Elfenzeit 6: Zeiterbe. Uschi Zietsch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Elfenzeit 6: Zeiterbe - Uschi Zietsch страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Elfenzeit 6: Zeiterbe - Uschi Zietsch Elfenzeit

Скачать книгу

und Geschichten Brocéliande nannte. Es wurde Zeit, sich von Philippe zu verabschieden. Wie, das sollte Rians Sorge sein.

      »Du hast ja meine Nummer«, sagte Philippe nach einigem Hin und Her, während sie im Regen standen und langsam aufweichten. »Eine kurze Textnachricht genügt und ich hole dich ab.« Er blickte zu David und verzog entschuldigend das Gesicht. »Euch, meine ich natürlich. Ihr seid beide willkommen.«

      »Das ist so lieb von dir, Phil. Wirklich«, antwortete Rian, küsste ihn mit spitzen Lippen auf die Wange und trat dann an Davids Seite. »Fahr vorsichtig, ja? Die Straßen können rutschig sein bei so einem Wetter.«

      Philippe nickte mit seligem Lächeln. Noch einmal zögerte er, schien mit sich selbst zu ringen. Dann stieg er ein, wendete die Limousine und brauste so zackig davon, dass links und rechts die Wasserfontänen spritzten.

      »Gut gemacht, Schwesterherz«, sagte David und grinste.

      »Er war wirklich nett«, erwiderte sie, während sie sich in einer nutzlosen Geste die Hand über den Kopf hielt und lachte. »Wir sollten schauen, dass wir schleunigst ein Zimmer und danach etwas Ordentliches zu essen bekommen.«

      In dem Moment krachte es. Ein Donnerschlag, so laut, dass sich die Zwillinge unwillkürlich duckten. Ein Blitz zuckte zwischen den Wolken hervor und erleuchtete den gesamten Himmel. Und nicht nur ihn.

      Kurz bevor es wieder dunkel wurde, glaubte David etwas am Rand des angrenzenden Waldes vorbeihuschen zu sehen. Ein Tier vielleicht. Doch es war auf eine unwirkliche und doch seltsam vollkommene Art schneeweiß und dabei gleichzeitig geradezu ätherisch durchscheinend.

      2.

       Den Feind im Nacken

      London – Freitag, 26. April 1715

      Wir werden dich jagen, Weltvernichter!

       Wir werden dich stellen!

       Wir werden dich zur Strecke bringen.

       Dein Blut und Wasser werden die Opferschale füllen,

       um den Zorn Gottes zu zügeln,

       solltest du weiterhin dem Teufel mit Zahl und Schieber huldigen.

      Edmond Halley schluckte schwer und ließ die Hand sinken. Der Brief glitt ihm aus den zitternden Fingern und segelte zu Boden. Die Zeilen waren in großen, schwungvoll gezogenen Linien auf das Papier gesetzt. Ein geradezu kunstvolles Schriftbild. Der Inhalt dagegen zeugte von einer kleingeistigen Seele, von purem Hass, Rückwärtsgewandtheit und Aberglaube. Eine höchst gefährliche Mischung.

      Als Wissenschaftler und logisch veranlagter Mensch hatte Edmond mit der Veröffentlichung seiner Arbeit in gewissem Maße Unglaube und auch Widerstände in der weniger gebildeten Bevölkerung erwartet. Aber eine Bedrohung seines Lebens erschien ihm in jeder Hinsicht maßlos übertrieben.

      Dummheit war zu verzeihen. Ignoranz war selbst in den Adelsschichten zu finden und dabei teilweise als kapriziöse Marotte gepflegt. Fanatismus hingegen war die Brutstätte von Gewalt und Anarchie. Etwas, vor dem Edmond nicht beabsichtigte, sich zu beugen.

      Was hatte er so Schlimmes verbrochen? Er hatte seiner kindlichen Leidenschaft nachgegeben und auch als gereifter Mann weiterhin hinauf in die Sterne geblickt. Nur dass er heute keine Geschichten hinter den Sternenbildern mehr suchte, sondern die Zahlen und Formeln der Flugbahnen und Anziehungskräfte, die den Kosmos zusammenhielten.

      Weil er vorausberechnen konnte, wann und wo der Mond sich zwischen Sonne und Erde schieben und zu welchem Datum dies selbst bei Tage passieren würde, war er deswegen doch nicht der Verursacher einer Sonnenfinsternis. Sie würde kommen. So oder so.

