Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет

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Der Kaperschiffer vor hundert Jahren - Фредерик Марриет

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wie ein Hund, um sich über dem Wasser zu erhalten. Ich begann nun die Last der Leine an mir zu fühlen und fürchtete, dass ich es nicht werde aushalten können. Reue über meine Voreiligkeit bemächtigte sich meiner, und ich gab dem Gedanken Raum, dass ich blos mich selbst geopfert habe, ohne dass eine Möglichkeit vorhanden sei, den Verunglückten zu retten. Gleichwohl kämpfte ich mich eifrig weiter, bis ich den Platz erreicht hatte, wo sich meiner Vermuthung nach der Knabe befinden musste. Als ich umherschaute, ohne ihn zu bemerken, fürchtete ich schon, er müsse versunken sein; beim Steigen der nächsten Welle aber entdeckte ich ihn im Troge, wo er, von der langen Anstrengung fast aufgerieben, aus Leibeskräften kämpfte, um sich über dem Wasser zu erhalten.

      Ich schwamm nach ihm hinunter und rief ihm zu; er war noch bei Besinnung, aber in äusserstem Grade erschöpft. Meiner Aufforderung, mich blos bei der Hand zu halten und ja nicht meinen Leib zu berühren, da sonst wir beide versinken würden, versprach er Gehorsam, weshalb ich ihm meine Rechte hinbot, und dann nach dem Schiffe hin das Signal gab, dass man anholen sollte, denn ich liess mir’s nicht entfernt träumen, dass die Leine durchschnitten war. Indess erschrack ich nicht wenig, als ich bemerkte, dass die Entfernung des Schiffs wenigstens tausend Ellen betrug; ich wusste nämlich, dass die Tieflothleine nur hundert Faden mass, und ich daher trifftig geworden sein musste — eine Wahrnehmung, die auf einmal allen meinen Muth niederschlug. Das Entsetzliche meiner Lage vergegenwärtigte sich mir augenblicklich, und ich fühlte, dass ich verloren war; aber obschon der Tod unvermeidlich schien, begann ich dennoch den Ringkampf um mein Leben, der um so angestrengter wurde, weil mich das Tau jetzt mehr und mehr niederzog. Während meines Vorwärtsschwimmens hatte ich es nachgeschleppt, und fühlte nicht die Hälfte seines Gewichts, obwohl es mich in meinem Wege hemmte; jetzt aber sank es in die Tiefe und zerrte mich mit sich. Auch die Wellen hatte ich, so lang sie vor mir waren und ich sie annähern sah, leicht überwinden können; jetzt aber kamen sie hinter uns her, brachen über unsere Köpfe herein, begruben uns, oder rollten mit solcher Macht, dass wir überkugelten.

      Ich versuchte, mich von der Leine loszumachen, aber vergeblich, weil sich der Knabe an meiner einen Hand festhielt und die Schlinge sich zusammengezogen hatte. Die einzige Ermuthigung in meiner Noth erholte ich aus der Wahrnehmung, dass die Leute an Bord das Boot heraus schafften; denn obgleich der Kapitän es nicht um einer einzigen Person willen hatte gefährden wollen, bestanden doch jetzt die Matrosen auf Aussetzung desselben, weil zwei über Bord waren und Einer davon sein Leben in die Schanze geschlagen hatte, um einen Kameraden zu retten. Dies war für mich eine angstvolle Zeit; endlich aber erfreute ich mich der Gewissheit, dass der Nachen vom Schiffe klar um den Bug herumruderte. Gleichwohl hielt man das Wagniss für so gefährlich, dass sich, als es zur Bemannung des Bootes kam, nur Drei zum hineinsteigen bereit finden liessen, und diese waren in der Verwirrung nur mit zwei Rudern und ohne Steuer abgefahren. Unter so unvortheilhaften Verhältnissen konnten sie natürlich nur sehr langsam gegen die berghohen Wellen ankommen, denn sie mussten mit den Rudern steuern, damit das Fahrzeug nicht versinke. Indess reichte doch der Anblick des Bootes hin, um mich aufrecht zu erhalten. Ich kämpfte mich wahrhaft in ganz unglaublicher Weise ab; aber was thut der Mensch nicht in der Todesangst! Wie es langsam heran kam, nahmen auch allmählig meine Kräfte ab. Ich war nun oft mit dem Knaben unter Wasser, und hob mich wieder zu neuer Anstrengung, bis sich endlich eine Kammwelle über uns brach und uns mehrere Fuss tief untertauchte. Die Gewalt der Woge trieb den Knaben gegen mich hin, und er fasste mich, während mein Kopf niederwärts hing, an den Lenden. Vergeblich gab ich mir alle Mühe, mich loszumachen, und ich hielt mich für verloren — denkt Euch, welch eine Menge von Gedanken und Erinnerungen in jenen wenigen Augenblicken (denn länger konnte es nicht gewährt haben) mein Gehirn durchzuckten! Endlich tauchte ich, da mein Kopf bereits abwärts stand, noch tiefer hinab, obschon ich von dem langen Halten des Athems unter dem Wasser fast erstickte.

