Es geschah in Heiliger Nacht. Группа авторов

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Es geschah in Heiliger Nacht - Группа авторов

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auf, Männer! Die Christmetten läutet man aus!« Sie konnten sich wieder rühren, aber es war ein Krampf in ihren Gliedern, denen langsam wieder das Blut zuflog, und sie mussten sich an der Banklehne festhalten, sonst wären sie hingestürzt.

      Was würde der lateinische Bauer jetzt mit ihnen machen? Er hatte sie ja völlig in seiner Gewalt. Ob er sie der Polizei auslieferte oder sie von seinen Söhnen erschlagen ließ? Da hörten sie ihn wieder:

      »Eure Kugelstutzen lasst da, Männer, damit ihr nicht wieder in Versuchung fallt! Und jetzt schauts, dass ihr weiterkommt, alle drei, dass euch die Mettenleut nicht sehen!«

      Sie taumelten zur Tür, durch den Hausgang, ins Freie. Sie waren immer noch halb willenlos und von dem Zauber befangen, und auch der eisträchtige Wind, durch den jetzt aus den Dörfern das Lärmen und Krachen des Christkindelschießens tönte, weckte sie nicht völlig auf. Traumwandlerisch tappten sie dem Gangsteige nach, der ins Tal führte, wo sie dann den Fahrweg nach ihrem fernen Dorfe finden konnten. Plötzlich peitschte hinter ihnen ein Schuss, und dieser Knall band sie los, dass sie wach wurden und zur Besinnung kamen. Schoss jetzt der Rauhwandner hinter ihnen drein? In wilder Flucht rannten sie bergein. Es knallte wieder, und noch ein drittes Mal. Dann war es bei der Einöd wieder still. Der Bauer hatte nur ihre Flinten und die Pistole leer geschossen. Dann verschloss er die drei Waffen in dem alten Mauerkasten, zu dem nur er den Schlüssel besaß. Er erzählte auch keinem Menschen ein Wort von dem Besuche in der Christnacht und war nur an den Feiertagen noch schweigsamer als sonst.

      Johannes Linke

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      Weihnachten ist für mich das Tor, vor dem ich alles ablegen kann, was mich in ungebührlicher Weise belastet, um dann hindurchzugehen als einer, der wieder offen ist für das, was seinem Leben den Sinn gibt: für das Wort Gottes, das ihm die Richtung weist, die er einschlagen soll, für seine Mitmenschen in ihren Freuden und Leiden, ihren Hoffnungen und Enttäuschungen. Für die Probleme der Welt, an deren Entschärfung er zu seinem Teil mitzuwirken berufen ist.

      Weihnachten ist der Augenblick, in dem mir Gott am nächsten kommt. Meine Sache ist es, diesen Augenblick zu nutzen.

      Hans Graf von Lehndorff

      Selma, die Aufwartefrau

      Obgleich der Pfarrer bereits einige Jahre in der Gemeinde gewohnt hatte, war er noch nie in der Hütte Selmas gewesen. Und doch lag diese in nächster Nähe des Pfarrhofes, am Hang des zum Flusse abfallenden Hügels.

      Eine elendere Hütte konnte man sich schwerlich vorstellen. Wenn etwas die Bezeichnung »verfallen« verdiente, so jedenfalls die Hütte Selmas.

      Selma selbst sah jedoch alles andere als verfallen aus. Sie war eine hoch aufgeschossene, vierschrötige Frau in den Sechzigern und hätte vielleicht ganz gut ausgesehen, wenn sie nur nicht so schlampig angezogen gewesen wäre. Sie glich einem wandernden Kleiderbündel. Man wusste eigentlich nie recht, was sie anhatte. Röcke und Jacken baumelten und schlotterten an ihren Gliedern, und das Haar hing ihr in zottigen Strähnen um das graue Gesicht.

      Trotz ihres vernachlässigten Äußern flößte Selma doch stets einen gewissen Respekt ein. Die Kinder fürchteten sie, die Lehrer mieden sie, nur wenige besaßen den Mut, sie anzureden, und sie selbst suchte nie einen Menschen auf. Sie hatte die Fähigkeit, sich mit einem derartigen noli me tangere – lasst mich in Ruhe – zu umgeben, dass nicht einmal der Pfarrer, ihr nächster Nachbar, einen Besuch bei ihr gewagt hatte. Auch hatte er sie nie in der Kirche gesehen.

