Herzstücke Hamburg. Christine Lendt
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Nuggis Elbkate · Museumshafen Övelgönne · Neumühlen 1 · 22763 Hamburg Bus 112 bis Haltestelle Neumühlen/Övelgönne · HADAG-Fähre 62 bis Anleger Neumühlen/Museumshafen
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GEBOREN WERDEN, ANDERS HERUM
Ein Lokal in einem Hinterhof der Reeperbahn, das durch zwei gespreizte Frauenbeine zu betreten ist, lässt keine Zweifel offen, denken Unwissende, und gehen lieber weiter. So verpassen sie die wohl kultigste Kneipe auf dem Kiez. Im hauseigenen Boxring trainierten schon die Klitschkos.
Die Ritze sollte ursprünglich »Spalte« heißen, aber das war den Behörden zu schlüpfrig. Wie alt sie ist, weiß niemand so genau, denn als sie eröffnet wurde, regelte man solche Dinge auf dem Kiez noch per Handschlag. Es muss wohl in den frühen 1970er-Jahren gewesen sein. Seitdem hat sich kaum etwas verändert im Hinterhof Reeperbahn Nummer 140. Noch immer empfängt der dunkle Eingang zwischen den schlanken Beinen jeden Gast. Es ist ein wenig wie geboren werden, nur anders herum und mit Erwachsenen. Das Tür-Gemälde stammt von Erwin Ross (1926–2010). Der Künstler, einschlägig bekannt als »Rubens von der Reeperbahn«, gestaltete 1962 auch die Wolkenkratzer-Skyline für den »Star-Club«. Vor dem Bühnenbild begann die Karriere der Beatles.
Die Pin-up-Kunst von Erwin Ross lebt ebenso weiter wie seine Promi-Porträts. Sie alle können bestaunt werden unter: www.kiez-kunst-hamburg.de
Weil Wirt Hanne Kleine früher Boxer in der DDR-Nationalmannschaft war, ließ er in der Tiefgarage unter der Ritze einen Ring bauen. Alle waren sie hier, von Max Schmeling über Don King bis hin zu den Klitschkos. Ihre Fotos und Autogramme pflastern die Wände der Bar. Der Kiez-Kneipier starb im November 2011. Seine Witwe Kirsten (das Türgemälde zeigt ihre Beine) führte das Erbe weiter, mitsamt Boxring und Stammgästen wie Udo Lindenberg, Ben Becker und Jan Fedder, und übergab 2015 an Carsten Marek. Ein Original zwischen modernen Tabledance-Bars, Entertainment-Tempeln und Spielhallen. Es verwundert nur etwas, dass es hier bayerisches Bier gibt.
Zur Ritze · Mo−Do ab 17 Uhr, Fr–So ab 14 Uhr · Reeperbahn 140 (Hinterhof) · 20359 Hamburg www.zur-ritze.com · S 1, S 3 Reeperbahn
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FÜNFFACH KULTURELL GEFÜLLTE BOX
Aus alt mach älter und doch wieder neu. In Ottensen wurden historische Fabrikanlagen nicht einfach aufgeräumt, sondern funktional neu gestaltet. Mit dem Borselhof begann 1989 der Siegeszug der Fabrikimmobilien als Adresse für Kreative.
Alte Gleise im Kopfsteinpflaster führen zum Borselhof, einer aufwendig sanierten und modern genutzten ehemaligen Reißmaschinenfabrik. In der Basilika, dem Herzstück, befand sich früher die Gießerei und bis 2012 ein Privattheater. Nun hat hier »The Box« ein spannendes Konzept verwirklicht: fünf verschiedene Shops in einer Halle. Gegliedert durch eine filigrane Metallkonstruktion in ein Mittel- und zwei Seitenschiffe, eingefasst durch eine Empore und von einem großen Glasdach überspannt. Es harmonieren miteinander zwei Kunstgalerien (Schwerpunkt moderne Kunst, Fotografie und Skulptur die eine, internationale Jungstars die andere) mit einem Laden für Küchendesign, Klassiker-Möbel und Bücher sowie einem Café.
