Christentum und Europa. Группа авторов

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Christentum und Europa - Группа авторов Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)

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sich anhand der Volkszählungsergebnisse für Österreich dennoch zeigen lässt, ist der Rückgang der Bevölkerung, die sich zur römisch-katholischen Kirche bekennt, die in Summe aber noch immer die stärkste religiöse Kraft in Österreich darstellt. In den ersten beiden Volkszählungen nach dem Zweiten Weltkrieg gaben noch fast 90% der Bevölkerung an, der römisch-katholischen Kirche anzugehören, 2001 waren es nur mehr rund 74 %. Die quantitativ zweitwichtigste Gruppe ist jene ohne Bekenntnis oder ohne Angaben. 1951 lag der entsprechende Wert noch bei rund 4%, 2001 bereits bei rund 15%. Einen quantitativen Rückgang verzeichnen auch die evangelischen Kirchen A.B. und H.B.: von rund 6% im Jahr 1951 auf knapp 5% im Jahr 2001, während die sich zum Islam bekennende Bevölkerung von statistisch nicht existent in der Nachkriegszeit auf 4% im Jahr 2001 zunahm. Schließlich ist die Steigerung der Gruppe der »sonstigen Bekenntnisse« zu erwähnen, die den Buddhismus ebenso mit einschließt wie die Zeugen Jehovas und 2001 bei 3% lag.

      Seit 2001 hat sich diese Entwicklung fortgesetzt und auch beschleunigt, wie eine Fortschreibung zeigt. Der Anteil der römisch-katholischen Gruppe ist von 74% im Jahr 2001 auf 64% im Jahr 2016 gesunken. Den größten Zuwachs verzeichnete die Bevölkerungsgruppe ohne religiöses Bekenntnis, deren Anteil von 12% im Jahr 2001 auf 17% im Jahr 2016 gestiegen ist. Sowohl die orthodoxen als auch muslimischen Bevölkerungsgruppen sind ebenfalls stark gewachsen. Der Anteil der Orthodoxen hat sich von 2% auf 5 %mehr als verdoppelt, und der Anteil der Muslime stieg von 4% auf 8%. Die relativen Anteile der Angehörigen sonstiger Religionsgemeinschaften und der 5%-Anteil der protestantischen Bevölkerung haben sich dagegen nicht verändert. Letzteres ist möglicherweise ein Effekt der Zuwanderung aus Deutschland, die das Sinken des österreichischen Anteils an den Protestanten kompensiert.

       2.2 Prognosen der wachsenden und schrumpfenden Religionsgemeinschaften

      Migration stellt eine wichtige Triebfeder der quantitativen Veränderungen der Religionsgemeinschaften dar. Anne Goujon, Sandra Jurasszovich und Michaela Potančoková haben das im Rahmen einer vom ÖIF in Auftrag gegebenen Studie akkurat und überzeugend simuliert.4 Sie haben die religionsgemeinschaftliche Zusammensetzung der Bevölkerung in Abhängigkeit von der Zuwanderung systematisch untersucht und unterschiedliche Simulationsrechnungen vorgelegt.

      Diese Berechnungen basieren auf einer Ausgangsbevölkerung nach Alter, Geschlecht und Religionszugehörigkeit, die anhand der Volkszählung 2001 erstellt wurde. Für die weitere Fortschreibung der Bevölkerung nach Religionszugehörigkeit benötigten sie drei grundsätzliche Angaben: die Anzahl der Geburten nach Alter und Religionszugehörigkeit der Mutter, die Anzahl der Sterbefälle nach Alter, Geschlecht und Religionszugehörigkeit sowie die Zuwanderung ebenfalls nach Alter, Geschlecht und Religionszugehörigkeit.

      Aufgrund der empirischen Analyse zeigte sich, dass die Unterschiede der Lebenserwartung nach Religionszugehörigkeit zu vernachlässigen waren. Alle leben im Durchschnitt gleich lang, ob Protestanten, Katholiken oder Muslime, wenn nach Männern und Frauen differenziert wird. Das überrascht vielleicht, ist aber ein Faktum. Die Autorinnen haben daher auf diese Differenzierung verzichtet.

      Wichtiger sind die Angaben über die Geburten nach dem Alter der Mutter und deren Religionszugehörigkeit. Die Protestanten zählen dabei zur Gruppe mit der niedrigsten Fertilität. Eine evangelische Frau bekommt durchschnittlich nicht mehr als 1,3 Kinder im Laufe ihres Lebens, eine muslimische Frau aber rund 2,3. Die katholischen Frauen bekommen mehr Kinder als die evangelischen, aber ebenso deutlich weniger als die Muslima.

      Schließlich nahmen die Autorinnen bestimmte Zuwanderungen nach Alter, Geschlecht und Religionszugehörigkeit an, wobei sich die Religionszugehörigkeit aus den Angaben über die Herkunftsgebiete ergibt. Kommt jemand aus Saudi-Arabien, dann werden 100% Muslime angenommen, kommt jemand aus Deutschland, dann nimmt man 30% Katholiken, 30% Protestanten, 30% Konfessionslose und 10% sonstige Konfessionen an, wie es der Randverteilung entspricht (random migrant assumption).

