Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет
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Die ganze Nacht hindurch warf ich mich auf meinem Bette hin und her, und stellte Erwägungen über die Mittel an, die sich möglicher Weise auffinden liessen, bis ich endlich zu einem Entschluss kam. Am andern Morgen begab ich mich auf’s Deck, und erklärte, dass mich das Fieber verlassen habe, obschon ich noch immer sehr unwohl sei. Das Langboot wurde ausgeschickt, um noch mehr Wasser zu holen, und ich trug Sorge dafür, dass der zweite Mate mit den meuterischen acht Matrosen zu diesem Dienst gewählt wurde; sobald sie abgefahren waren, rief ich die anderen vier in’s Vorderkastell, und theilte ihnen mit, was ich gehört hatte. Sie waren höchlich erstaunt, da es ihnen nicht entfernt eingefallen wäre, es könnte etwas derartiges an Bord vorgehen. Ich vertraute ihnen sodann meinen Plan, und sie versprachen mir, mich in Allem zu unterstützen — ja, wenn ich’s zugegeben hätte, so würden die tapferen Leute den Versuch gemacht haben, den zweiten Maten mit den übrigen zu überwältigen, und noch in der Nacht auszusegeln. Dies ging jedoch nicht an, da die Gefahr zu gross war. Sie begriffen mit mir vollständig, dass es unnütz sei, den Kapitän zu unterrichten, und dass wir nichts Weiteres zu thun hätten, als uns diese Leute vom Halse zu schaffen und dann das Fahrzeug so gut wie möglich nach Haus zu bringen. Aber wie es angreifen? Dies war die Hauptfrage. So viel leuchtete Allen ein, dass es nöthig wurde, die Bai bei Nacht zu verlassen, oder es war zu spät. Glücklicherweise wehte bei Nacht stets eine leichte Brise, und da der Mond erst Morgens um drei Uhr aufging, so konnten wir die Dunkelheit benützen, und bis dahin die hohe See erreichen. Der Sklavenhändler hatte dann das Nachsehen, da wir geschwinder waren.
Gegen Mittag kam das Boot mit dem Wasser zurück, und die Mannschaft setzte sich zum Mahle nieder. Der Kapitän hatte dem Gouverneur versprochen, bei ihm zu speisen, und forderte mich auf, an dem Abschiedsmahle Theil zu nehmen, da wir am andern Morgen aussegeln sollten. Ich hatte lange bei mir erwogen, wie ich mich wohl der Schufte an Bord entledigen könne, wesshalb ich beschloss, mit dem Kapitän an’s Land zu gehen, und dem Gouverneur einen Plan vorzuschlagen. Eine Mittheilung an diesen von dem beabsichtigten Versuche konnte nicht schaden, um so weniger da ich hoffte, er werde uns hülfreiche Hand bieten. Ich begab mich daher in’s Boot, und als wir an’s Land stiegen, sagte ich meinen Leuten, was ich zu thun gedenke. Bei dem Gouverneur angelangt, ersah ich, als der Kapitän eben in einem Buche blätterte, die Gelegenheit, unsern Wirth um einige Augenblicke Gehör zu bitten, und ertheilte ihm sodann Nachricht von dem bestehenden Komplott, indem ich ihm zugleich bedeutete, es dürfte passend sein, gegen den Kapitän nichts davon zu erwähnen, bis Alles in Sicherheit sei. Auf den Plan, den ich ihm vorschlug, ging er auf’s Bereitwilligste ein. Er kehrte nunmehr zu dem noch immer im Lesen begriffenen Kapitän zurück, und sagte ihm, er besitze einen Vorrath von Goldstaub und anderen werthvollen Gegenständen, die er in unserem Schiff nach England zu schicken wünsche; indess sei ihm daran gelegen, dass diess nicht öffentlich geschehe, weil er die Ansicht zu unterhalten wünsche, dass er selbst keinen Handel treibe, der Kapitän möge daher nach Eintritt der Dunkelheit sein Langboot an’s Ufer schicken, und er wolle dann alle die besprochenen Gegenstände mit der betreffenden Weisung, an wen sie bei unserer Ankunft in England abzuliefern wären, an Bord senden. Der Kapitän war dies natürlich zufrieden. Wir verabschiedeten uns etwa eine halbe Stunde vor Einbruch der Nacht von dem Gouverneur und kehrten an Bord zurück. Ich war noch keine paar Minuten auf dem Deck, als ich den zweiten Maten kommen liess, und ihm den angeblichen