Herzstücke Hamburg. Christine Lendt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Herzstücke Hamburg - Christine Lendt страница 5
Wenn die Elbe mal wieder höhere Wellen schlägt und über die Ufer rollt, bringt sie Geschenke mit. Hölzer, Äste und Planken, fein geschliffen vom Wasser. Jedes Stück ist für sich ein Unikat. Danach hält Francisca Schmidt Ausschau bei ihren Spaziergängen an den Stränden von Blankenese oder Falkenstein, und bei jedem Fund fragt sie sich: Wo dieses Holz schon überall gewesen sein mag? Wo wächst der Baum, dessen Stück hier vor mir liegt? »Manches Stück Treibholz erzählt uns so viel, dass es so, wie es an den Strand gespült wurde, schon ein vollendetes Kunstwerk darstellt. Dann mache ich aus den Stücken gern Skulpturen«, sagt die gelernte Segelmacherin. Ihre Werkstatt im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel führte sie einer neuen Bestimmung zu. In einem kleinen Hofladen mitten im Blankeneser Treppenviertel und im Onlineshop verkauft sie ihre Kunstwerke.
Elbegut · Sa & So 11–17 Uhr oder nach tel. Vereinbarung: 0172/216 50 98 Hans-Lange-Straße 7 · 22587 Hamburg · www.elbegut.de
06
DAS FRANZBRÖTCHEN – NUR IN HAMBURG
Kaum ein Produkt entzieht sich so sehr der Globalisierung wie ein einfaches Gebäckstück aus Hamburg: Das Plunderstückchen, gefaltet in unverwechselbarer Schmetterlingsform mit angeblich aphrodisierendem Zimtgeschmack, birgt ein Geheimnis.
Mit letzter Sicherheit weiß bis heute niemand, wer als Erfinder des Franzbrötchens gelten kann. Jahrelang recherchierte der Publizist Manfred Beseler, Herausgeber des Taschenbuchs Das Franzbrötchen im gleichnamigen Hamburger Verlag, die Herkunft des braungelben Plunders.
Viele Spuren der Gebäckforschung erwiesen sich als Irrweg. Die Einführung eines »Franz(osen)brots« im Zuge der Besetzung Hamburgs durch Napoleon Bonaparte in den Jahren 1806 bis 1813 kann inzwischen als widerlegt gelten. Ebenso die Anekdote über einen fülligen Bäckergesellen in Hamburg-Harburg, der sich nach durchzechter Nacht morgens auf den vorbereiteten Teig gesetzt und so dem Brötchen seine spätere Form gegeben haben soll. Die Gebäckexpertin Annette Hillringhaus aus dem Museum für Brotkultur in Ulm reiste schließlich 2010 eigens zum 1. Internationalen Franzbrötchen-Kongress in das Hamburger Kulturwerk West und präsentierte neue Archiv-Funde. Einem vergilbten Werbeplakat zufolge habe tatsächlich ein Franz‘scher Bäcker, Johann Heinrich Thielemann (1848−1901), möglicherweise beeinflusst durch die nordische Tradition des »Kopenhagener« und skandinavischen Plunderstückchens im einstmals dänischen Altona, das eigentümliche Gebäckstück schon früher als bekannt feilgeboten. Damit wurden auch die Aussagen von noch lebenden Nachkommen Thielemanns bestätigt, die Buchautor Beseler zuvor aufgespürt hatte. Die Franz’sche Bäckerei an der Großen Bergstraße 9 am Eingang zum Vergnügungsviertel Reeperbahn musste einem Modekaufhaus und dann einer Klinik weichen. Bei der Verkostung der eingesandten Proben aus 21 Bäckereibetrieben zum 1. Franzbrötchen-Kongress siegte letztendlich das kleine Café Luise.
Café Luise · Kleine Bäckerei e. K. · Mo–So 9–18 Uhr · Erdkampsweg 12 · 22335 Hamburg Tel. 040/52 98 57 17 · www.franzbroetchen-verlag.de U 1 Klein Borstel
07
HALTESTELLE ZUR WURST
Auch wenn’s nicht auf der Karte steht: Morgens um acht bekommen Sie auf Wunsch auch mal Spiegelei, Kartoffelsalat – nie auf Papptellern – und Herzlichkeit gibt es jeden Tag umsonst. Viele kommen einfach auf einen Kaffee oder wegen der Frikadellen und der extrem guten Currywurst-Saucen-Mischung.
