Elfenzeit 6: Zeiterbe. Uschi Zietsch
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Читать онлайн книгу Elfenzeit 6: Zeiterbe - Uschi Zietsch страница 7
Edmond verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. »Dann wäre ich wohl die Hexe.«
Isaac wiegte den Kopf hin und her, während er ihn mit Blicken maß. »Ein spitzer Hut würde dir gewiss stehen. Aber auf die Warze könntest du gut verzichten.«
»Wie steht es mit einem Besen? Sollte ich mir einen anschaffen?«, führte Edmond ihr Spielchen fort.
Sein Freund schmunzelte schief. »Wenn du mich auch mal auf ihm reiten lässt.«
»Isaac!«
Sie lachten.
»Im Ernst, Edmond. Komm einfach mit nach Frankreich. Das Haus ist groß genug für zwei brillante, egozentrische Wissenschaftler«, wiederholte Isaac sein Angebot.
Doch Edmond schüttelte den Kopf. »Das Zentrum der Sonnenfinsternis ist hier. Hier in Britannien. London ist der beste Ort, um sie zu erleben. In Frankreich mag es dunkel werden. Aber es wird nicht das gleiche Erlebnis sein. In gewisser Weise ist die Sonnenfinsternis so etwas wie mein viertes Kind. Das ich ganz allein auf die Welt bringen werde, weil ich es vorausberechnet habe.«
»Als Erster überhaupt«, fügte Isaac hinzu und nickte abermals.
Edmond fühlte einen Kloß im Hals. »Wann wirst du abreisen?«
»Morgen früh legt das Schiff ab. Ich sollte also wohl langsam meine Koffer packen.«
Stille.
Isaac schwenkte sein leeres Glas. »Es wird nicht für ewig sein, Ed. Das weißt du.«
»Natürlich. Ich verstehe, dass du ein wenig Ruhe vor deinen wissensdurstigen Studenten brauchst. Ein bisschen Erholung, um die Gedanken neu auszurichten.« Edmond lächelte bemüht.
Dennoch würde er ihn vermissen. Seine bloße Anwesenheit. Seine strahlenden Augen und seine klugen Gedanken. Und die Sicherheit, die er ihm gab. Besonders jetzt, da man ihn offen bedroht hatte. Doch er würde seinem Freund nichts von dem Brief erzählen, ihn nicht damit erpressen, um ihn hierzubehalten. Er würde die wenigen Tage bis zur Sonnenfinsternis allein durchstehen. Verbarrikadiert in seinem Arbeitsdomizil. Fern von seiner Familie, um auch sie zu schützen.
Wenn der Mond sich schließlich vor die Sonne schieben und nach wenigen Minuten das Tageslicht zurückkehren würde, würde sich die Sache von selbst erledigen. Ohne den Aufstieg eines Teufels oder sonst einer Hölle würden sich die Fanatiker mit ihren Weltuntergangsprophezeiungen selbst aus dem Rennen nehmen.
Der Alltag würde schneller zurück sein, als er es sich jetzt vorstellen mochte. Spätestens dann, wenn auch sein Freund von seinen Ferien zurück sein würde.
Isaac breitete die Arme aus, drückte ihn kurz und klopfte ihm dann übertrieben mit der einen Hand auf den Rücken. Doch mit der anderen suchte er Edmonds Finger und strich in einer flüchtigen Geste zärtlich über sie hinweg.
»Schreib mir, damit ich weiß, dass du gut angekommen bist«, raunte Edmond leise, weil seine Lippen zitterten.
»Und du mir, wenn die Horde dein Haus umstellt hat«, antwortete Isaac und drückte ihn ein letztes Mal, bevor sie sich voneinander lösten, sich strafften und voneinander abwandten. Isaac, um seine Sachen zu packen und Edmond, um den Schein zu waren.
Es wurde bereits dunkel, als Edmond das Haus der Royal Society schließlich verließ. Der Kopfschmerz vom Mittag hatte sich durch zu viel Scotch und lange Reden in ein wattiges Benommenheitsgefühl gewandelt.
