Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет

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Der Kaperschiffer vor hundert Jahren - Фредерик Марриет

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Posten vor der Hütte. Ich hatte daran wohl gethan, denn es stund nicht fünf Minuten an, als der alte Kerl, dessen Zorn sich inzwischen gelegt hatte, aus seinem Zelt gegen die Hütte herkam, um Whyna wieder zu begütigen, da sie für sein Glück unerlässlich war. Er behandelte sie nachher wieder mit seiner gewohnten Freundlichkeit; indess bemerkte ich doch, dass sich von der eben beschriebenen Scene an ihre Abneigung gegen ihn verdoppelt hatte.

      In den verschiedenen Hütten, die innerhalb der Einzäunung standen, wohnten mehrere Dutzend Frauenspersonen, die, wie ich hörte, insgesammt Weiber des alten Monarchen waren, obschon wir nie andere, als die vier, die wir bei unserem Anlangen kennen gelernt hatten, in seiner Gesellschaft bemerkten. Durch die Vermittlung meiner wohlwollenden Gebieterin fand ich stets Gelegenheit, meine Gefährten mit Geflügel und Wildpret, das auf der königlichen Tafel übrig blieb, zu versehen, und ihrer Vorsorge hatten sie es zu danken, dass sie stets freundlich und mild behandelt wurden.

      So blieb ich noch weitere zwei Monate in meiner Gefangenschaft, bald glücklich im Umgang mit Whyna, bald elend in der Anwesenheit des Königs, dessen Auge stets einen niederschlagenden Einfluss auf seine ganze Umgebung übte. Endlich erhielten wir eines Morgens Befehl zum Antreten, und wurden von einem grossen Haufen umringt, der mit Speeren, Wurfspiessen und Vogelpfeilen bewaffnet war — ich sage Vogelpfeilen, weil diejenigen, welche im Krieg Dienste thun mussten, grössere Stärke besassen. Wir erfuhren nun, dass wir nach einem andern Platz gebracht werden sollten, aber warum dies geschah und wohin man mit uns wollte, konnten wir nicht ausfindig machen. Bald nachher wichen unsere Wächter auseinander, um Whyna Platz zu machen. Sie nahm die Federkrone von meinem Kopf, und die Fesseln von meinem Arm und Beine, worauf sie hinging und sie dem Könige zu Füssen legte. Sie kehrte dann zurück und theilte mir mit, dass ich sammt allen meinen Gefährten frei sei; wenn ich übrigens Lust dazu habe, so sei es mir, aber nur mir allein gestattet, bei ihr zu bleiben.

      Anfangs gab ich keine Antwort. Sie bat mich dann in der angelegentlichsten Weise, als ihr Sklave bei ihr zu bleiben; da sie nicht wagen durfte, ihre Gefühle auszudrücken oder ihrer Ueberredungskunst durch Liebkosungen Kraft zu geben, so stampfte sie heftig und ungeduldig mit ihren kleinen Füssen. Der Kampf in meinem eigenen Herzen war sehr schwer. Ich vermuthete, wir sollten irgend einem andern König zum Geschenk gemacht werden und fühlte wohl, dass ich nirgends anders eine so leichte und angenehme Knechtschaft finden konnte, wie sie mir hier zu Theil geworden. Auch war ich Whyna aufrichtig zugethan, ja letzter Zeit sogar mehr als zugethan, denn ich hing mit ganzer Seele an ihr, so dass ich fühlte, meine Lage könne gefährlich werden. Wäre der alte König todt gewesen, so hätte ich mich wohl darein finden können, mit ihr mein Leben zu verbringen; auch war ich ungeachtet der Vorstellungen meiner Gefährten noch unschlüssig, als der Negerhaufen ein wenig aus einander wich und ich des alten Königs ansichtig wurde, welcher mir Blicke zuwarf, dass ich mich wohl überzeugt fühlen konnte, seine Eifersucht sei endlich rege geworden und mein Leben keinen Heller werth, wenn ich in seinem Bereiche bleibe.

      Auch Whyna wandte sich um und begegnete dem. Blicke des alten Königs. Ob sie in seinem Gesichte eben das las, was ich, kann ich nicht sagen; aber so viel ist gewiss, dass sie keine Beredungsversuche mehr machte, sondern uns mit der Hand winkte, wir sollten unsere Wanderung antreten. Sie zog sich dann langsam zurück und wandte sich, an ihrer Hütte angelangt, noch einmal gegen uns um. Wir warfen uns insgesammt vor ihr nieder und brachen sodann auf. Sie stand vor der Thüre ihrer Hütte und winkte uns zwei oder dreimal mit der Hand zu — Bewegungen, aus denen unsere Hüter Anlass nahmen, uns zu nöthigen, dass wir uns jedesmal auf’s Neue zu Boden warfen. Endlich ging sie nach der Anhöhe hinauf, wo sie zu beten pflegte, und winkte uns zum letztenmal zu. Ich bemerkte noch, wie sie zu Boden sank und ihr Haupt in die Richtung kehrte, in welcher sie ihre Gebete darzubringen gewohnt war.