      Dieser Kuustgriff übte die gewünschte Wirkung; denn als der Knabe bemerkte, dass ich, statt mich mit ihm zu heben, noch tiefer sank, liess er los, um wieder nach der Oberfläche zu gelangen. Ich drehte mich, folgte ihm, und konnte nun auf’s Neue Athem schöpfen. Noch ein Augenblick würde unser beiderseitiges Schicksal entschieden haben. Ich dachte nicht länger daran, den jungen Menschen zu retten, sondern hob auf das Boot ab, das mir jetzt nahe stand; der Knabe aber, der dies bemerkte, rief mir zu, ich möchte ihn um Gottes Willen nicht verlassen. Da ich mich einigermassen von meiner Erschöpfung erholt hatte, kam mir der Gedanke, ich könnte ihn eben so gut als mich selber retten, und das Mitleid bewog mich, wieder umzukehren. Abermals gab ich ihm meine Hand, ihm auf Leib und Leben einschärfend, dass er meinen Körper nicht zu fassen versuchen solle, und der angestrengte Kampf, sowohl ihn als mich über dem Wasser zu halten, begann auf’s Neue. Meine Kräfte waren beinahe völlig aufgerieben, denn das Boot näherte sich nur langsam, und wir sanken beharrlich unter das Wasser, nur alle paar Sekunden wieder auftauchend, um Athem zu schöpfen. Barmherziger Gott, wie langsam schien das Boot heranzukommen! Ein Ringen um das andere; jedes schwächer, als das frühere — aber dennoch erhielt ich mich im Schwimmen. Endlich verliess mich fast alle Besinnung, und ich schluckte viel Wasser. Es war mir, ich sei in einem grünen Gefild, als ich von den Männern erfasst und in’s Boot geworfen wurde, wo ich leblos neben dem Knaben liegen blieb. Nun aber kam eine neue Gefahr — wie sollte das Boot wieder das Schiff erreichen? Mehr als einmal wurde es durch die nachfolgenden Wellen halb angefüllt, und als es endlich neben dem Westindienfahrer angelegt hatte, handelte sich’s um die Schwierigkeit, uns herauszubringen, denn wenn sich der Nachen der Seite näherte, stand zu befürchten, dass er in Stücke zerschellt werde. Man liess die Takeln von den Nocken nieder. Die drei Matrosen kletterten daran hinauf und überliessen uns unserem Geschick, welches davon abhing, dass das Boot eingebracht oder zertrümmert wurde, in welch letzterem Fall wir verloren gewesen wären. Indess lief die Sache doch günstig ab, und wir gelangten, obschon unter grosser Beschädigung unseres Kahns, an Bord. Ich hatte die Leine noch immer umhangen, und es stellte sich heraus, dass ich die Last von siebenzig Ellen getragen hatte. Die Anstrengung hatte mich dermassen aufgerieben, dass ich viele Tage meine Hängematte hüten musste, während welcher Zeit ich meine Vergangenheit überblickte und mein Leben zu bessern gelobte.

      Wir langten zu Liverpool an, ohne dass uns weiter irgend etwas Denkwürdiges aufgestossen wäre, und ich besuchte unverweilt mit den mir anvertrauten Papieren den Eigenthümer des Schiffs, dem ich alle wünschenswerthe Auskunft ertheilte. Er fragte mich, ob ich wohl wieder auf einen Kaper zurückkehren oder nicht lieber als Mate an Bord eines nach der afrikanischen Küste bestimmten Schiffes eintreten möchte — eine Wahl, bei der ich mich für das Letztere entschied, sobald ich in Erfahrung gebracht hatte, dass das Fahrzeug nach dem Senegal gehen sollte, um gegen englische Kattune und Stahlwaaren Elfenbein, Wachs, Goldstaub und andere Artikel einzutauschen. Ich muss dies bemerken, da ich mich nicht zum Eintritt hätte bewegen lassen, wenn es nach dem Beispiele der meisten Schiffe, welche von Liverpool aus nach jener Küste gingen, sich mit dem Sklavenhandel befasst hätte. Einige Tage später ging ich als Mate an Bord des Dalrymple, unter dem Befehl des Kapitän Jones stehend. Die Fahrt nach dem Senegal ging sehr schnell von Statten, und wir brachten unser Schiff an der Barre vor Anker.

      Fünftes Kapitel.

      Wie wir über die Barre des Senegal setzen, wird das Boot durch einen Tornado umgestürzt. — Wir entrinnen dem Rachen der Hayfische nur, um von den Eingebornen gefangen genommen zu werden. Man bringt uns in’s Innere des Landes und vor den Negerkönig, gegen dessen Zorn uns die Vermittlung seines weiblichen Gefolges schützt.

      Ein paar Tage nach unserer Ankunft kam der Meister eines anderen Schiffes, das in unserer Nähe vor Anker lag, zu uns an Bord, um unser Langboot und einige Matrosen zu borgen, damit er in den Senegal einfahren könne. Unser Kapitän, ein alter Freund des Bittstellers, willfahrte seinem Gesuch, und da die über die Barren setzenden Boote wegen der schweren Brandung leicht Unfällen ausgesetzt sind, so wurden die besten Schwimmer ausgelesen, während man die Obhut über das Fahrzeug mir übertrug. So brachen wir mit fünf Rudern auf, und ich führte das Steuer; aber wie wir uns der Barre näherten, überfiel uns ein Tornado, der schon einige Zeit gedroht hatte. Das Ungestüm der Windstösse findet in keinem andern Theil der Welt seines Gleichen, und da der Orkan auf einmal mit voller Gewalt losbrach, so suchten wir seiner Wuth dadurch zu entgehen, dass

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