Franken Reiseführer Michael Müller Verlag. Ralf Nestmeyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Franken Reiseführer Michael Müller Verlag - Ralf Nestmeyer страница 10

Franken Reiseführer Michael Müller Verlag - Ralf Nestmeyer MM-Reiseführer

Скачать книгу

un­über­troffen. Und so konn­ten und kön­nen sich bis heute die we­nigsten dem Charme Rothenburgs ent­ziehen. Durch zahlreiche Feste und Ver­an­stal­tun­gen wird dieses Image ge­pflegt. Das 11.000 Ein­wohner zäh­lende Städtchen ko­ket­tiert mit der Ver­gan­gen­heit und ver­zeich­net so viele Gäs­te wie kaum eine an­dere Stadt in Deutsch­land: Rund zwei­einhalb Millio­nen Gäste wer­den pro Jahr gezählt, mehr als die Hälfte da­von stammt aus dem Aus­land! Wer eine Vor­liebe für leere Gassen und stille Win­kel hegt, muss Rothenburg aller­dings bei Nacht und Nebel durchstreifen, denn tagsüber ge­hört die Stadt den Be­suchern aus aller Welt. Und so ver­wun­dert es nicht, dass Wladimir Ka­mi­ner Rothen­burg als ein „als Stadt ge­tarn­tes Spiel­zeug­mu­seum“ empfand. Kritiker sehen Rothen­burg hin­gegen als konservierte Idylle, als eine Art mittelal­terliches Disney­land ohne eigene Iden­tität und ver­wei­sen darauf, dass kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs ein ame­ri­kanisches Bom­ber­geschwader mehr als ein Drittel der Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte und es sich bei dem betroffenen Viertel zwischen dem Weißen Turm und dem Rödertor heute um nichts anderes als eine original­ge­treue Re­kons­truk­tion handelt. Nicht alles, was alt aussieht, hat be­reits im Mit­tel­alter Regen und Schnee getrotzt. Den­noch lebt Rothenburg von und mit seiner Ge­schichte. Man muss sich Zeit nehmen, um die ungeheure Fülle an Kunst­schät­zen in ihrer ganzen Breite würdigen zu kön­nen. Ein Spaziergang entlang sowie auf dem Wehrgang der mehr als drei Kilometer langen Stadtmauer mit ihren 43 Tor- und Mauertürmen vermittelt einen Eindruck von der Größe der einst so selbst­bewussten Reichsstadt.

      Fachwerk und Türme

      Auf einer schmalen Bergzunge, ver­tei­di­gungstechnisch günstig „ob“ der Tau­ber ge­le­gen, erbauten die Grafen von Kochergau gegen Ende des 10. Jahr­hun­derts eine Burg. Nach dem Aus­ster­ben des Adelsgeschlechts wur­de diese von Kon­rad III. er­wor­ben, der somit seinen staufischen Gütern ein neues Territorium zu­schlagen konnte. Konrad ließ 1142 die Anlage durch den Bau der sog. „vorderen Burg“ er­wei­tern. Neben dieser staufischen Kaiserburg ent­stand eine kleine Sied­lung, die Keim­zelle von Rothenburg. Von den beiden Burgen ist allerdings nicht mehr viel zu sehen: Durch ein großes Erd­be­ben stürzten 1356 die Stauferpfalz und mit ihr auch weite Teile der talseitigen Mauer ein. Mit kaiserlicher Erlaubnis durften die Rothen­burger die Steine der zerstörten Burg zum Ausbau ihrer Stadt ver­wenden, nur die zur Anlage gehörige Bla­sius­kapelle musste wieder errichtet wer­den; sie ist da­her bis heute erhalten geblieben. Im 13. und 14. Jahr­hun­dert be­gann und vollen­dete sich Ro­then­burgs Aufstieg zu einer bedeu­ten­den Stadt mit reichsstädtischen Rech­ten. Mehr als 6000 Menschen leb­ten um das Jahr 1400 innerhalb der wehr­haf­ten Mau­ern. Unter der geschick­ten Füh­rung des kühnen Bür­ger­meisters Hein­rich Topp­ler erlangte die von einem be­achtlichen Terri­to­rium umgebene Stadt den Höhe­punkt ihrer Macht. Das reich­städtische Gebiet er­reichte im 15. Jahr­hun­dert eine Aus­deh­nung von 400 Qua­dratkilometern und um­fasste 167 Dör­fer.

      Wie viele andere Reichsstädte trat auch Rothenburg zum Protestantismus über. Der Übergang vollzog sich leicht und schnell, da der seit 1512 wirkende Prädi­kant Teusch­lein seit der Jah­res­wende 1522/23 einfach zur evan­ge­li­schen Pre­digtform überging und ihm ab 1524 ein evangelisch gesinnter Pfar­rer zur Seite trat.

