Die Auslöschung jüdischen Lebens in Kirchberg/Hunsrück in der Zeit des Nationalsozialismus. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Auslöschung jüdischen Lebens in Kirchberg/Hunsrück in der Zeit des Nationalsozialismus - Группа авторов страница 8

Die Auslöschung jüdischen Lebens in Kirchberg/Hunsrück in der Zeit des Nationalsozialismus - Группа авторов Schriftenreihe zur Geschichte der Stadt Kirchberg

Скачать книгу

Schlusspunkt, sondern ein Ausgangspunkt – für eine lebendige Erinnerungskultur. Denn wie wir alles wissen, das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung. Ich danke Ihnen!

      Gunter Demnig verlegt Stolpersteine vor dem Haus Marktplatz 8 in Kirchberg.

       Fotos von Jens Peter Clausen

      Seit vielen Jahren nehmen Schülerinnen und Schüler der KGS Kirchberg an einer vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler jährlich organisierten Studienfahrt nach Krakau und Auschwitz teil. Im Jahre 2018 stieg die Teilnehmerzahl auf über 60. Sie können in Auschwitz sehen, unter welchen Umständen auch Kirchberger Bürger leben oder sterben mussten. Im Krakauer ehemals jüdischen Viertel Kazimierz erleben sie zudem wohin Ausgrenzung, Hass und nazistisches Gedankengut führen.

      1. Das Eingangstor von Auschwitz-Birkenau – ein Symbol für Unmenschlichkeit. 2. Rundgang mit Janusz Wlusiak über das ehemalige Vernichtungslager. 3. Die Schuhe gehörten Menschen. 4. See, in den die Asche von Ermordeten geschüttet wurde. 5. Namenslisten aller in Auschwitz Ermordeten; 2017 fand eine Kirchberger Schülerin die Namen von Verwandten. 6. Krakau, Kazimierz: Grab des Krakauer Rabbiners Moses Isserles („Remuh“, 16. Jh.).

      Kilian Schuch und Marie Koop

       An was erinnern Sie sich konkret aus Ihrer Kindheit in Kirchberg, z.B. Spielkameraden?

       Kilian Schuch und Marie Koop beim Interview mit Harry Raymon

      Ich erinnere mich daran, dass ich hier in die Schule gegangen bin. Ob ich mich wirklich daran erinnere oder ob es ein Foto ist, das ich zu Hause habe, ob das die Erinnerung ist, kann ich Dir nicht genau sagen.

      Ich erinnere mich allerdings an den Tag, an dem wir im Schulsystem alle aufstehen und zur Begrüßung „Heil Hitler“ sagen mussten. Dass dies vorbereitet wurde, hatte meine Mama erfahren und hatte ein Agreement mit dem Lehrer Willms gemacht, dass ich nicht aufstehen und die Hand heben musste. Das bedeutete, dass die ganze Klasser aufstand und ich blieb sitzen. Das war eben unangenehm. Also, meine Erinnerungen an Kirchberg sind nicht unbedingt die besten.

       Können Sie sich an Ihre Flucht in die USA erinnern?

      Flucht ist vielleicht in unserem Fall der falsche Begriff. Unter Flucht stellt man sich vor, dass man irgendwie vor Leuten wegläuft, die einen verfolgen. Bei uns zog sich das in die Länge. So richtig habe ich das wahrscheinlich gar nicht mitgekriegt, ich war neun Jahre alt. In Deutschland ist es auch üblich, dass die Eltern einem auch nicht die ganze Wahrheit sagen oder überhaupt die ganze Situation erklären. Die Idee „Amerika“ kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wenn man sich das damals vorstellte, dann muss man daran denken, dass die meisten Kirchberger nicht weiter raus kamen als bis Denzen. Das war ein Abenteuer. Und es kam auf die Stimmung der Eltern an, wie man dann selber gestimmt war. Welche Erinnerung hat man denn als Kind überhaupt? Wisst Ihr noch, wie Euer erster Schultag war und solche Dinge? [Unverständliche Antwort der Interviewerin]… Also, ich bin 91, O.K.?

       Wie war es in den USA? Was haben Sie dort gemacht?

