Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan Wilson
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Tatsächlich jedoch war Alcock keineswegs derart überzeugt. Obwohl er sich vom „Kombinationsspiel“ beeindruckt zeigte – und trotz all jenes Könnens, das er in Sheffield demonstriert hatte –, brachte er im Jahrbuch von 1879 seine Zweifel darüber zum Ausdruck, ob sich „ein Passspiel im großen Stile auszahlen würde“. Offensichtlich hielt er das Kurzpassspiel zwar sehr wohl für eine Option, es hätte jedoch niemals das Dribbelspiel ersetzen dürfen. Dennoch verbreitete es sich insbesondere in Schottland in Windeseile. Dort nämlich war der Einfluss von Queen’s Park geradezu allgegenwärtig und führte schließlich zu jenem stark romantisch verklärten Ansatz, der sich durch kurze, zwischen den Angriffs- und Mittelfeldreihen kreuz und quer gespielte Ballstafetten auszeichnete. Queen’s Park organisierte ferner die schottische Mannschaft für die ersten beiden Länderspiele.
Die Stimme des Klubs behielt im Übrigen auch nach Gründung des schottischen Fußballverbandes großes Gewicht bei der Gestaltung des Spiels. Man betätigte sich als Missionar, reiste durch das Land und führte Schaukämpfe durch. In den Aufzeichnungen eines Spiels gegen Vale of Leven, die später eines der ersten Zugpferde des schottischen Fußballs werden sollten, wird beschrieben, dass das Match zur besseren Erklärung von Regeln und Spielweise regelmäßig unterbrochen wurde. Darüber hinaus markierte ein 1873 in Edinburgh ausgetragener Vergleich den Beginn des Fußballs in der Hauptstadt.
Es ist vielleicht ganz bezeichnend für die Wirkung jener Spiele, dass die Verwaltungsregion der Scottish Borders bis heute eine Hochburg des Rugby geblieben ist. Eines jener missionarischen Matches von Queen’s Park, das dort geplant gewesen war, musste aufgrund eines Einsatzes im FA-Pokal abgesagt werden. Die Saat des Fußballs wurde dort somit nie gesät. McBrearty vertritt die Ansicht, dass die Bevölkerungsverteilung Schottlands mit seinen mehrheitlich in einem Streifen zwischen den Ballungsräumen von Glasgow und Edinburgh lebenden Einwohnern die Durchsetzung einer einzigen Spielweise erheblich erleichterte. In England dagegen hatte jede Region ihre ganz eigene Vorstellung davon, wie Fußball gespielt werden sollte.
Zwar sorgte die Taktik von Queen’s Park im ersten Länderspiel in England noch für Stirnrunzeln, doch bald verbreitete sich das Kurzpassspiel auch im Süden, dank des Einflusses zweier Männer: Henry Renny-Tailyour und John Blackburn. Beide hatten zum schottischen Sieg im zweiten Länderspiel gegen England beigetragen. Beide waren Leutnant in der Armee, und beide spielten Vereinsfußball beim Royal Engineers AFC, einer Armeesportgruppe, mit der sie das schottische Spiel in die englische Grafschaft Kent brachten. „Die Royal Engineers führten als erste Fußballmannschaft die ‚Kombinations‘-Spielweise ein“, schrieb W.E. Clegg, ein ehemaliger Spieler Sheffields, 1930 im Sheffield Independent. „Zuvor gewannen wir die Spiele, die sie gegen Sheffield austrugen, aber wir waren schwer überrascht, als sie zwischen zwei Saisons ‚militärische Fußballtaktiken‘ einbezogen hatten, mit dem Ergebnis, dass Sheffield unter diesen neuen Spielbedingungen nun schwere Niederlagen einstecken musste.“
Im Schulfußball hatte Reverend Spencer Walker das Kurzpassspiel eingeführt, nachdem er als Lehrer an das Lancing College, das er bereits als Schüler besucht hatte, zurückgekehrt war. Sogleich machte er sich daran, einen „ziemlichen Lumpenhaufen in eine wohlgeordnete Mannschaft“ zu verwandeln. „Zuerst ging ich das Umringen des ballführenden Stürmers durch alle übrigen Stürmer an. Sie scharten sich um ihn, wo immer er auch hinlief. Also stellte ich Regel Nummer eins auf: feste Positionen für alle Stürmer, die dann den Ball von einem zum anderen zu passen hatten. Sie hätten die Gesichter unserer ersten Gegner sehen sollen, die zu sagen schienen: ‚Wo sind wir denn hier gelandet?‘“
Allmählich wurde offensichtlich, dass dem Passspiel die Zukunft gehörte. Die Mannschaft der Old Carthusians, die 1881 im FA-Pokalfinale die Old Etonians mit 3:0 besiegte, blieb vor allem wegen ihrer Kombinationen, die insbesondere zwischen E.M.F. Prinsep und E.H. Parry gespielt wurden, in Erinnerung. Das einzige Tor der Old Etonians im Jahr darauf, mit dem sie die Blackburn Rovers, die als erste Mannschaft aus dem Norden überhaupt ins Finale eingezogen waren, besiegten, resultierte, so Green in seiner Geschichte des FA-Pokals, aus „einem langen Dribbling und einem Querpass“ des Spielers A.T.B. Dunn, der für W.H. Anderson auflegte. Nichtsdestotrotz waren die Etonians in erster Linie eine Mannschaft des Dribblings.