      Die Stadtmauer wurde mit Spenden wiederaufgebaut

      In den beiden nächsten Jahrzehn­ten voll­zog sich ein Konfessionswechsel der gesamten Bürgerschaft. Die zwei­ma­lige Eroberung im Dreißigjährigen Krieg der auf Seiten der Pro­testan­ti­schen Union stehenden Stadt hat den Elan Rothen­burgs in wirt­schaft­licher wie po­li­tischer Hinsicht nach­hal­tig er­schüt­tert. Ein gutes Jahrhun­dert spä­ter war der Wehrwille offen­sicht­lich völ­lig ge­bro­chen: 1757, wäh­rend des Sie­ben­jährigen Krieges, reich­ten tat­säch­lich 35 Husaren unter der Füh­rung eines un­be­deutenden Leut­nants aus, um Rothen­burg ein­zu­nehmen und auszu­plündern.

      Im Jahre 1802 verdrängte der baye­ri­sche Rautenschild den Königsadler. Ab­seits der wich­tigen Verkehrsströme ver­harrte Rothenburg in seinen Mauern.

      Von den Segnungen des modernen Indus­triezeitalters vergessen, versank Rothen­burg in eine Art Dornrös­chen­schlaf. Erst der fulminante Aufstieg zur ro­man­ti­schen Tourismusmetropole be­en­dete diesen Dämmerzustand. Maler wie Ludwig Rich­ter und Carl Spitzweg streiften, auf der Suche nach der bie­der­meier­lichen Idylle, mit Zei­chenstift, Pinsel und Skizzenbuch durch die Stadt; wenige Jahre spä­ter strömten die durch Zeitungsberichte neugierig ge­wor­denen Kultur­rei­senden in Scharen her­bei. Ro­then­burgs Bürger begriffen schnell, wel­che Mög­lich­keiten der Frem­den­ver­kehr ihrem pittoresken Tau­ber­städt­chen bot. Man wollte „alles auf­bie­ten, um den Fremden den Auf­ent­halt in Ro­then­burg so an­ge­nehm als lieb zu ma­chen“. Hier­zu ge­hörte nicht nur, dass alt­ehr­wür­dige Hand­werks­mei­ster bei­nahe von ei­nem Tag auf den an­de­ren Frem­den­zim­mer ver­mie­te­ten, ganz Ro­then­burg wur­de in ein adret­tes und rein­liches Ausflugsstädtchen ver­wan­delt, die Mist­hau­fen jenseits der Stadttore ver­bannt und die glorreiche Stadt­ge­schich­te mit Schau­spielen und Le­gen­den über Heinrich Toppler und den Meis­tertrunk des Alt­bür­ger­meis­ters Georg Nusch auf­wendig in Szene ge­setzt. Der Erfolg blieb nicht aus: Das Tau­berstädt­chen gilt seither weltweit als das „Knus­per­häus­chen der deut­schen Seele“.

      Einen schweren Schlag musste Ro­then­burg noch kurz vor Ende des Zwei­ten Welt­kriegs hinnehmen. Es wurde von amerikanischen Flugzeugen bom­bar­diert und da­bei empfindlich getrof­fen: Mehr als 40 Prozent der Stadt - 300 Wohnhäuser, neun Türme und 750 Me­ter Stadtmauer - lagen in Schutt und Asche. Auch das Rat­haus wurde schwer beschädigt, die Fassade blieb jedoch un­versehrt. Die größ­ten Ver­lus­te hatte man im Areal zwischen Wei­ßem Tor­turm und Rödertor zu be­kla­gen. Das zer­störte Viertel wurde in An­leh­nung an den ursprünglichen Zu­stand wie­der auf­gebaut, wobei man vor allem bemüht war, den Verlust zu­min­dest op­tisch wett­zumachen.

      Die Meistertrunk-Legende

      Als Urheber der Meistertrunk-Legende gilt der Rothenburger Chronist Georg Heinrich Schaffert (1739-1794). Die historisch nicht belegte Episode aus dem Dreißigjährigen Krieg diente dem Lokalpoeten Adam Hörber als Grundlage für ein Schauspiel, das 1881 in Rothenburg uraufgeführt wurde. Die Zuschauer waren so begeistert, dass die Meistertrunk-Legende nicht nur einen festen Platz im städtischen Festkalender bekam, sondern schon we­nige Jahre später als Kunstuhr den Giebel der Ratstrinkstube zierte. Mehr­mals täglich zur vollen Stunde erscheint seither der Altober­bürgermeister Nusch in einem Fenster und leert einen Humpen Wein, während im Fenster auf der anderen Seite der Uhr der kaiserliche Feldherr Graf von Tilly er­staunt mit dem Mar­schall­stab winkt. Der über den Rothenburger Wider­stand verbitterte Tilly, so die Legende, wollte im Herbst 1631 die Stadt zerstö­ren und den Rat hinrichten lassen; bei der Übergabe des mehr als drei Liter fassenden Willkommenstrunks hatte er aber den Einfall, Gnade walten zu lassen, „wenn einer von Euch Kraft und Mut besitzt, den Pokal in einem Zug zu leeren“. Altoberbürgermeister Nusch trat hervor und gab eine Kost­pro­be seiner überwältigenden Trinkfestigkeit, woraufhin der schwer beein­druck­te Tilly von seinem Vorhaben abließ und die Stadt verschonte.

      ♦ An Pfingsten und an den Reichs­stadt-Festtagen im Herbst wird die Legende vom Meistertrunk gespielt, und Rothen­burg hüllt sich in ein mittelalterliches Flair. Infos und Termine unter www.meistertrunk.de.

Скачать книгу