      Wir setzten nun unsere Wanderung in nordwestlicher Richtung fort und wurden von unsern Wachen mit der grössten Freundlichkeit behandelt. Jeden Tag wurde von 10 Uhr bis Abends 4 Uhr Halt gemacht, und dann marschirten wir weiter bis in die Nacht hinein. Die zerstreuten Weiler, an denen wir vorbei kamen, versahen uns mit Korn, und unser Gefolge sorgte mit seinen Bogen und Pfeilen für Fleisch und Geflügel. Gleichwohl waren wir in grosser Angst, denn wir wussten nicht, wohin es ging, und Niemand schien geneigt oder im Stande zu sein, uns Auskunft darüber zu ertheilen. Oft dachte ich an Whyna und bisweilen bereute ich sogar, dass ich nicht bei ihr geblieben war, weil ich in eine noch schlimmere Sklaverei zu fallen fürchtete; aber die Erinnerung an den teuflischen Abschiedsblick des alten Königs reichte zu, mir die Ueberzeugung zu geben, es sei doch am Besten so, wie es sei. Nun ich meine Gebieterin verlassen hatte, dachte ich ohne Unterlass an ihr Wohlwollen, an ihre schönen Eigenschaften und an ihre Zuneigung zu mir; es wird vielleicht sonderbar erscheinen, wenn ich sage, dass ich wirklich Liebe zu einer Schwarzen empfand, gleichwohl kann ich es nicht in Abrede ziehen. Ich vermochte dem Drang meines Herzens nicht zu widerstehen, und dies ist die einzige Entschuldigung, die ich vorzubringen im Stande bin.

      Unsere Wachen theilten uns nun mit, dass es jetzt eine Strecke weit durch das Gebiet eines andern Königs gehe, und sie wüssten nicht, welchen Empfang sie von demselben zu gewärtigen hätten. Hierüber kamen wir jedoch bald ins Klare, denn wir bemerkten einen Haufen hinter uns, der jeder unserer Bewegungen folgte, ohne uns übrigens anzugreifen, und eine Weile später vertrat uns vorn eine noch grössere Abtheilung den Weg. Wir entnahmen hieraus, dass es auf feindselige Kundgebungen abgesehen war, wesshalb der Führer unseres Haufens den Befehl zum Angriff ertheilte; zuvor versah er uns mit starken Speeren, weil dies die einzigen Waffen waren, die wir zu führen wussten, und forderte uns auf, am Gefecht Theil zu nehmen. Der Feind war bei Weitem zahlreicher, als wir, aber unsere Hüter bestanden aus auserlesenen Kriegern. Was uns Weisse dagegen betraf, so hielten wir zusammen und machten unter uns aus, wir wollten uns gegen jeden Angriff vertheidigen, keinenfalls aber irgend einer Partie dadurch Anstoss geben, dass wir uns unnöthigerweise in den Kampf mengten, sintemal es für uns gleichgültig sein konnte, wem wir gehörten.

      Die Schlacht, oder vielmehr der Scharmützel war bald im Gange. Die Feinde zerstreuten sich und schossen ihre Pfeile hinter den Bäumen hervor. So ging es einige Zeit, ohne dass auf irgend einer Seite wesentlicher Schaden angerichtet worden wäre, bis uns zuletzt unsere Gegner schärfer auf den Leib rückten. Der Führer unserer Wache hatte den des feindlichen Haufens getödtet, welcher sofort zurückzuweichen begann; aber jetzt tauchte eine neue Abtheilung auf, welche es auf uns Weisse abgesehen hatte. Sie fand bei uns einen entschlossenen Widerstand, und da uns unsere Krieger zu Hülfe kamen, so wurde die Verwirrung bald allgemein. Der Feind konnte nicht verhindern, dass einige Gefangene gemacht wurden; diese waren jedoch meist mit den Vogelpfeilen verwundet, deren Spitzen die Gestalt eines Shatten und beim Ausziehen grosse Schmerzen verursachten. Ich bemerkte, dass das einzige Heilmittel, welches sie in Anwendung brachten, darin bestand, dass sie ein gewisses Kraut gekaut auf die blutende Wunde legten; war jedoch ein Knochen beschädigt, so hielt man die Verletzung für tödtlich.

      Wir wandten uns jetzt wieder ostwärts, um in unser eigenes Gebiet zurückzukehren, während wir die Gefangenen und Verwundeten in einem Dorfe zurückliessen. Nachdem wir Verstärkung an uns gezogen, machten wir einen Umweg, um die feindliche Nachbarschaft zu vermeiden, und setzten unsern Weg fort. Am achten Morgen, als wir eben zum Rasten Halt machen wollten, rief einer der Krieger, der einen Berg vor uns bestiegen hatte, uns zu und winkte mit der Hand. Wir eilten ihm nach und konnten, sobald wir den Gipfel erreicht hatten, im Anblick der britischen Flagge schwelgen, welche jenseits des Flusses auf dem Fort Senegal flatterten. Wir begriffen nun, dass wir auf die eine oder die andere Weise ausgelöst worden waren, und so stellte sich’s denn auch heraus; denn der Gouverneur, welcher in Erfahrung gebracht hatte, dass wir im Lande weiter oben gefangen seien, hatte Leute abgesandt, welche dem alten König für unsere Befreiung ein schönes Geschenk boten. Später erfuhr ich, dass der in Gütern für uns bezahlte Preis ungefähr 56 Schillinge für den Kopf betragen hatte. Der Gouverneur nahm uns wohlwollend auf, liess uns kleiden und sandte uns nach dem Schiff hinunter, das mit voller Ladung in der Rhede lag und am nächsten Tage auszusegeln gedachte. Unsere Kameraden empfingen und bewillkommten uns, wie Menschen, die vom Tode erstanden sind.

      Zwei Tage später stachen wir in die See und langten nach einer glücklichen

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