und schob sie Nina über den Tisch zu. „Ich bin übrigens Lukas.“
„Ich heiße Nina.“
„Nina.“