Elfenzeit 6: Zeiterbe. Uschi Zietsch

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Elfenzeit 6: Zeiterbe - Uschi Zietsch Elfenzeit

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Stimme rufen.

      Herold Windsworth, ein weiteres Mitglied der Royal Society und Mathematik-Professor, der nicht mehr lehrte. Dennoch verpasste er kaum eine Sitzung der wissenschaftlichen Vereinigung, um seine persönlich gefärbte Sicht auf die Dinge kundzutun.

      »Mitnichten!«, erwiderte Edmond. »Denn auf meiner Uhr wird es exakt dann zur vollen Stunde schlagen, wenn ich die Tür des Sitzungssaals öffne.«

      »Ihre Zuversicht hätte ich in jüngeren Jahren gebraucht«, erwiderte der Professor und schloss mit zügigen Schritten zu ihm auf.

      »Es ist weniger die Zuversicht, als die gewählte Perspektive, die es mir unmöglich machen wird, zu versagen«, scherzte Edmond.

      So eine Plauderei half, den nagenden Schatten auf seiner Seele zu verdrängen. Doch auch auf seinem Weg gab es die erhobenen Zeigefinger, die Anklagen und Leugnungen, die ihm entgegenschrien.

      »Wird uns der Mond auf den Kopf fallen und in ewige Nacht stürzen? Lesen Sie!«, rief ein Zeitungsjunge und hielt ihnen einen gedruckten Zettel hin.

      Edmond spannte die Kiefer an. »Scharlatane«, zischte er und marschierte ungebremst weiter.

      »Sie scheinen mir dieser Tage fast so oft in aller Munde zu sein wie das Königshaus und die Querelen zwischen Georg I. und den Jakobiten«, sagte Herold Windsworth ein wenig spöttelnd. »Halten Sie es immer noch für eine gute Idee, Ihre Theorien so öffentlich zu verbreiten?«

      »Es sind keine Theorien. Es sind Fakten. Das sollten Sie als Mathematik-Gelehrter doch am besten wissen. Und was sonst sollte ich damit anfangen? Ich forsche nicht für die Schublade. Ich arbeite im Dienst der Menschheit.«

      »Und es ist ein Segen, dass wir solch emsige Wissenschaftler in unseren Reihen haben«, lenkte der Professor beschwichtigend ein und zwirbelte eine seiner Perückenlocken. »In diesem Fall scheint mir allerdings die Frage erlaubt, ob die Menschheit dieses Wissen wirklich haben möchte.« Er deutete unmissverständlich auf Männer, die Papiere verteilten, auf denen in großen Lettern zu lesen war: »Tod all jenen, die den Teufel in Reagenzgläsern züchten«, oder: »Wenn der Teufel die Sonne verdunkelt, werden die Toten aus ihren Gräbern steigen.«

      »Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Was heute neu ist, wird morgen normal sein«, antwortete Edmond Halley so ruhig es ihm möglich war. Doch die Angst hatte sich an ihm festgekrallt und kletterte langsam aber sicher seine Eingeweide hinauf und machte ihm den Magen flau.

      Starrten ihn die Menschen an, an denen er vorüberging? Verfolgten sie ihn mit ihren Blicken? Flüche murmelnd und Schimpfworte hinter ihm ausspuckend?

      Der Peitschenknall eines Kutschers ließ Edmond zusammenfahren und sich ducken. Der Professor blieb neben ihm stehen und sah ihn nun geradezu mitleidig an. »Sie hätten sich ein anderes Fachgebiet wählen sollen, mein Freund.«

      Ich bin nicht Ihr Freund, wollte Edmond erwidern. Doch das geziemte sich nicht einem älteren Gentleman gegenüber. Und dazu noch einem so renommierten. Stattdessen biss er die Zähne zusammen und zuckte grimmig mit den Schultern. Er würde sich seine Worte für den Vortrag aufsparen. Wenn Leute vor ihm saßen, die sein Streben zu schätzen wussten.

      Als sie das Eingangsportal des ehrwürdigen Baus erreichten, hielt Edmond inne, um sich zu sammeln. Er atmete einmal tief durch, klopfte sich den Staub von den Kleidern, rieb sich die Schuhe an den Hosenbeinen blank und straffte sich, bevor er dem Professor den Treppenaufgang hinauf und durch die Pforte folgte.

      Wie kalkuliert, war er exakt zur anberaumten Zeit an Ort und Stelle. Die ehrwürdigen Herren hatten ihre Zigarren bereits beiseitegelegt und die Pfeifen ausgeklopft. Auch Herold Windsworth gesellte sich zu der Gruppe der Zuhörerschaft. Dutzende Augenpaare blickten Edmond erwartungsvoll hinter dem Rednerpult entgegen.

