Franken Reiseführer Michael Müller Verlag. Ralf Nestmeyer
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Fachwerk und Türme
Geschichte
Auf einer schmalen Bergzunge, verteidigungstechnisch günstig „ob“ der Tauber gelegen, erbauten die Grafen von Kochergau gegen Ende des 10. Jahrhunderts eine Burg. Nach dem Aussterben des Adelsgeschlechts wurde diese von Konrad III. erworben, der somit seinen staufischen Gütern ein neues Territorium zuschlagen konnte. Konrad ließ 1142 die Anlage durch den Bau der sog. „vorderen Burg“ erweitern. Neben dieser staufischen Kaiserburg entstand eine kleine Siedlung, die Keimzelle von Rothenburg. Von den beiden Burgen ist allerdings nicht mehr viel zu sehen: Durch ein großes Erdbeben stürzten 1356 die Stauferpfalz und mit ihr auch weite Teile der talseitigen Mauer ein. Mit kaiserlicher Erlaubnis durften die Rothenburger die Steine der zerstörten Burg zum Ausbau ihrer Stadt verwenden, nur die zur Anlage gehörige Blasiuskapelle musste wieder errichtet werden; sie ist daher bis heute erhalten geblieben. Im 13. und 14. Jahrhundert begann und vollendete sich Rothenburgs Aufstieg zu einer bedeutenden Stadt mit reichsstädtischen Rechten. Mehr als 6000 Menschen lebten um das Jahr 1400 innerhalb der wehrhaften Mauern. Unter der geschickten Führung des kühnen Bürgermeisters Heinrich Toppler erlangte die von einem beachtlichen Territorium umgebene Stadt den Höhepunkt ihrer Macht. Das reichstädtische Gebiet erreichte im 15. Jahrhundert eine Ausdehnung von 400 Quadratkilometern und umfasste 167 Dörfer.
Wie viele andere Reichsstädte trat auch Rothenburg zum Protestantismus über. Der Übergang vollzog sich leicht und schnell, da der seit 1512 wirkende Prädikant Teuschlein seit der Jahreswende 1522/23 einfach zur evangelischen Predigtform überging und ihm ab 1524 ein evangelisch gesinnter Pfarrer zur Seite trat.
Die Stadtmauer wurde mit Spenden wiederaufgebaut
In den beiden nächsten Jahrzehnten vollzog sich ein Konfessionswechsel der gesamten Bürgerschaft. Die zweimalige Eroberung im Dreißigjährigen Krieg der auf Seiten der Protestantischen Union stehenden Stadt hat den Elan Rothenburgs in wirtschaftlicher wie politischer Hinsicht nachhaltig erschüttert. Ein gutes Jahrhundert später war der Wehrwille offensichtlich völlig gebrochen: 1757, während des Siebenjährigen Krieges, reichten tatsächlich 35 Husaren unter der Führung eines unbedeutenden Leutnants aus, um Rothenburg einzunehmen und auszuplündern.
Im Jahre 1802 verdrängte der bayerische Rautenschild den Königsadler. Abseits der wichtigen Verkehrsströme verharrte Rothenburg in seinen Mauern.
Von den Segnungen des modernen Industriezeitalters vergessen, versank Rothenburg in eine Art Dornröschenschlaf. Erst der fulminante Aufstieg zur romantischen Tourismusmetropole beendete diesen Dämmerzustand. Maler wie Ludwig Richter und Carl Spitzweg streiften, auf der Suche nach der biedermeierlichen Idylle, mit Zeichenstift, Pinsel und Skizzenbuch durch die Stadt; wenige Jahre später strömten die durch Zeitungsberichte neugierig gewordenen Kulturreisenden in Scharen herbei. Rothenburgs Bürger begriffen schnell, welche Möglichkeiten der Fremdenverkehr ihrem pittoresken Tauberstädtchen bot. Man wollte „alles aufbieten, um den Fremden den Aufenthalt in Rothenburg so angenehm als lieb zu machen“. Hierzu gehörte nicht nur, dass altehrwürdige Handwerksmeister beinahe von einem Tag auf den anderen Fremdenzimmer vermieteten, ganz Rothenburg wurde in ein adrettes und reinliches Ausflugsstädtchen verwandelt, die Misthaufen jenseits der Stadttore verbannt und die glorreiche Stadtgeschichte mit Schauspielen und Legenden über Heinrich Toppler und den Meistertrunk des Altbürgermeisters Georg Nusch aufwendig in Szene gesetzt. Der Erfolg blieb nicht aus: Das Tauberstädtchen gilt seither weltweit als das „Knusperhäuschen der deutschen Seele“.
Einen schweren Schlag musste Rothenburg noch kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs hinnehmen. Es wurde von amerikanischen Flugzeugen bombardiert und dabei empfindlich getroffen: Mehr als 40 Prozent der Stadt - 300 Wohnhäuser, neun Türme und 750 Meter Stadtmauer - lagen in Schutt und Asche. Auch das Rathaus wurde schwer beschädigt, die Fassade blieb jedoch unversehrt. Die größten Verluste hatte man im Areal zwischen Weißem Torturm und Rödertor zu beklagen. Das zerstörte Viertel wurde in Anlehnung an den ursprünglichen Zustand wieder aufgebaut, wobei man vor allem bemüht war, den Verlust zumindest optisch wettzumachen.
Die Meistertrunk-Legende
Als Urheber der Meistertrunk-Legende gilt der Rothenburger Chronist Georg Heinrich Schaffert (1739-1794). Die historisch nicht belegte Episode aus dem Dreißigjährigen Krieg diente dem Lokalpoeten Adam Hörber als Grundlage für ein Schauspiel, das 1881 in Rothenburg uraufgeführt wurde. Die Zuschauer waren so begeistert, dass die Meistertrunk-Legende nicht nur einen festen Platz im städtischen Festkalender bekam, sondern schon wenige Jahre später als Kunstuhr den Giebel der Ratstrinkstube zierte. Mehrmals täglich zur vollen Stunde erscheint seither der Altoberbürgermeister Nusch in einem Fenster und leert einen Humpen Wein, während im Fenster auf der anderen Seite der Uhr der kaiserliche Feldherr Graf von Tilly erstaunt mit dem Marschallstab winkt. Der über den Rothenburger Widerstand verbitterte Tilly, so die Legende, wollte im Herbst 1631 die Stadt zerstören und den Rat hinrichten lassen; bei der Übergabe des mehr als drei Liter fassenden Willkommenstrunks hatte er aber den Einfall, Gnade walten zu lassen, „wenn einer von Euch Kraft und Mut besitzt, den Pokal in einem Zug zu leeren“. Altoberbürgermeister Nusch trat hervor und gab eine Kostprobe seiner überwältigenden Trinkfestigkeit, woraufhin der schwer beeindruckte Tilly von seinem Vorhaben abließ und die Stadt verschonte.
♦ An Pfingsten und an den Reichsstadt-Festtagen im Herbst wird die Legende vom Meistertrunk gespielt, und Rothenburg hüllt sich in ein mittelalterliches Flair. Infos und Termine unter www.meistertrunk.de.