Systematische Fallarbeit in der Logopädie. Группа авторов

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Systematische Fallarbeit in der Logopädie - Группа авторов

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gemeint. Reflexion und Kommunikation sind dabei die ständigen Prozessbegleiter. Eine klare Problemdefinition über die Erfassung von Kontext und Status ist die Voraussetzung jeder Intervention. Die situative Fallkompetenz sollte stets mit der generalisierten Fachkompetenz verknüpft und abgeglichen werden. Aus diesem Grund werden sie in der nachfolgenden Grafik (image Abb. 2.3) gemeinsam dargestellt.

Images

      image Doppelte Unsicherheit image

      Im Therapieprozess gibt es zur fallbezogenen Problembearbeitung einen prinzipiellen Therapieplan, der dann situativ für die aktuelle Therapieeinheit angepasst und umgesetzt wird. In jedem Fall muss die Logopädin singulären Einflussfaktoren Rechnung tragen. Das bedeutet, dass die prinzipielle Vorgehensweise mit Besonderheiten und Unsicherheiten behaftet ist. In den verschiedenen Fachdisziplinen ist die Unsicherheit der Entscheidung unterschiedlich brisant. In der Pflege beispielsweise kann sich das geplante Vorgehen sehr schnell ändern, und Fachpersonen müssen Notfallsituationen gerecht werden. Neben der situativen ist dann zusätzlich eine intuitive Kompetenz gefragt (vgl. Schrems 2016). Die Unsicherheit der Vorgehensweise und das Zurückgreifen auf intuitive Kompetenz muss durchaus auch in therapeutischen Berufen als Handlungsmöglichkeit angesehen werden, da Entscheidungen vor dem Hintergrund der Auswahl zwischen Optionen immer wieder neu zu überdenken und zu treffen sind. Die situative Fallkompetenz ist dabei entscheidend. Einfühlendes Verstehen und ordnende Analyse sind zwei Seiten einer Medaille.

      image Unkenntnis managen image

      Kösel (2017) plädiert dafür, der Intuition im Prozess Raum zu geben, und begründet dies mit einem Mangel an Wissen, das sich fünffach zeigt. Aufgrund der Komplexität, Intransparenz und Verwobenheit sind Daten oder Fakten:

      1) fehlend,

      2) im Übermaß vorhanden,

      3) widersprüchlich,

      4) unverständlich und/oder

      5) nicht vertrauenswürdig.

      Die Intuition ist somit beim logopädischen Handeln erwünscht und teilweise zwingend notwendig, setzt jedoch gleichzeitig eine entsprechende Fall- und eine Fachkompetenz voraus.

      image Hohe Individualität image

      Es gibt eine weitere Unsicherheit des planvollen Vorgehens: Die Problemdefinition und die Problembearbeitung im bisherigen Verlauf beruht letztlich auf Daten und Texten. Mit Daten sind beispielsweise diagnostische Informationen, mit Texten sind Berichte in schriftlicher Form und mündliche Schilderungen der Ratsuchenden bzw. der Kolleginnen und Kollegen im interprofessionellen Team gemeint. Hier kann sich eine Reihe von Fehlern ergeben. Schilderungen vergangener Ereignisse sind zum Beispiel grundsätzlich mit einem Explorations- bzw. Rückschaufehler behaftet, und schriftlich Festgeschriebenes kann an Aktualität verlieren oder ungerechtfertigte Zuschreibungen enthalten. Der Terminus Rückschaufehler kommt aus der Forensik (Kriminalistik) und spielt auch in der Psychotherapie eine Rolle: Erinnerungen entfernen sich über innere Bewertungen (»Es muss für mich wohl so gewesen sein«) und äußere Erzählungen (»Doch, es war genau so«) teils massiv vom tatsächlichen Ereignis (vgl. Hermanutz 2017). Eine Grundskepsis in life-story-telling-Situationen und auch im Studium von Berichten ist demnach die Partnerin eines großzügigen Vertrauensvorschusses.

      Handelnde dürfen sich also auf einen Präzedenzfall beziehen und haben gleichzeitig zu berücksichtigen, dass jeder Fall als Besonderheit zu gelten hat: Logopädinnen treffen auf Menschen

      • in unterschiedlichen aktuellen Kontexten und Rollenanforderungen,

      • mit verschiedenen Lern-, Beziehungs-, Resilienz- und Coping-Biografien,

      • deren Problem von Phänomenen, weiteren Problemen und Kompensationen überlagert sind und

      • die in verschiedenen Professionen unter einem fokussierten Blickwinkel exploriert werden.

      Das Gegengewicht zum Explorations- und Rückschaufehler sind Beobachtung, Reflexion und Kommunikation.

      image Dynamisch-dialogische Beobachtung image

      Einen Fall bearbeiten heißt, mit den Betroffenen als Partner in einen Prozess einzutreten, der spiralförmig die Stationen

      • Beobachten,

      • Bedeutung bzw. Sinn geben,

      • diese im Dialog absichern und Aktionen ableiten

      immer neu abarbeitet.

      Durch das spiralförmige Vorgehen ist es unangemessen, im Sinne von Vollständigkeit und Gültigkeit, perfektionistische Ansprüche an die Beobachtung zu stellen.

      Durch das dialogische Prinzip kommt es zu einer doppelten Korrektur: Betroffene filtern ihre Beobachtungen vor dem Hintergrund ihrer Biografie, und die Therapeutin filtert die Beobachtungen vor dem Hintergrund ihres Vorwissens und ihrer Erfahrungen (image Abb. 2.4). Mit dem Wissen um die doppelte Korrektur dürfen die Beteiligten Vertrauen in den Prozess geben.

Images

      Die Beobachtung kann sich an folgenden Fragen ausrichten: Ist das Wahrgenommene eindeutig? Bekannt? Neu? Relevant? Womit verbunden?

      Im Dialog darf somit kritisch hinterfragt, mutig vorgeprescht, beharrlich nachgefragt, verhandelt und zusammengefasst werden. Die therapeutische Verantwortung besteht darin, über das Vordergründige hinauszusehen und hinauszudenken (vgl. Schrems 2016):

      • Was ist die Perspektive der Betroffenen (thinking inside)?

      • Welche Kontextfaktoren bestimmen die Wahrnehmung (thinking about)?

      • Welche Art von Perspektivenwechsel wäre denkbar (thinking outside)?

      Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen können Betroffene und Therapeutin gemeinsam Ziele definieren und die Interventionen planen.

      2 Theoretische Aspekte der Fallarbeit in der Logopädie

      Die Praxis der Logopädie nimmt auf Theorien und Modelle

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