Der Höllenhund. Фредерик Марриет
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Kurz kam herunter und untersuchte seinen vorgesetzten Offizier.
„Ist er tot?“ fragte der Korporal in größter Unruhe.
„Nein“, versetzte Kurz.
„Aber was ist denn mit ihm?“ fragte der Korporal.
„Betäubung“, antwortete Kurz.
„Mein Gott! Wie mag sich dies zugetragen haben?“
„Heruntergestürzt“, entgegnete Kurz.
„Aber was sollen wir mit ihm anfangen, Sir?“ erwiderte der Korporal.
„Ins Bett“, sagte Kurz, sich umwendend und nach seiner Hängematte gehend.
„Mein Gott, man kann ihn ja wegen des Hundes nicht ins Bett bringen“, rief der Korporal.
„Legen wir ihn nur hinein“, sagte einer der Seesoldaten. „Der Hund wird seinen Herrn nicht beißen.“
Die Seesoldaten erhoben daher den immer noch besinnungslosen Vanslyperken und warfen ihn geradewegs auf den knurrenden Hund, welcher sich, sobald er die Last abgewälzt hatte, dadurch für diese Unbill rächte, daß er seine Zähne mehr als einmal in die Backen seines Gebieters schlug, dann von dem Bette heruntersprang und sich knurrend unter dem Tisch versteckte.
„Ha, du bist mir ein sauberer Hund!“ rief einer der Seesoldaten, Snarleyyow nachsehend.
An Bord eines so kleinen Schiffes befand sich in der Regel kein Wundarzt. Herrn Vanslyperken war zwar eine kleine Menge von Arzneien, Salben und dergleichen vorgeschrieben, aber er pflegte sie stets an einen Apotheker zu verkaufen, sobald er sie von der betreffenden Behörde gefaßt hatte. Die Zähne des Hundes hatten übrigens ihre Wirkung getan, Herr Vanslyperken öffnete seine Augen mit dem matten Ausrufe „Snarleyyow“.
Oh, hätte der Hund auch nur einen Funken von Gefühl gehabt, wie bittere Vorwürfe würde ihm sein Gewissen über die Undankbarkeit gegen einen so gütigen Gebieter gemacht haben! Aber er zeigte keinerlei Reue.
Korporal Vanspitter zitterte ein wenig, als der Befehlshaber seine Augen auf ihn heftete, und verdoppelte seine Aufmerksamkeit.
„Mein Gott, Mynheer Vanslyperken, wie ist denn dies zugegangen?“ rief der Korporal pathetisch.
Der Leutnant befahl nun, daß alle, mit Ausnahme des Korporal Vanspitter, die Kajüte verlassen sollten, und teilte seinem Freunde mit, er sei, als er nach dem Vorderschiff gegangen, von einem der Matrosen durch die Luke hinuntergestoßen worden. Soviel er der Größe nach zu unterscheiden vermocht habe, müsse es Jansen gewesen sein. Korporal Vanspitter war hoch erfreut, seinen Befehlshaber auf der falschen Witterung zu finden, und bekräftigte durch seine Ansicht die des Leutnants, worauf eine lange Besprechung über Meuterei, Unzufriedenheit und die dagegen einzuschlagenden Maßregeln abgehalten wurde. Vanslyperken berührte die Zusammenrottung der Matrosen während der ersten Wache, und der Korporal war hocherfreut, sich die Gunst seines Leutnants dadurch zu gewinnen, daß er die Einzelheiten des Gehörten mitteilte und zugleich beifügte, daß er sich zum Zwecke des Lauschens verborgen habe.
„Und wo habt Ihr Euch verborgen?“ fragte Vanslyperken mit einem spähenden Blicke, denn es fiel ihm ein, daß es für einen so ungeheuer großen Mann kaum einen anderen Lauschwinkel geben konnte als das Segel.
Der Korporal zerstreute jedoch sehr gewandt die Bedenken seines Vorgesetzten, indem er angab, er sei auf der unteren Stufe der Fockleiter gestanden und habe den Kopf in gleicher Höhe mit den Lukenkämmen gehalten. Dies stellte das Vertrauen zwischen beiden wieder her.
7. Kapitel
Es waren drei Wochen einer teilweisen Windstille entschwunden, während welcher Zeit sich Herr Vanslyperken von seinen Wunden erholte und darüber nachdachte, wie er sich Smallbones vom Halse schaffen wolle. Der letztere genas gleichfalls von seinen Bissen und erwog bei sich, wie er mit Snarleyyow fertig werden könne. Der arme Junge hatte sein Amt wieder angetreten, der Leutnant, der über Unheil brütete, behandelte ihn sehr freundlich. Auch Snarleyyow, der seine Niederlage auf dem Halbdeck nicht vergessen hatte, unterließ es, seine Angriffe zu erneuern, selbst wenn Smallbones sich zu einem Stück Zwieback verhalf.