      Niemand wusste, wer sie war, noch woher sie stammte. Seit Menschengedenken war sie Aufwartefrau1 in der Schule gewesen. Die Eltern der heutigen Schulkinder erinnerten sich noch aus ihrer eigenen Schulzeit an Selma. Sie habe schon damals genauso ausgeschaut wie jetzt, behaupteten sie. Der Pfarrer hatte auch nie in den Kirchenbüchern nach Selmas Herkunft geforscht. Geistliche sind in dieser Hinsicht selten neugierig.

      Heute feierte der Pfarrer seine dritte Weihnacht in der Gemeinde. Er befand sich auf dem Heimweg von dem üblichen Besuch im Krankenhaus. Ein Gefühl großer Feierlichkeit bemächtigte sich seiner, während er im funkelnden Sternenlicht den Weg an der Uferböschung des Flusses entlangschritt. Die Lichter aus den Dörfern am jenseitigen Ufer glitzerten wie Perlenketten. Überall feierten die Leute Weihnachten. Jetzt tauchte die kleine Häusergruppe rings um den Pfarrhof vor ihm auf. Er gewahrte Licht hinter den Fenstern. Frau und Kinder harrten seiner, und er empfand ein dankbares Glücksgefühl, Weihnachten mit den Seinen feiern zu dürfen und für eine Weile seiner Amtspflichten ledig zu sein.

      Doch gerade in dem Augenblick, da er diesen Gedanken nachhing, gelangte er an die zu Selmas Hütte hinabführende Wegkreuzung. Und wie immer, wenn er hier vorüberschritt, fiel ihm ein, dass er seine nächste Nachbarin noch nie besucht hatte. Er entsann sich des Wortes: »Die Armen sind stets unter euch.« Doch war Selma eigentlich arm? Dass sie es knapp hatte, daran war nicht zu zweifeln, aber sicher hatte sie genug zum Leben.

      Dennoch beherrschte den Pfarrer das seltsame Gefühl, als ob Selma in geistlicher Hinsicht irgendetwas fehlen müsse. Sie gehörte zu jenen rätselhaften Menschen, die ein ernstes Geheimnis in sich bergen, ohne je Gelegenheit zu finden, die vielleicht schwerwiegende Bürde in vertraulichem Gespräch mit einem verständnisvollen Menschen von sich abzuwälzen.

      Und nun fasste er seinen Entschluss. Er wollte eintreten und Selma begrüßen. Der Augenblick dafür hätte nicht geeigneter sein können als am Heiligen Abend, wo sie allein zu Hause weilte und in der ganzen Welt keinen Menschen hatte, der sich um sie gekümmert hätte. Doch vorerst ging er noch rasch in den Pfarrhof hinüber, um den Seinen mitzuteilen, dass sie noch eine Weile warten müssten, ehe er Zeit fände, sich ganz seiner Familie zu widmen.

      Die Kinder waren im Hausflur versammelt, wo sie auf sein Kommen warteten. Sie machten etwas lange Gesichter, als sie vernahmen, dass er noch einen Besuch vorhabe. Als seine Frau erfuhr, wem dieser Besuch gelten sollte, legte sie etwas Weihnachtsgebäck und Speisen in einen Korb, den der Mann mitnahm.

      Im Flur vor der Kammertüre blieb der Pfarrer stehen. Die Hütte besaß anscheinend nur ein Zimmer. Er wiederholte sein Klopfen.

      »Herein!«

      »Guten Abend und gesegnete Weihnacht!«, grüßte der Pfarrer, indem er die Brillengläser trocknete.

      Er erhielt keine Antwort. Aber nachdem er die Brille wieder aufgesetzt hatte und klar zu sehen vermochte, entdeckte er, dass sich in der Stube zwei Personen befanden. Die eine war Selma, die andere einer der Kirchenältesten.

      »Nein, was sehe ich, der Kirchenälteste!«, sagte der Pfarrer und reichte Johannes As die Hand.

      Dieser erhob sich zum Gruße.

      »Schönen guten Abend, Selma. Ich bin gekommen, um frohe Weihnacht zu wünschen, und meine Frau bittet mich, einen Gruß zu bestellen. Sie hat mir etwas von unseren Weihnachtsspeisen mitgegeben.«

      »Danke!«, erwiderte Selma kurz und ein wenig abweisend, wenn auch nicht gerade unhöflich. »Ich habe, was ich brauche, und wie der Herr Pfarrer sieht, hat der Kirchenälteste mir eine ganze Menge mitgebracht.«

      »Ich muss zugeben«, meinte

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