Das Ehepaar Margret und Mathias Wolter liebäugelte mit einem seit Jahren leer stehenden Kiosk zwischen dem Niendorf Markt und Hagenbecks Tierpark und eröffnete 2006 den Imbiss in Niendorf. Hier fehlte einfach eine Wurstbude. Rot-weiß ist die Fassade, der Klassiker »Pommes Schranke« in Farben verewigt. Obwohl das FC-St.-Pauli-Trainingsgelände direkt hinter der Pommesbude liegt, brennen beide für den HSV. Schon frühmorgens stehen die ersten Autos an der Haltestelle. Doch die meisten Kunden kommen erst am späten Vormittag und stärken sich mit einer Currywurst und der leckersten Sauce der Stadt. Teuerstes Gericht ist mit 4,90 Euro das Schaschlik-Filet.
Nach der Frikadelle an der lauten Kollaustraße findet man Ruhe auf dem Alten Niendorfer Friedhof von 1840 mit Grüften und einem geheimnisvollen Mausoleum (Kollaustraße 241).
Es kommt auch vor, dass Otto Waalkes, Uwe Seeler oder Oliver »Dittsche« Dittrich auf einen Kaffee vorbeischauen. Die Kontakte entstanden in der Betriebssportanlange der Vereinsbank Niendorf. Dort führten sie das Clubhaus mit sechs Tennisplätzen und einem Sportplatz. Herr Wolter war jahrelang auch HSV-Tennistrainer. Die Anlage wurde 2004 geschlossen.
Schön laut ist es hier, wenn die Ampel auf Grün umschaltet und Massen von Autos vorbeibrausen. Trotzdem: Dies ist keine gewöhnliche Pommesbude. Wenn Sie also nur auf eine Wurstlänge bleiben, sind Sie selbst schuld. Denn die offenen Ohren für die Sorgen der Gäste sind unbezahlbar, hier geht es eben nicht nur um die Wurst. Und das ist auch gut so.
Haltestelle zur Wurst · Mo−Fr 10−18 Uhr · Kollaustraße 137 (beim St. Pauli-Trainingsgelände) 22453 Hamburg · Tel. 0151/15 37 42 53 Bus 391 Niendorfer Straße
08
VIEL ZEIT FÜR ARABICA UND ROBUSTA
Eine der letzten privaten Röstereien betreibt Jens Burg, ein Traditionalist. Bereits sein Vater, Großvater und Urgroßvater waren mit Leib und Seele der aromalosen Rohbohne verfallen. Seit Zimt- und Vanillegeschmack jüngere Generationen in Coffee-Shops locken, boomt das schwarze Getränk.
Wenn Sie den Eppendorfer Weg entlanggehen, werden Sie hin und wieder sprichwörtlich an der Nase herumgeführt. Zum Beispiel zu einem Ort, der wohlriechende Atmosphäre verspricht: die Kaffeerösterei Burg. In der dazugehörigen Museumsrösterei in der Speicherstadt am St. Annenufer, heute Genuss Speicher genannt, wurde schon seit 1896 im Kaffeespeicher von Hansen & Studt Kaffee gelagert. Morgens um sieben läuft hier alles nach Plan. Kaffeebohnen, sowohl reine Arabica mit klangvollen Namen wie »Jamaica Blue Mountain« oder »Hawaii Kona« als auch Robusta-Sorten werden geröstet – und der Duft macht Appetit darauf, mehr zu erfahren. Kernstück des Museums ist ein Trommelröster aus den 1920er-Jahren. Im Schnitt werden 130 Kilogramm Rohkaffee am Tag geröstet. Das Leben einer Kaffeebohne mit ihren Gattungen, Röst- und Zubereitungsvarianten ist vielschichtig. Der Kaffee wird hier bei 200 °C 20 Minuten geröstet − Großröstereien benötigen dafür nur drei Minuten bei 600 °C. Diesen Unterschied können Sie schmecken. Vor rund 20 Jahren entstand das Museum in einem Hinterhof mit Mühlen, Schütten, Werbetafeln und Kaffeepflanzen. Im Zuge der Trendwende zum