Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan Wilson

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Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson

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dafür, dass man dieses System dort bereits sechs Jahre zuvor angewandt haben könnte. Ebenso war Nottingham Forest schon gegen Ende der 1870er Jahre ein glühender Verfechter dieses Systems. Dort erhielt man die Anregung dazu von Mannschaftskapitän Sam Widdowson, der auch den Schienbeinschoner erfand.

      Mit Sicherheit jedoch setzte der FC Wrexham einen Mittelläufer ein, als er im walisischen Pokalfinale von 1878 auf den FC Druids traf. Sein Kapitän und Verteidiger Charles Murless, ein örtlicher Immobilienhändler, entschied, E.A. Cross aus der Angriffsreihe zurückzuziehen. Offenbar glaubte er, dass der verbleibende Mittelstürmer John Price schnell genug war, um eine sich daraus ergebende Unterzahl im Angriff zu kompensieren. Murless’ Annahme wurde bestätigt, als James Davies ein umkämpftes Spiel zwei Minuten vor dem Schlusspfiff durch das einzige Tor des Tages entschied.

      Die allmähliche Verbreitung des 2-3-5 bedeutete, dass der Mittelläufer sich bald zum Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft entwickelte – weit entfernt von jenem hartnäckigen Vorstopper, zu dem er später einmal werden würde. Er stellte einen Allrounder mit zahlreichen Fähigkeiten dar, war Verteidiger und Angreifer, Anführer und Antreiber, Torschütze und Zerstörer in einem. Er war, so der große österreichische Fußballautor Willy Meisl, „der wichtigste Mann auf dem Platz“.

      Faszinierenderweise listete der Sheffield Independent in seinem Bericht über das erste Flutlichtspiel – einen im Oktober 1878 ausgetragenen Schaukampf zwischen den „Roten“ und den „Blauen“ – jedes Team mit vier Verteidigern, einem Läufer und fünf Angreifern auf. Allerdings gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass jemals eine weitere Mannschaft in den darauffolgenden drei Jahrzehnten mit mehr als zwei Abwehrspielern auftrat. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass vielmehr ein 2-3-5 beschrieben wurde. Die Außenläufer, deren Aufgabe später das Abfangen der gegnerischen Innenstürmer werden sollte, wären dann nicht als Läufer, sondern als Verteidiger aufgelistet.

      Ein Beitrag im Scottish Athletic Journal vom November 1882 vermittelt einen Eindruck davon, welch wütende Reaktionen allein die Idee von Verteidigung auslöste. Die Angewohnheit „bestimmter Vereine vom Lande“, zwei Mann gut 20 Meter vom eigenen Tor entfernt stehen zu lassen, wurde klar missbilligt. Wie der Autor scharfzüngig feststellte, würden sie dort wohl „ein Schwätzchen mit dem Torhüter halten“. In ganz ähnlicher Weise verdammte man das Angriffsspiel des aus der Grafschaft Ayrshire stammenden Klubs FC Lugar Boswell Thistle mit lediglich neun Mann. Trotzdem kämpften die Reaktionäre auf verlorenem Posten, und im schottischen Pokalfinale von 1883 schlug Dumbarton das Team von Vale of Leven mit einem 2-3-5-System.

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       FC Wrexham – FC Ruabon Druids 1:0, walisisches Pokalfinale, Acton, 30. März 1878.

      

      Der Erfolg von Preston North End in den 1880er Jahren bestätigte die Überlegenheit des 2-3-5. Der Verein war ursprünglich ein Kricket- und Rugbyklub gewesen und spielte im Jahr 1878 ein „einmaliges“ Spiel nach den Regeln der FA gegen den FC Eagley. Für dieses Spiel ist zwar keine Formation überliefert, doch traf man im November des darauffolgenden Jahres mit einer im klassischen 2-2-6 aufgestellten Mannschaft auf die Halliwell Rovers, spielte demzufolge mit zwei Verteidigern, zwei Läufern, zwei Rechtsaußen, zwei Linksaußen und zwei Mittelstürmern. In der Saison 1880/81 trat Preston dem Fußballverband von Lancashire bei. Zwar hatte man zunächst mit Problemen zu kämpfen, doch der Zugang einer Reihe schottischer Spieler – de facto allesamt Profis – gab dem Verein neue Impulse. 1883 zeigte Prestons Mannschaftsaufstellung erstmals ein 2-3-5-System. Es ist zwar ungeklärt, auf wessen Eingebung dies beruhte. Bekannt ist jedoch, dass der Lehrer und Arzt James Gledhill aus Glasgow in einer Reihe von Vorlesungen „an der Tafel aufzeigte, zu was eine Mannschaft aus ausgewählten Spezialisten in der Lage sein könnte“, wie David Hunt in seiner Geschichte des Klubs festhielt. Mit genau diesem System machte sich Preston auf, die beiden ersten Meisterschaften in der Football League zu gewinnen – die erste davon 1887/88 ohne eine einzige Niederlage.