London lag immer noch in dichten Dunst gehüllt. Das Atmen fiel ihm schwer. Die Laternen, die eine nach der anderen angezündet wurden, verstreuten ihr diffuses, milchig gelbes Licht über Straße und Bordstein und spiegelten sich in den verwinkelten Fenstern der Häuser.
Das Leben hatte sich an diesem trüben Freitag bereits nach drinnen verlagert. Familien saßen am Abendbrottisch, die Schwerenöter in den Bars und Bordellen und die Halunken und Bettler irgendwo in den Gebäudeeingängen und Abwasserkanälen.
Edmond erwog abermals, für den Rückweg eine Kutsche zu nehmen. Doch als er nach einer Ausschau hielt, war weit und breit keine in Sicht. Also marschierte er müde und ausgelaugt den Weg zu Fuß zurück zu seiner Wohnung.
Mistress Delainy, die Vermieterin seines Arbeitsdomizils, schien einmal mehr in ihrem Sessel am Kamin zu sitzen und zu stricken. Ihre Silhouette zeichnete sich trotz des dünnen Vorhangs dunkel vor der Lampe ab. Die restlichen Fenster waren dunkel.
Als Edmond seinen Schlüssel aus der Hosentasche fischte, erklang ein Poltern. Eine Ratte huschte den Bordstein entlang. Nur eine Ratte, dachte er erleichtert. Dann hörte er die Schritte. Schritte von mehreren Personen, die schneller wurden.
Instinktiv drehte Edmond sich um und zuckte zurück, als ein Holzknüppel knapp an seinem Kopf vorbei schwang.
»Verdammt!« Er keuchte vor Schreck auf, wankte einige Meter rückwärts, drückte die Tasche fest an den Körper und riss den freien Arm in die Höhe, um einen möglichen zweiten Schlag abzuwehren.
Stattdessen erwischte ihn ein tief angesetzter Fausthieb in den Magen, bevor er den Angreifer überhaupt kommen sah. Schwarz gekleidete Gestalten. Zwei, vielleicht drei. Ihre Mäntel blähten sich, während sie herumwirbelten, um zu einer neuen Attacke anzusetzen.
Edmond stieg der beißende Geruch von Ruß und Schmieröl in die Nase. Sie hatten sich getarnt. Deshalb erkannte er keine Gesichter. Das hier waren keine Trunkenbolde, die auf Streit aus waren. Dies war ein Angriff mit Vorsatz. Ein geplanter Überfall, der ihm galt. Ihm ganz allein.
Edmond fühlte pure Panik. Er war kein Kämpfer. Kein Soldat. War er nie gewesen. Seine Welt bestand aus Zahlen und Papier. Mühsam richtete er sich auf. Die Tasche hatte er nach dem Magenschwinger fallen gelassen. Seine Unterlagen. Er wollte danach greifen, sein Werk und sich selbst in Sicherheit bringen. Der Hauseingang war nur noch wenige Meter entfernt. Doch ein weiterer Schlag mit dem Prügel ließ ihn kopfüber zu Boden stürzen.
Abermals erklangen Schritte. Dann zerriss ein Schuss den nächtlichen Dunstschleier.
3.
La Porte des Secrets
Paimpont
David warf sich in seiner Unterwäsche auf das Hotelbett, drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Noch etwas länger und wir wären bei diesem Regenguss im Stehen ertrunken.«
»Gern geschehen«, gab Rian schnippisch zurück, während sie seine und ihre Sachen in dem kleinen Badezimmer verteilte, um sie trocknen zu lassen.
»Ernsthaft. Noch eine halbe Stunde länger, und mir wären die Ohren geschmolzen bei so viel Süßholzraspelei. Er wäre die perfekte Besetzung für eine dieser Soap-Operas im Fernsehen.« David bewegte die Augenbrauen mehrmals hoch und runter.
»Du meinst solche, die du dir mit mir zusammen so gern anschaust?«, konterte seine Schwester.
»Nur, um etwas von deinem ewig währenden Süßigkeitenvorrat abzubekommen«, erwiderte er schmunzelnd und schleuderte Rian ein Kissen in den Rücken.
»Hey!