      Die Begrüßung und Vorstellung durch den Principal – dem Vorstand der Fellow-Mitglieder – war knapp und ein wenig hölzern, wie Edmond fand. Doch er war es gewohnt. Sein Leben taugte nicht für amüsante Anekdoten. Die Ehrenabzeichen und Preise, die er bisher erhalten hatte, waren mittelmäßig dotiert gewesen. Gerade so, dass er über die Runden kam, ohne sich gänzlich in die Hände eines Mäzens begeben zu müssen.

      »Die Seefahrt ist unser verlängerter Arm«, begann er seinen Vortrag. Gefolgt von einigen Ausführungen über die Historie der nautischen Karten und Routenberechnungen. Er zeigte die Stolpersteine und Herausforderungen dabei auf, um anschließend seine so überaus elegante Lösung zu präsentieren, die er aus den Himmelsplaneten abgelesen hatte.

      »Wie kann man sich sicher sein, dass die Planeten den Bahnen folgen, die Sie glauben, berechnen zu können?«, fragte Paul Gutman. Er gehörte zu den Honorary Fellow of the Royal Society – Ehrenmitglieder, die sich um die Wissenschaft verdient gemacht hatten, ohne die formalen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft zu erfüllen. Ein konservativer Wissenschaftler und Skeptiker gleichermaßen. Im Grunde eine gesunde Mischung, wenn man Dingen auf den Grund gehen wollte. Allerdings schien diese Gabe im Alter zu einer Art nörgelnder Besserwisserei zu verkommen. So schien es zumindest Edmond, wenn er die graue Ehrenbrigade, wie er sie gern nannte, betrachtete.

      »Indem man sie beobachtet und versteht«, antwortete Edmond knapp und vielleicht ein wenig zu forsch, um eine Diskussion darüber gar nicht erst aufkommen zu lassen.

      Während er auf einige weitere Fragen einging, bemerkte er aus dem Augenwinkel, dass eine weitere Person unauffällig in den Raum trat und in der hintersten Reihe Platz nahm. Verdeckt von der ausladenden Perücke eines ihm vage bekannten Chemikers, lugte nur eine Hälfte seiner Silhouette hervor. Doch Edmond hätte ihn wohl allein an seinem Schatten erkannt: Den amtierenden Präsidenten der Gelehrtengesellschaft – Sir Isaac Newton!

      Still und unbewegt saß er da und hörte sich die Diskussion bis zum Ende an. Erst als die Herren sich im Salon zusammenfanden, um bei einem Glas Scotch über das Gehörte zu lamentieren, trafen sich ihre Blicke aus der Ferne.

      Edmond neigte angedeutet den Kopf und prostete dem berühmtesten Kopf unter den Wissenschaftlern zu. Isaac erwiderte die Geste, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Sein Blick strahlte etwas Schalkhaftes aus. Ein Mann, der sich im Inneren sein jugendliches Ich bewahrt hatte. Sorgsam weggesperrt für die vorüberziehenden Leute. Sichtbar nur für jene, die das Vergnügen hatten, ihn Freund nennen zu dürfen.

      Es dauerte eine weitere Stunde, bis beide den obersten Herren, Professoren und Doktoren genügend ihrer Zeit geschenkt hatten, und sich endlich auf einen spätnachmittäglichen Kaffee gegenüberstanden.

      »Du siehst aus, als hättest du dich durch einen Sturm bis in den Saal vorkämpfen müssen«, sagte Isaac zur Begrüßung.

      »Das müssen die Flüche und Verwünschungen sein, die mir durch die Haare gefahren sind«, gab Edmond mit leicht erhobenen Mundwinkeln zurück.

      Sie hatten sich ein wenig abseits gestellt und sprachen in gedämpftem Ton. Die Köpfe dicht beieinander, um das lauter werdende Schnattern der anderen auszublenden.

      »Entschuldige, dass ich zu spät kam. Aber die Studenten wollten mich nicht gehen lassen«, sagte Isaac und seufzte bedauernd. »War es so schlimm, wie ich an dir abzulesen glaube?«

      »War es nicht«, entgegnete Edmond. »Nicht hier und heute.«

      »Was ist es dann, das dir den Kummer ins Gesicht zeichnet? Meine Reise? Ich habe dir angeboten, dich mitzunehmen. Diese Einladung gilt noch immer.«

      Edmond zögerte. Er wollte seinen Freund

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