Die Lady und der Admiral. Hans Leip

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Die Lady und der Admiral - Hans Leip

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Tyson und seinem Lazzarone nach Hause. Sie aber ging auf die junge, kühl blickende österreichische Bayerin zu, richtete die feuchten, grossen blaugrauen, sieggewohnten Augen auf das süssgepuderte Gesicht und sagte tröstend mit der Stimme, die aus den Tiefen vielen Schicksals dunkel angetönt war: „Lass nur, Mädchen! Diese jungen Möpse wedeln Ihnen alle Tage noch. Aber mir, mir nur noch allzu kurze Zeit.“

      Sie hatte auf dieser Reise oft schwermütige Anwandlungen, wenn es dunkel wurde oder wenn sie jüngere Frauen sah. Und dachte manchmal, sie werde die Geburt nicht überleben.

      Über den Loiblpass.

      Schon im Morgengrauen fuhr man weiter. Drei marmorne Wassermänner auf einem Brunnen sahen den drei Kutschen nach und sprachen untereinander: Habt ihr gemerkt, wie sie uns gegrüsst haben, zwei dürre Herren, einer lang und krank, einer rank und frank und eine dicke, süsse Lady? Sie haben es gespitzt, dass wir ihre guten Schutzgeister sind und sie von den Kamniker-Alpen wieder freundlichst an die See der Admiräle und nach England führen wollen.

      Die Wagen tummelten von bannen aus der fruchtbaren Talweite und kamen über St. Veit, Medro, die Brücke bei Zwischenwasser und über die Sau in knapp vier Stunden nach Krainburg und wieder ins Gebirge. Abgeerntete Felder, volle Harpfen Klee und Buchweizen, der muntere Moschenizebach zur Linken, ansteigendes Gestein, dahinter fern der Obstgarten bei Tristava, angeleinte Ochsen an Berghalden. Wie eine Weihnachtskrippe lag Neumärktl unter der Strassenbiegung in der dunkelgrünen Talschlucht.

      Die Pferde wurden gefüttert und auf acht für jeden Wagen vermehrt. Dann begann die Steigung auf bewundernswert angelegter Strasse im Zickzack hinauf zum Loiblpass, der Grenzscheide zwischen Krain und Kärnten.

      Dort verschnauften die Tiere zwischen zwei kleinen Pyramiden, die nach Meinung der Hamilton zu Ehren des Siegers von Abukir errichtet seien. Nelson nickte ungläubig. Der Wind blies kräftig aus den Schlüften Österreichs und hob einen mächtigen Staub aus der Tiefe und machte die Ahorne und Lärchen und die schönen Blumen im dichten Almgras grau. Es duftete nach Baldrian und Arnika, nach Schlaf und Medizin. Man war müde, und Sir William begann wieder zu fiebern.

      Von dieser windigen Höhe sah man weit zurück, aber von Italien war nichts mehr zu entdecken.

      Die grossartige Passstrasse,

      das freundliche Kärnten.

      Da knallten die Postknechte mit der Peitsche, die Bremsblöcke waren angedreht, das Hündchen bellte, der Papagei schrie: „Avanti!“ Die Meerkatze knickerte. Und hü, holdrio und rumpumpel ging es abwärts zum Gasthof „Deutscher Peter“, wo man nachmittags gegen vier Uhr hielt. Die Postillone und die Pferde stillten ihren Durst und erleichterten sich, welch gutem Beispiel man folgte und auch etwas ass.

      Und weiter ging es, und die Gegend wurde schöner, gewaltig schwangen die Brücken über die Schlünde, Giessbäche erschäumten, liebliche Blicke in Seitentäler eröffneten sich uns zu fernen Berghäuptern. Felsen und Matten wechselten, Hammerwerke, Heide. Rosa blühte der Buchweizen um ein kleines Dorf. Man trank Ziegenmilch. Eine kleine Kapelle, ein munter aufgeputztes Hochzeitspaar mit Hirtenbuben, die auf groben Flöten bliesen ... Flog vorüber, vorüber. Avanti!

      Ein Kunstwerk, diese hohe Passstrasse! Und selbst Sir William, der sie schon kannte, allerdings bei schlechtem Wetter, fand sie grossartiger als die Bochetta von Novi nach Genua, höher als die Apennindurchfahrt bei Tolentino und Moncerata, romantischer als Nordwales und besser als alles in der Schweiz.

      Und die drei Wagen, die tiefrote englische Kutsche und die gelb und schwarzen Thurn- und Taxisschen-Postkaleschen leuchteten schön unter den grauen Bergzacken vor den Almen und durch düster hohe Tannenwälder und vorbei an hübschen Landsitzen, Schlössern, Kapellen und Ruinen, an gelbem und an schwarzem Klee über die lange Brücke der Drau nach Kirschtheuer, wo man auf Fräulein Knights Rat zur Probe Kirschen kaufte, doch sie gar nicht teuer fand.