      Die englische Nationalmannschaft spielte das 2-3-5 erstmals 1884 in einem Match gegen Schottland. Im Oktober desselben Jahrs war das System so allgemein verbreitet, dass der Umpireohne weitere Erläuterung die 2-3-5-Formation von Notts County abdruckte, als die Mannschaft zu einem Freundschaftsspiel gegen die damalige Grafschaft Renfrewshire gen Norden reiste. Die schottische Nationalmannschaft trat erstmals im Jahr 1887 mit der „Furche“ an und löste damit ein vielstimmiges Murren darüber aus, dass man eine ursprünglich englische Taktik nachäffte. Der Tonfall eines 1889 im Scottish Referee veröffentlichten Porträts des Celtic-Glasgow-Spielers James Kelly macht jedoch deutlich, dass die Debatte zu Ende des Jahrzehnts abgeschlossen war: „Eine Reihe von Leute glaubt, dass man in Schottland viel von den eigenen Stärken im Spiel opferte, als man die Mittelläuferposition übernahm“, war dort zu lesen. „Wir teilen diese Auffassung ganz und gar nicht, und wenn von den Spielern in unseren Klubs, die diese Position bekleiden, mehr Männer das Kaliber von Mr. Kelly hätten, gäbe es weder eine Meinungsverschiedenheit in dieser Angelegenheit, noch bestünde irgendein Grund zu bedauern, in dieser Sache dem englischen Beispiel gefolgt zu sein.“

      In den dreieinhalb Jahrzehnten danach blieb das 2-3-5 zumindest in Großbritannien die Standardformation. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Unterschiede im Detail gegeben hätte. Zwar wurden in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg noch keine komplexen Taktikdebatten geführt. Allerdings beschäftigte man sich nun zunehmend mit der Frage, wie Fußball eigentlich gespielt werden sollte. Auch zu König Eduards Zeiten spielten die Mannschaften sicher nicht Woche um Woche den gleichen Stiefel herunter.

      So erschienen im Sheffield Telegraph and Star Sports Special beispielsweise zwischen 1907 und 1914 insgesamt 64 Lehrbeiträge. Zugleich listet Peter J. Seddons Football Compendium zwölf zwischen 1898 und 1912 erschienene Bücher oder Handbücher über das korrekte Fußballspiel auf. Davon waren neun ganz oder zumindest unter inhaltlicher Beteiligung von Profispielern geschrieben worden. Hinzu kam eine ganze Reihe an Kolumnen eines sogenannten Looker-On (gewöhnlich der schottische Journalist Bruce Campbell) mit dem Titel „Blätter aus meinem Notizbuch“. Darin wurden Aspekte von Taktik und Spielweise erörtert, außerdem fand häufig ein Austausch mit den Lesern statt. Alex Jackson vom National Football Museum, Experte für den Fußball in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, hat darauf hingewiesen, dass beinahe jede Debatte auf dem elementaren Unterschied zwischen schottischem Kurzpassfußball und dem vertikaleren Passspiel, das man in England praktizierte, fußte.

      Doch es ging nicht nur um Schotten und Engländer oder Kurzpässe versus lange Bälle. Der dritte Lehrbeitrag im Sheffield Telegraph and Star Sports Special von Percy Sands, dem Mittelläufer von Woolwich Arsenal, fragte: „Wird der Fußball wissenschaftlicher?“ Sands legte dar, dass man in der Diskussion über die korrekte Spielweise bereits „von der Einführung der verschiedensten Mischungen hört, wie etwa dem freien Spiel, dem Kurzpassspiel, den Spielzügen in Dreiecken, der Kick-and-rush-Methode, der individuellen Methode und so weiter“.

      Ganz allmählich verbreitete sich die theoretische Auseinandersetzung mit dem Fußball. Zwar sollte die Taktikdebatte erst im Folgejahrzehnt in den Kaffeehäusern an der Donau Einzug in den intellektuellen Mainstream halten. In gewissem Umfang fand sie aber bereits im England unter Eduard VII. statt. 1913 äußerte George Utley von Sheffield United in einem Beitrag über „Das Spiel des linken Läufers“ einige Gedanken zum FA-Cup-Triumph seines damaligen Vereins FC Barnsley im Jahr zuvor. „Barnsley errang seinen Erfolg keineswegs durch gedankenlosen Fußball“, schrieb er. „Nicht selten – und in jedem Fall vor einer Partie gegen eine große Mannschaft – haben wir im Umkleideraum und anderswo in aller Ausführlichkeit unsere Taktik besprochen und uns auf bestimmte Vorgehensweisen verständigt. Nachdem wir in Lytham angekommen waren, bereiteten wir uns auf das Pokalendspiel vor und begannen nach dem Abendessen solcherart Gespräche. Mit einem Male trat der Trainer auf den Plan. Er holte sich 22 Zuckerstücke und arrangierte sie allesamt auf dem Tisch, in den Positionen zweier Fußballmannschaften.

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