      Schließlich muss man noch die Säkularisierungstendenz nach Alter, Geschlecht und Religionsgemeinschaft anhand der offiziellen Zahlen über Kircheneintritte und Kirchenaustritte schätzen. Weil es so etwas wie Kircheneintritte oder Kirchenaustritte bei Muslimen nicht gibt und daher auch nicht gezählt werden kann, haben die Autorinnen die Ergebnisse einer in diese Richtung zielenden Frage des »Gender and Generation Surveys« verwendet.

      Goujon, Jurasszovich und Potančoková haben mehrere Szenarien gerechnet, wobei eines davon ausgeht, dass die internationale Migration bis 2021 zum Stillstand kommt – das ist unrealistisch, aber man benötigt immer ein Referenzszenario. Veränderungen der religiösen Struktur werden in so einem Fall nur mehr aufgrund der Mortalität, Fertilität und der religiösen Mobilität – sprich Ein- und Austritte – hervorgerufen. Was ist das Ergebnis? Die Gruppe der Konfessionslosen wächst am schnellsten und stellt 2046 fast ein Drittel der Bevölkerung dar, die Katholiken erleben den stärksten Rückgang auf knapp die Hälfte der Bevölkerung. Der Anteil der Muslime steigt aufgrund ihrer hohen Fertilität auf rund 12%, der Anteil der Protestanten sinkt auf rund 4%.

      Die Studienautoren haben dazu unter anderem ein Kontrastszenario berechnet. Sie gehen von der hohen Zuwanderung des Jahres 2015 aus – +100.000 Zuwanderungssaldo pro Jahr –, lassen diesen Saldo aber auf +50.000 langfristig sinken. Neben den traditionellen Herkunftsgebieten kommt die zusätzliche Zuwanderung – so die Annahme – aus dem Nahen Osten, Nordafrika (MENA) sowie den afrikanischen Subsahara-Ländern. Die Zusammensetzung der Zuwanderung verschiebt sich damit in Richtung Muslime. Es überrascht daher auch nicht, dass der Anteil der Katholiken sinkt und zwar bis 2046 auf 42% und der Anteil der Muslime auf 21% steigt. Konfessionslose werden ebenso 21% ausmachen und Protestanten stagnieren bei rund 5%. In Wien steigt der Anteil der Muslime sogar auf 30% und wäre damit die Religionsgemeinschaft Nummer 1 vor den Konfessionslosen (24%) und den Katholiken (22 %).

      So ein Szenario ist nicht sehr realistisch, denn die Politik hat erfolgreich das offene Tor aus Richtung Nordafrika und Naher Osten geschlossen. Das empfinden manche Kirchenvertreter und manche NGOs als nicht fair und nicht menschenrechtskonform, aus einer demographischen Perspektive ist das aber verständlich: Ein durch Zuwanderung induziertes Bevölkerungswachstum wie jenes von 2015, welches gleichzeitig eine nur mäßig qualifizierte Zuwanderung war, würde die Republik über einen längeren Zeitraum in einen erheblichen Wachstumsstress bringen, der im Bereich Schule, Wohnen, Arbeitsmarkt und Sozialleistungen besondere Anstrengungen und finanzielle Ausgaben notwendig machen würde. Auch muss man darauf aufmerksam machen, dass die Ergebnisse eine begriffliche Einheitlichkeit über die Religionsgemeinschaften suggerieren, die es so gar nicht gibt. Gerade bei den Muslimen ist die Spannweite zwischen traditionellen Wahhabiten auf der einen Seite und den liberal und säkular eingestellten Muslimen auf der anderen Seite sehr groß. Die Szenarien können dies aber nicht abbilden, weil darüber auch keine verlässlichen Daten vorliegen.

      Unabhängig davon sind die Tendenzen klar und eindeutig: Es kommt mit Sicherheit zu einem Rückgang der christlichen Glaubensgemeinschaften, zu einer Zunahme der Muslime und insgesamt auch zu einer Zunahme der religiösen Pluralität. Das gilt nicht nur für Österreich, sondern gleichermaßen auch für Deutschland, die Schweiz, Frankreich und viele andere Staaten Europas.

       3. Wachsende religiöse Pluralität – konkrete Konflikte

      Die wachsende religiöse Pluralität ist ein Faktum. Unabhängig davon kann aber auch nach einer gesellschaftspolitischen Bewertung gefragt werden: Ist Pluralität ausschließlich Bereicherung oder ist Pluralität auch konfliktbeladen? Und wie sollen die öffentliche Hand und die Politik mit der wachsenden Pluralität umgehen?

      Die erste und allgemeine Antwort lautet: Pluralität ist Bereicherung und kein Problem, wenn der Staat sich weiterhin religionsneutral verhält, wenn die Trennung von Staat und Kirche konsequent betrieben wird, und wenn sich die Religionsgemeinschaften bei

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