      Die Dörfer wurden immer freundlicher und mit ihnen die Menschen. Die Stimmung beflügelte sich. Schon sah man in der Ferne Klagenfurt. Ein See wurde uferlängs passiert. Der Konsul erklärte, es sei der Werthersee, nach dem Haupthelden eines vor ein paar Jahren modernen Buches so geheissen. Bonaparte habe es sogar mit nach Ägypten gehabt. In jenem Schloss dort hinten habe die tragische Geschichte gespielt.

      „Weiss ich“, sagte die Hamilton, obwohl sie wenig Ahnung hatte, „der Dichter war mal bei uns in Neapel. Er schenkte es uns. Fräulein Knight hat es wahrscheinlich gelesen. Wir wollen es gleich wieder kaufen.“ Und sie rechnete nach, dass es dreizehn Jahre her sei und erinnerte sich, dass der junge Mann für einen Dichter sehr wohlgepflegt gewesen sei. Aber sie mochte ihn nicht, ihre Wirkung auf ihn hatte sie nicht gross in Erinnerung. Er hatte einen ärgerlich kühlen Blick. Ein Advokatenjunge aus Frankfurt, hatte man ihr gesagt. Klug. Zu klug, um für sehr schöne Frauen in Betracht zu kommen.

      Der Buchhändler in Klagenfurt.

      Der Buchhändler zu Klagenfurt hatte den Werther nicht. Er sei nicht mehr gängig. Und der See heisse richtig Wörther See und habe nichts damit zu tun. Und auch die Bücher Fräulein Knights hatte er nicht, nach denen sie fragte, als sei sie jemand Fremdes.

      Sie hatte eine Geschichte der Römer mit dem Titel Flaminius geschrieben und eine afrikanische Erzählung Dinarbas, und beides war vor ein paar Jahren in deutscher Übersetzung erschienen.

      Der Buchhändler zu Klagenfurt klagte sehr über die schlechte Zeit, da niemand mehr Bücher kaufe. Die vielen Zeitungen und Zeitschriften machten das. Und die Zensur. Selbst seine Leihbibliothek habe man verboten. Und selbst das so gängige, von allen Frauenzimmern geliebte Gebetbuch des Schweizer Hofrats von Eckartshausen. Sie sei Ausländerin. Ihr wolle er ein gerettetes Exemplar verkaufen, wenn sie wolle. Oder eine schöne Geistergeschichte? Das Gespenst in der blutigen Truhe oder das Leichentuch des gehenkten, versenkten und wiedergekehrten Fürsten zu Neapel, Caracciolo?

      Sie wurde blass und nahm das Gebetbuch für teures Geld und dachte daran, dass sie von einem Schweizer Pastoren erzogen sei und ein sanfteres Leben verdient habe als das, was sie hinter sich hatte.

      Die dreigestaltige Fama.

      Auf dem Marktplatz stand die Kaiserin Maria Theresia, ungeheuer gross, und reich und steif gekleidet. Über ihr die Göttin Fama, die, um zu schweben, nicht nackt und schamlos sein konnte wie die wirkliche Fama, sondern ein fliessendes Gewand trug, mit dem sie sich auf den Nacken der Herrscherin stützte oder vielmehr darauf lastete, denn das ganze war aus Blei. Bei einem andern Monumente schwang ein schnurrbärtiger Ritter seine Keule gegen einen sieben Meter langen Lindwurm, der sicher nur eine andre Gestalt der Fama war. Der Ausgang des Kampfes musste ewig ungewiss bleiben. Bei einem dritten Brunnen — man war hier betreffs Denkmäler aufgeklärt genug, indem man sie nützlich zu machen verstand und die Wasserleitung hindurchschickte — da rann ein träges Seberlein zwei hundartigen Löwen aus den gelangweilten Mäulern. Das schien die verkörperte Fama der Unberühmten zu sein, und Fräulein Knight drückte das hofrätliche Gebetbuch ans Herz und bat den Himmel, sie dann noch lieber unberührt sterben zu lassen.

      Friesach.

      Man erreichte Friesach. Blank überm Geissberg stach die Sonne durch eine gewittrige Wolke. Vorm „Deutschen Haus“ waren die Stiftsarmen versammelt und lagen nach den behördlichen Vorschriften für Demutserzeigung bei Erscheinen von Obrigkeiten auf den Knien. Vor der grossen Treppe stand eine Ehren-Eskadron Husaren angetreten und davor salutierend der hübsche, junge Kommandeur Major Graf Starhemberg im weissen Mantel. Militärmusik. Der Bürgermeister sprach,

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