Ein Bettler baut eine Stadt. Robert Heymann

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Ein Bettler baut eine Stadt - Robert Heymann

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Ratschläge des Martha-Lee-Klubs für Frauen. Plötzlich: „Verbrechen in der Bowery? Wer ist der Entführer? Wer ist die schöne Unbekannte? Das Rätsel hinter der Holztür über dem Restaurant zur ‚Goldenen Küste‘.“

      Amerikanische Schnelligkeit! Reporterfixigkeit!

      Knut knüllt die Zeitung zusammen. Sie sind ihm also schon auf den Fersen! Langsam glättet er das Papier wieder und liest:

      „In dem allen Neuyorkern bekannten Restaurant Gold Coast ereignete sich heute nacht ein ganz ungewöhnlicher und mysteriöser Vorfall. Aus einer kleinen Wohnung über Chen-Kien-Suans Restaurant entführte ein Unbekannter eine Frau, nachdem er die Tür gewaltsam erbrochen hatte. Er stürmte mit seiner Beute auf die Straße und jagte in einem Taxi fort. Obgleich um diese Zeit die Straße belebt war, hat niemand den Verbrecher gehindert. Alles vollzog sich nach Aussagen von Augenzeugen so schnell, daß niemand eingreifen konnte.

      Es ist die höchste Zeit, daß die Polizei ganz energisch gegen das Verbrechertum vorgeht. Neuyork steht nicht mehr hinter Chikago zurück. Wir haben aber nicht den Ehrgeiz, in einer Stadt zu wohnen, in der das Verbrechen allmächtig triumphiert. Oder sollen die Zeiten des Roten Ben wiederkommen, in denen Straßenschlachten etwas Alltägliches waren?“

      Kopfschüttelnd las Knut. Die interessante Lektüre wurde durch ein Inserat der Firma Whitman & Co. unterbrochen, die für besondere Fälle einen Feigensirup von nie versagender Wirkung anbot – – –

      Schon fesselte eine weitere Notiz Knuts Aufmerksamkeit, steigerte seine Erregung:

      „Neue Feststellungen zu dem Mädchenraub!“

      Inspektor Garde hat einen Fund gemacht, der die schlimmsten Befürchtungen erweckt. An einer Straßenbiegung, nicht weit ab von der Bowery, fand der Beamte gegen Morgen auf der Straße einen Haarschmuck von seltenem Wert. Die Brillanten repräsentieren ein Vermögen, das unsere Sachverständigen auf 50000 Dollar schätzen. Die Unglückliche ist also beraubt worden. Detektive sind auf der Suche nach dem Taxi. Man vermutet, daß der Chauffeur zu den Verbrechern gehört und der Wagen ein maskiertes Privatautomobil war.“

      Und nach einer Bekanntgabe der Edolf-school, die einen neuen Lehrer suchte:

      Unsere Redaktion sucht das Rätsel zu lösen. Kampf zweier Verbrecherbanden?

      „Unser Korrespondent begab sich kurz vor der ersten Ausgabe unseres Blattes in die Bowery zum Restaurant Gold Coast. Die Polizei war schon zur Stelle. Chen-Kien-Suan hat mit der Sache nichts zu tun. Die Wohnung über dem Speisehaus ist von Unbekannten gemietet worden. Es handelt sich um zwei Männer, nach denen die Polizei ebenso fahndet wie nach dem Entführer der Entführten.

      Es scheint sich um einen Kampf zwischen zwei verschiedenen Verbrecherbanden zu handeln, denn nach Aussage Sung-hens, des Geschäftsführers Chen-Kien-Suans, gleicht der Entführer keinem der beiden Mieter, die Sung-hen wohl gekannt hat. Man nimmt nun an, daß die Unbekannte erst von der einen, dann von der anderen Bande geraubt wurde, deren Führer der Mann von heute nacht war. Er hat sich als Tellerwäscher engagieren lassen, offenbar um den geeigneten Augenblick für die Tat abzuwarten und die Örtlichkeit in aller Ruhe zu studieren.“

      Zwei Stunden später schrien Boys in den Straßen neue Einzelheiten der phantastischen Begebenheit aus, für die sich schon ganz Neuyork interessierte.