      Zuerst musste man die Sprache lernen. Ich bin vom ersten Tag an in die Schule gegangen und hab´ kein Wort verstanden. Allerdings war ich ganz gut im Rechnen. Meine Mitschüler waren eine ganze Zeit hinter dem, was ich schon in der Schule gelernt hatte, was Rechnen anging. Durch Verwandte lebten wir in einer sehr guten Gegend in New York, in Brooklyn. Die Schule ging immer bis drei Uhr mittags. Für mich war das Dollste überhaupt in Amerika, dass ich ins Kino gehen durfte. Und zwar am Samstag, wo ein Doppel-Feature gezeigt wurde, für 10 Cent. Und diese 10 Cent sparte ich mir, um ins Kino gehen zu können. Und da sind mir heute noch eine ganze Reihe von Filmen geläufig.

      In Stuttgart gründete Harry Heymann (Raymon) 1951 das Pantomimentheater „Die Gaukler“.

       Warum sind Sie wieder zurück nach Deutschland gekommen?

      Unfreiwillig! Nachdem ich die Möglichkeit hatte, eine Ausbildung in New York als Schauspieler zu haben - zwei Jahre dauerte die Ausbildung - wäre dann die nächste Etappe gewesen, dass man sich vorstellen, vorsprechen musste. Ich hatte aber durch Zufall einen französischen Film gesehen, der hieß und heißt „Kinder des Olymp“. Ein Film, der im Moment – wie mir scheint, vergessen ist – und da geht es um Pantomime. Die Hauptrolle spielt ein Schauspieler, als Pantomime, das heißt Schauspielen ohne Sprache, den es wirklich gegeben hat. Mich hat diese Kunst der Pantomime so begeistert, dass ich von meinem Geld, das ich übrig hatte aus der amerikanischen Armee, sofort ein Schiff gebucht habe nach Frankreich.

      Ich hab´ zuerst Französisch gelernt – es gab eine Zeit, in der ich fließend Französisch sprechen konnte. Es gab aber keine Schule für Pantomime, es gab nur ein Theater und es gab einen sehr prominenten Pantomimen, Marcel Marceau – der wird Euch kein Begriff sein. Der hatte eine eigene Gruppe und ich trainierte. Ich hab´ dann mit 20 Jahren erfahren, dass es so was gibt wie Tanz und Ballett. Das hat mich auch begeistert, seitdem trainiere ich das noch. Wenn ich gefragt werde, warum ich mich nicht wie ein 91-Jähriger bewege, dann hat das bestimmt etwas damit zu tun.

      Auf jeden Fall – ich verletzte mich. Aber die Absicht, nach Amerika zurück zu gehen, hatte ich nicht. Ich hätte mich in New York bewerben müssen, auch das hätte bedeutet: tanzen können, singen können, sprechen können. Und da das mit der Bewegung Schwierigkeiten machte, wegen meiner Verletzung, sollte ich meine Stimme entwickeln. So entschloss ich mich, meine Stimme weiter ausbilden zu lassen, gesanglich. Zur eigenen Überraschung, gab es die Musikhochschule, die mich akzeptiert hätte, nicht in Rom, Paris oder New York, sondern in Stuttgart! Und so kam ich nach Deutschland. Der Zufall ergab, dass ich da eine eigene Pantomimengruppe gründete. Und seitdem bin ich hier. – Das war übrigens 1951.

       Wie war es denn für Sie, wieder nach Deutschland zu kommen?

      Ja, nach Deutschland zurück zu kommen, bedeutete ja damals für mich zuerst nicht, dass ich hierbleiben würde. Ich hab´ ja bei der Lesung erzählt, dass man in der damaligen Zeit überhaupt vergessen hatte, wie ein deutscher Jude aussieht. Das war für mich eine Ausrede. Mein Aussehen war so, dass ich dann später in Filmen immer Ausländer gespielt habe, womöglich einen Araber oder so etwas, und mit diesem Aussehen konnte man überhaupt nichts anfangen als ich zurück kam in das kaputte Deutschland, und besonders in das noch provinziellere Stuttgart. Wenn ich diese Pantomimengruppe damals nicht gegründet und auch erhalten hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht in Deutschland geblieben.

       Warum sind Sie Schauspieler geworden?

      (Harry Raymon lacht) Warum wird man Schauspieler? Das kann man nicht alles erzählen. Ich würde sagen, es gibt zwei Sorten von Schauspielern: Solche, die sich verwirklichen wollen, andere, und ich glaube dazu gehöre ich, die sich verwandeln, also quasi mit einer Maske arbeiten wollen. Das hab´ ich ja dann auch öfters in der Pantomimengruppe getan. Da schminkt man sich weiß, als Maske. Ansonsten war das einfach ein Begehren meinerseits. Ich glaube, da gibt es keine weiteren Erklärungen, warum man gerade Schauspieler

Скачать книгу