Vorschlag des Gouverneurs als ein Geheimniss mittheilte, dabei zugleich bemerkend, er werde die Güter, sobald es dunkel sei, vom Lande aus holen müssen; er solle sich aber dabei sehr in Acht nehmen, weil sich ein grosser Vorrath von Goldstaub darunter befinde. Natürlich musste ihm diese Kunde sehr angenehm sein, da der Raub, wenn sie sich des Schiffes bemächtigten, nur vergrössert wurde. Ich erklärte ihm noch weiter, er solle keine Zeit verlieren, und sobald als möglich wieder zurückkehren, damit wir das Langbot noch aufhissen könnten, sintemal die Abreise auf Tagesanbruch festgestellt sei. Gegen acht Uhr ging das Boot mit dem zweiten Maten und den acht Matrosen an’s Land. Der Gouverneur hatte versprochen, sie mit Branntwein so lange hinzuhalten, dass wir Zeit gewännen, uns in Sicherheit zu bringen; sobald wir sie also ausser Seh- und Hörweite hatten, trafen wir alle Vorbereitungen, um Anker zu lichten. Der Kapitän war nach seiner Kajüte hinuntergegangen, aber noch nicht im Bette; ich begab mich desshalb zu ihm, um ihm zu sagen, dass ich oben bleiben wolle, bis das Boot zurückgekehrt, und Alles in Ordnung sei: in der Zwischenzeit wolle ich Alles für die Abfahrt am nächsten Morgen zurecht machen — er könne daher immerhin sein Lager aufsuchen; ich wolle ihn mit Tagesanbruch wecken, damit er mich ablöse. Dieser Vorschlag gefiel ihm; eine halbe Stunde später bemerkte ich, dass sein Licht gelöscht war und er sich zur Ruhe begeben hatte. Es war jetzt so dunkel, dass wir den Sklavenhändler, welcher ungefähr drei Kabellängen von uns entfernt lag, nicht sehen konnten, wesshalb füglicherweise anzunehmen war, dass wir auch von dort aus nicht bemerkt wurden. Ich begab mich daher nach dem Vorderschiff, liess in aller Stille das Ankertau los, und schickte meine Leute auf die Masten, um die Segel zu lösen. Es wehte eine leichte Brise, die zureichte, uns mit einer Geschwindigkeit von ungefähr zwei Knoten durch’s Wasser zu bringen; auch wussten wir, dass sie sich eher steigern, als mindern würde. Trotz unserer schwachen Bemannung waren wir nach einer halben Stunde unter Segel, ohne dass dabei nur ein Wort gesprochen worden wäre. Es lässt sich denken, welche Freude wir Alle hatten, als wir fanden, dass unser Manöver so gut von Statten gegangen war. Gleichwohl hielten wir einen scharfen Lugaus, um zu sehen, ob der Sklavenhändler unsere Bewegungen bemerkt habe, und uns gefolgt sei. Die Furcht hielt uns fast bis zum Tagesanbruch in steter Unruhe; aber jetzt begann eine starke Brise zu blasen, und wir fühlten, dass wir nun nichts mehr zu besorgen hatten. Um die Zeit der Dämmerung standen wir schon vier oder fünf Seemeilen von unserem Ankergrunde und konnten nun nichts mehr von den niedrigen Masten des Sklavenhändlers sehen, der sich noch immer an der Stelle befand, wo wir ihn verlassen hatten.
Ueberzeugt, dass wir jetzt in Sicherheit waren, begab ich mich zum Kapitän hinunter, der noch im Bett lag, und theilte ihm das Vorgefallene mit. Die ganze Sache kam ihm wie ein Erwachen aus einem Traume vor; er stand ohne Erwiederung auf und eilte nach dem Deck. Als er fand, dass wir unter Segel und soweit vom Lande ab waren, rief er:
„Es muss Alles wahr sein; aber wie ist’s möglich, das Schiff mit so geringer Bemannung nach Hause zu bringen?“
Ich entgegnete, dass ich um desswillen unbesorgt sei; ich stehe dafür, dass das Schiff wohlbehalten in Liverpool anlange.
„Aber wie kommt’s,“ sagte er endlich, „dass ich von alledem nichts erfahren habe? Ich hätte mit den Leuten wohl in’s Reine kommen wollen.“
„Wenn Ihr diess versucht hättet, Sir, so wäre das Schiff augenblicklich genommen worden.“
„Warum ist mir nicht Meldung gemacht worden, frage ich?“ ergriff er abermals das Wort.
Ich war inzwischen mit mir in’s Reine gekommen, welche Antwort ich ihm geben könne, und erwiederte daher:
„Weil es Euch eine schwere Verantwortung hätte