Die ‚Jungfrau‘ ankerte in den Dünen, Herr Vanslyperken erhielt Depeschen für Den Haag und eilte damit nach Amsterdam, wo er seine Beglaubigungsschreiben abgab und auf die Danksagungsbriefe von Seiner Majestät Vettern wartete.
Aber welch’ ein Getümmel und welch’ ein Gewühl gibt es nicht jetzt an Bord der ‚Jungfrau‘! Smallbones hier, Smallbones da — Vanspitter stampft wie ein Elefant umher, und sogar Snarleyyow spaziert ungewöhnlich oft durch die Luke auf und ab. Was mag es geben? Ach, Herr Vanslyperken geht ans Land, um der Witwe Vandersloosch seine Hochachtung zu bezeugen und seine Bewerbungen fortzusetzen. Sein Boot liegt bemannt neben dem Kutter, und er zeigt sich jetzt auf dem Hauptdecke.
Ist es möglich, daß dies Herr Vanslyperken sein kann? Himmel, wie schmuck er aussieht! Eine Uniform tut bei gewissen Leuten wahrhaftig Wunder! Er hat ein Paar weiter blauer Pantalons an und Stiefel darüber, die bis über die Knie heraufgehen, er trägt eine lange Scharlachweste mit großen Goldblumen, und seine blaue Uniform mit roten Aufschlägen gibt ihm eine gar gebieterische Außenseite. An dem breiten schwarzen Bandelier hängt sein Stutzsäbel, dessen Scheide mit Silber beschlagen, das Heft aber mit Elfenbein und Gold ausgelegt ist, während sein kleiner Kopf sich würdevoll unter einem dreieckigen, goldbordierten Hute ausnimmt, dessen vordere Spitze parallel mit seiner scharfen Nase geht. Zuverlässig muß die Witwe vor dem Scharlach, dem Blau und dem Golde ihre Farben streichen. Aber obgleich sich der Sage nach Frauenzimmer wie Makrelen durch derartige Köder fangen lassen, so halten doch Witwen nicht sonderlich viel auf einen Mann, der so dünn ist, wie ein Hering, sondern sind eher dafür bekannt, daß sie einen substanziellen Urstoff vorziehen und sich nicht bereden lassen, den Schatten für das Wesen zu nehmen.
Herr Vanslyperken war demungeachtet recht wohl mit sich zufrieden, was wenigstens etwas war, obgleich nicht genug für die gegenwärtige Gelegenheit. Er stolzierte selbstgefällig auf dem Deck hin und her, erteilte seine Schlußbefehle an Dick Kurz, der wie gewöhnlich kurze Antwort gab, besprach sich mit Korporal Vanspitter, der mit gewohntem militärischen Anstand die Wünsche seines Kommandeurs entgegennahm, und gab zum Schlusse Smallbones die nötigen Weisungen, welcher sie mit aller Demut anhörte.
Der Leutnant war eben im Begriff, in das Boot zu treten, als ihm ein Bedenken aufstieg und er verlegen Halt machte. Es handelte sich um einen nicht unwichtigen Punkt — ob nämlich Snarleyyow ihn begleiten sollte oder nicht. Eine schwierige Frage, die allerdings einige Überlegung forderte. Ließ er ihn an Bord, so wurde der Hund wahrscheinlich vor seiner Rückkehr über Bord geworfen — das heißt, wenn er Smallbones gleichfalls auf dem Schiffe ließ, denn Herr Vanslyperken wußte, daß es ausgemacht war, Smallbones solle das Tier töten. Es war daher nicht rätlich, den Hund an Bord zu lassen, wenn er ihn aber mit ans Land nahm, so drohte seiner eigenen Person große Gefahr, denn die Witwe Vandersloosch konnte den Hund nicht leiden. Kein Wunder, denn er hatte sich in ihrem Besuchszimmer schlimm aufgeführt, und die Frau war eine sehr reinliche Person, welche keine Freude daran hatte, wenn Hunde ihre Beine mit denen ihrer polierten Mahagonimöbel verglichen. Wenn Herrn Vanslyperkens Werbung nach dem alten Sprichwort: „Liebst du mich, so liebe auch meinen Hund“ zur Entscheidung kommen mußte, so hatte er zuverlässig nur eine schlechte Aussicht, denn die Witwe verabscheute den Köter und hatte es sich verbeten, daß er je in ihr Haus gebracht werde. Er konnte daher das Tier nicht mit ans Ufer nehmen