Der FA-Cup geht erstmals in den Norden: 1883 besiegt das Arbeiterteam von Blackburn Olympic (hier im Bild) im Finale die Old Etonians.
1883 erhielt das Dribbelspiel endgültig den Todesstoß. Erstmals wurden mehr Mannschaften aus Gegenden außerhalb Londons für den Pokal gemeldet als aus London selbst. Erstmals ging der Pokal in den Norden, nachdem Blackburn Olympic die Old Etonians im Finale geschlagen hatte. Das Amateurzeitalter war – jedenfalls als innere Haltung – bereits abgelaufen. Dies wurde zwei Jahre später offiziell bestätigt, als die FA das Profitum legalisierte.
In der Mannschaft von Olympic waren alle Spieler voll berufstätig. Es löste einige Aufregung aus, als der Läufer und De-facto-Trainer Jack Hunter sie vor dem Finale zu einem Trainingslager in Blackpool zusammenrief. Keine Frage – dies hatte nichts mehr mit dem zwanglosen Amateurismus zu tun, der von den oberen Klassen propagiert wurde. Durch eine Verletzung mussten die Etonians bereits frühzeitig im Spiel mit zehn Mann auskommen. Unabhängig davon ist es zweifelhaft, ob sie mit der ungewöhnlichen Taktik von Olympic zurechtgekommen wären, hohe und weite Bälle von Flügel zu Flügel zu schlagen. Der spät in der Verlängerung erzielte Siegtreffer war symptomatisch für das gesamte Spiel: Ein Diagonalpass von Tommy Dewhurst (einem Weber) auf der rechten Seite fand seinen Weg zu Jimmy Costley (einem Baumwollspinner), der auf der linken Seite nach vorne lief, die Nerven behielt und den Ball an J.F.P. Rawlinson, dem Schlussmann der Etonians, vorbei ins Tor schob.
In Schottland war die Überlegenheit des Kurzpassspiels nichts Neues. „Welche erfolgreiche Mannschaft man auch nimmt“, schrieb der Kolumnist „Silas Marner“ im August 1884 in der Zeitung Scottish Umpire, „sie verdankt ihren Erfolg dem Moment, als man das Durchwühlen durch schnelles und genaues Passspiel ersetzte und sich anstelle des würdelosen Versuchs, den Gegner zu überwältigen, lieber dem Leder widmete.“ Davon waren aber noch immer keineswegs alle überzeugt. Nachdem Jamestown Athletics zwei Monate darauf im schottischen Pokal von Vale of Leven mit 4:1 geschlagen worden war, übte „Olympian“ im Umpire in seiner Kolumne „Auf dem Flügel“ scharfe Kritik an deren Kombinationsspiel. „‚Teile und herrsche‘ war die Maxime des großen Macchiavelli, als er Prinzen lehrte, wie sie regieren sollten. … Was soll ich zu dem Versuch von Jamestown sagen, die, wie ich annehme, die Wahrheit dieses Sinnspruches zu beweisen suchten. Ihre Annahmen waren zwar richtig, aber bei der Schlussfolgerung lagen sie äußerst falsch. Sie begingen den großen Fehler, anstelle ihrer Gegner sich selbst zu teilen und erhielten dementsprechend die Strafe dafür. Und was für eine Strafe! … Strategie kann niemals wichtiger sein als elf Paare flinker Beine.“
Nun, da sollte sich der Kolumnist irren, denn schon bald wurde die Strategie eines der wichtigsten Elemente im Spiel. Zur Bestürzung der Traditionalisten in England und Schottland hieß dies, dass einer der beiden Mittelstürmer – der in einem passorientierten Spiel nach damaliger Meinung ohnehin nur eine unnötige Verdopplung der Rolle des jeweils anderen darstellte – weiter nach hinten rutschte. Im Lauf der 1880er Jahre wurde er schließlich zum Mittelläufer in der 2-3-5-Formation, der Schottischen Furche, die im englischen Sprachraum „Pyramide“ genannt wird. Beide Bezeichnungen leiten sich aus dem Dreieck ab, das sich von oben betrachtet bei diesem System ergibt.
Es wird weithin angenommen, dass das 2-3-5 erstmals 1883 von der