      Doch speziell die strengeren Ableger des Christentums wollten davon nichts hören. Sie sahen immer noch in jedweder Wissenschaft den Teufel sprechen. Auch dieser Drohbrief stammte eindeutig von den Christi Sanguis et Aqua, den Anhängern von Blut und Wasser Christi. Das ließ sich unschwer aus den gewählten Worten herauslesen, auch wenn sie zu feige gewesen waren, ihre Signatur unter die Zeilen zu setzen.

      Die Standuhr in dem kleinen Arbeitszimmer schlug zur halben Stunde. Es wurde Zeit, sich auf den Weg zu machen. Es war eine große Ehre, vor den versammelten Mitgliedern der Royal Society sprechen zu dürfen. Und Edmond würde sich nicht von irgendwelchen Sektierern davon abhalten lassen. Nicht durch solch einen Akt, der Angst schüren und den Geist verzagen lassen sollte.

      Als Wissenschaftler hatte er die Aufgabe, über die bekannten Grenzen hinaus zu blicken. Für ihn bedeutete das, auch das eigene Weltbild immer wieder herauszufordern. Sich mutig gegen das vermeintlich gefestigte Weltbild zu stellen. Nicht mit emotional überladenem Pathos, sondern mit Fakten und Beweisen im Gepäck.

      Entschlossen rückte er seine Perücke zurecht, stand auf, stieg über den Drohbrief hinweg zu seinem Dokumentenschrank und zog die vorbereitete Kladde aus dem Regal. Dann warf er sich seinen besten Umhang über, den er für solcherlei Gelegenheiten und höhergestellte gesellschaftliche Auftritte hatte schneidern lassen. Gefertigt aus feinem Samtstoff, der in seiner Form einer Robe nahekam und andererseits schlicht genug gehalten war, um nicht protzig zu wirken. Denn unnötiger Prunk lenkte von dem eigentlichen Thema seiner Arbeit ab.

      Heute war es die Berechnung der magnetischen Deklination und die damit einhergehende Lösung des Längenproblems in der Nautik. Die Ergebnisse würden die Routen in der Seefahrt präziser berechenbar machen und damit sowohl Risiko, als auch Reisezeit und Proviant einsparen. Und das alles mit Hilfe der Sterne.

      Edmond Halley stand bereits im Türrahmen, als er noch einmal über die Schulter blickte und das Papier auf dem Boden neben seinem Schreibtisch fixierte. Für die Wissenschaft, dachte er. Gegen Tyrannei und Aberglaube. Schreite mutig voran, Edmond. Die Welt braucht dich und deinen klugen Kopf. Egal, wie schwer dir dieses Blatt Papier auch im Magen liegen mag.

      Ein Zwiegespräch mit sich selbst, wie er es häufig tat, wenn er für längere Zeit nicht bei Frau und Kindern weilte. Die Zweitwohnung in London war eine kostspielige Sache und doch unabdingbar für ihn, um die nötige Ruhe für seine Arbeit zu finden.

      Mary war eine gute Frau. Sie hatte ihm einen Sohn und zwei Töchter geschenkt. Brave strebsame Geister, die keinen Grund zur Klage gaben. Doch sie konnten nicht ändern, dass ein Teil davon nur Fassade war. Denn Herzen ließen sich nichts von Logik oder gesellschaftlichen Normen vorschreiben. Sie liebten, wen sie liebten. In Edmonds Fall war das vornehmlich die Wissenschaft.

      Über London hing, wie an fast jedem Tag, der gewohnte graue Dunstschleier. Ein Geschenk der Themse an die Bewohner, wie es so schön hieß. Dazu strahlte der Himmel diese drückende Sommerhitze ab, von der man Kopfschmerzen bekam. Durch die Straßen wehte ein staubig-stickiger Wind und zerrte an Edmonds Umhang.

      Kurz überlegte er, sich eine Kutsche zu nehmen. Doch der Blick in die Geldbörse belehrte ihn, sich besser auf seine Füße zu besinnen.

      Das Gebäude der Royal Society war fünf Straßen entfernt. Deutlich kürzer, als er sonst zur Universität unterwegs war. Zusätzlich würde er die Abkürzung durch den St. James’ Park nehmen. Ein wenig Sauerstoff mochte helfen, das Dröhnen hinter den Schläfen verstummen zu lassen.

      Zu dieser Jahreszeit flanierten die Menschen dort, um sich zu zeigen, unverfänglich Bekanntschaften zu knüpfen und aus der Ferne zu flirten, wie es die Vögel in den Bäumen, die Fische in den Seen und die Katzen in den Sträuchern taten. Ein Kreisen umeinander, durch Anziehung und Abstoßung choreografiert, das sich selbst im komplizierten Reigen von Sternen

Скачать книгу