      „Die Entführte, ein Opfer des Opiums?“

      „Im Restaurant Gold Coast hat die Polizei ein Geheimzimmer gefunden, in dem Angehörige der oberen Fünfhundert sich zusammenfanden, um dem Opiumgenuß zu huldigen. Es scheint, daß es sich um eine Sekte handelt, die einer chinesischen Organisation nachgebildet ist.“

      „Die zwei Hauptschuldigen sind verhaftet!“

      „Die Polizei hat die beiden Mieter der mysteriösen Wohnung in der Bowery bereits ausgekundschaftet. Bei Redaktionsschluß werden sie vom Schnellrichter Jafferson verhört. Es sind Peer Wichman und Harry Seal, dieselben, die vor kurzem in den großen Gangster-Prozeß verwickelt waren. Wichman ist Anführer einer Bande, die seit Jahren Neuyork unsicher macht. Er hat das Geschäft von seinem Freund Samuel Hick geerbt, dessen Kompagnon er war, bis Hick in einem nächtlichen Straßenkampf von der Polizei erschossen wurde. Beide leugnen bis jetzt, die Gefangene zu kennen. Aber man wird sie beim Verhör ‚dritten Grades‘ schon zum Sprechen bringen.“

      Knut Storting schob die Unterlippe vor. Mögen sie suchen! Er hat kein Verlangen, in allen Zeitungen genannt zu werden. Und die schöne Unbekannte hegte offensichtlich die gleiche Abneigung gegen das millionenmal vervielfältigte Porträt. Er handelte in ihrem Sinne, wenn er schwieg.

      Um zwölf Uhr meldeten die Zeitungen, daß die Verbrecher noch energisch verhört würden. Die Polizei vermute, daß hinter Wichman und Seal eine besondere Persönlichkeit stehe. Diese Zusammenhänge gelte es aufzudecken.

      Knut beschloß, die Unbekannte aufzusuchen und ihre Erlaubnis einzuholen, sich der Polizei zur Verfügung zu stellen. Eine unerklärliche Unruhe trieb ihn fieberhaft umher.

      Er aß kaum. Wartete den ganzen Tag. Aber keine Nachricht kam.

      Sie hat die Adresse vergessen, dachte er. Das ist ja nur natürlich. Warum habe ich sie ihr nicht aufgeschrieben? Es ging aber alles so unwirklich schnell. – Immerhin: er hatte sich ihre Adresse gemerkt. Gegen Abend pilgerte er hinaus nach dem Osten.

      Das Haus fand er schnell. Ein Mann stand im Flur. Er las einer Gruppe von Männern vor, daß der Chikagoer Polizeipräsident erschossen worden sei. Er hatte dem Syndikat der Rumschmuggler Kampf bis aufs Messer angesagt. In dem Neuyorker Entführungsprozeß sei man noch nicht weitergekommen. Die verhafteten Verbrecher weigerten sich entschieden, den Mann zu nennen, der hinter ihnen stand.

      Dumpfe, stickige Luft herrschte in dem Treppenhaus. Knut fand nach langem Suchen die Tür des Hausverwalters. Er klingelte.

      Mit schlürfenden Schritten kam eine alte Frau und öffnete.

      „Was ist los?“

      „Ich suche eine Miß Violet!“

      „Aber bei mir doch nicht!“ Die Alte will die Tür zuwerfen.

      Knut sucht zu erklären. „Eine Dame, die hier wohnt – eine sehr elegante, schöne Frau mit dunklen Augen – sie dürfte sehr reich sein.“

      Da wendet sich die Frau ins Innere der Wohnung: „Jonny, komm’ doch mal heraus und bringe den verrückten Kerl weg.“

      Eine vierschrötige Männergestalt wird hinter ihr sichtbar.

      „Was will er?“

      Wieder berichtet Knut, er suche eine sehr elegante, schöne Dame, die in diesem Haus wohnen wollte.

      Der Riese kommt dicht heran.

      „Wenn ich Sie wäre, ich drehte um und würde schleunigst verschwinden! Hier sind Sie sicher nicht in dem richtigen Hause. Wir kennen hier keine vornehmen Damen. Wir wollen auch nichts mit ihnen zu tun haben!“

      Knut stieg die Treppe empor.

      Im ersten Stock standen zwei Frauen. Er trat zu ihnen, fragte, beschrieb.

      Die beiden sahen ihn mißtrauisch an. „Hat sie Ihnen etwas gestohlen?“

      „Nein – ich suche sie nur so – – –“

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