Bretter können bekanntlich die Welt bedeuten und da der Boden nicht »urig« genug aussah, wurde er noch mal herausgerissen, die nagelneuen Eichendielen mit rostigen Eisenstücken in eine große Waschtrommel geschoben, geschleudert, wieder ausgelegt, mit Öl begossen und angezündet. Durch diese Technik wirkt das Holz wie aus dem Jahr 1868, dem Gründungsjahr der Fabrik, und passt zum Charme der alten Halle.
Konzerte und Lesungen stehen regelmäßig auf dem Programm. Etwas Besonderes ist die 2017 eröffnete One Kitchen. In der Miet-Kochschule können sich Anfänger oder Fortgeschrittene nach persönlichen Vorlieben mit Kochkursen kulinarisch weiterbilden. Darüber hinaus haben privat Interessierte die Möglichkeit, Veranstaltungen in »The Box« abzuhalten.
Fast ehrfürchtig steht man in diesen wunderbaren Räumlichkeiten, würde am liebsten verweilen, um abends an Designtischen zu speisen und nachts in eines der Betten in dem denkmalgeschützten Bau zu fallen.
The Box · Öffnungszeiten s. Homepage · Borselhof / Borselstraße 16 F · 22765 Hamburg Tel. 040/39 90 62 14 · www.thebox-hamburg.com Bus 2, 37, 150 Borselhof
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ZU GAST BEIM TREPPENKRÄMER
Man nehme eine Prise Tante Emma, gebe Bistro-Flair hinzu und fülle es mit liebenswerten Dingen. Heraus kommt das wohl kuscheligste Café-Lädchen Hamburgs, Rettung bei verpassten Wochenendeinkäufen, Sehnsucht nach Klönschnack und Appetit auf die weltbesten Torten. Es versteckt sich und ist doch so leicht zu finden.
Das Blankeneser Treppenviertel ist ein verwunschener Ort. Ähnlich wie das Änderhaus in Michael Endes »Unendlicher Geschichte« verändert es sich nämlich unbemerkt. Immer wieder überrascht es mit neuen Treppchen und Gässchen. Sie nehmen einen mit in verborgene Winkel, während sich die Treppe, die hineinführte, in ein Rosengärtchen oder Balkönchen verwandelt. So entdecken Sie Orte wie den »Treppenkrämer«. Doch keine Sorge, morgens stellt Inhaberin Brigitte Sandtner eine Tafel an den Elbstrand, damit Spaziergänger auch den direkten Weg finden. Der Familienbetrieb gehört zu einem alten Fischerhaus von 1870. Ab ungefähr 1900 lebte dort Marie Stehr. Ihr Vater baute den kleinen Laden vor das Wohnhaus, um dort seinen Fang zu verkaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es dort Obst und Gemüse. Dann war der Laden geschlossen, bis Heikko Sandtner ihn bei einem Elbspaziergang entdeckte. 2005 eröffnete er zusammen mit seiner Frau das kleine Krämercafé. Es rettete schon manchem Blankeneser das Wochenende, weil es hier auch Milch, Eier, Zucker, Mehl, Joghurt und Aufschnitt gibt.
Andere kommen zum »Treppenkrämer«, um in den reich bestückten Regalen zu stöbern: Zu bekommen sind Tees, Sekt und Bonbons, Blankenese-Souvenirs, Matchbox-Autos und Antiquarisches. Es gibt Torten und Suppen aus eigener Herstellung, frisch zubereitete Fischbrötchen und Kaffee. Wer am Wasser sitzen möchte, bekommt alles »to go« und darf einen Stuhl mitnehmen zum Elbstrand. Bei Regenwetter rückt man im Café zusammen. Zum Glück weiß das Treppenviertel, dass es diesen Ort nicht verändern darf, und lässt ihn brav in der Hans-Lange-Straße 23.
Treppenkrämer