Digital lehren. Thomas Hanstein

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Digital lehren - Thomas Hanstein

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das heißt (…), das, was ich mache, ist nicht einfach irgendwo virtuell und kommentarlos (…), sondern es wird von den anderen mitgetragen und kommentiert (…) dadurch fühlt sich das dann wieder echt an und weil dieses Feedback, diese Rückmeldung durch die anderen dann eben echt ist. So ein Nähegefühl stellt sich dann ein. Ich finde, dass trotz dieser räumlichen Distanz eine persönliche Nähe entsteht mit den anderen“ (Lanig 2019, Anhangband 3, S. 67).

      Das bedeutet zum Zweiten: Kompetenzbildung ist soziale Bildung, ist ein Lernen mit- und voneinander. Die moderne Schulpädagogik unterscheidet in verschiedene – meist drei – Niveaustufen, die sich durch alle Phasen und Inhalte ziehen. Was für Lehrende einen großen Aufwand darstellt, wird von Schülern in der Regel schnell angenommen. Denn es fördert sie in ihrer Eigenständigkeit, sich für Niveaus zu entscheiden, vor allem aber die Selbsteinschätzung im jeweiligen Fachgebiet. An solchen Erfahrungen im analogen Raum lässt sich erkennen: Kompetenzaufbau bedarf der Reflexion. Für den schulischen Bereich heißt diese Erkenntnis, eine noch größere Bedeutung auf Lernberatungsgespräche – oder Lerncoachings, die Bezeichnungen variieren je nach Schulart und Bundesland – zu legen. Unsere Unterrichts- und Coachingerfahrungen im virtuellen Raum lauten an dieser Stelle: Zugewandtheit und Empathie „gehen“ auch im „Homeschooling“. Auch wenn die Sinne durch die Technik eingeschränkt sind, man sich nicht physisch „riechen“ kann, ist es möglich, sich „persönlich“ zu begegnen, sich „anzuschnuppern“ und „riechen zu lernen“ – weitere O-Töne von Lehrenden im Kollegialen Coaching. Wenn Empathie ein „Mitschwingen“ bedeutet (vgl. Hanstein, 2016, S. 22), ist dieses „Einschwingen“ auf die anderen und die Atmosphäre im Raum auch über virtuelle Formate möglich – eben nur anders und in einer veränderten Zeit.

      Die Persönlichkeits-System-Interaktionen-Theorie (PSI) von Julius Kuhl integriert neuere Ansätze aus der Motivations- und Persönlichkeitsforschung und den Neurowissenschaften. Kuhl arbeitet mit dem Konzept der Handlungs- und Lageorientierung (vgl. Storch/Kuhl, 2013). Es geht davon aus, dass die Fähigkeit zur Selbststeuerung des Menschen von seinem Grad der Handlungs- bzw. Lageorientierung abhängig ist. Eine selbstgesteuerte Regulation der Affekte ist demnach nur in der Handlungsorientierung möglich. Menschen indes, die ihre Affekte nicht selbstgesteuert verändern können, verharren in der – ggf. unerwünschten – affektiven Lage, und in den entsprechenden Mustern. Junge Menschen aus dieser sozialen „learned helplessness“ durch Bestätigung und kleine, selbst erlangte Erfolge nach und nach herauszuführen und die alten Muster in neue Lernerfahrungen zu überführen, ist nicht nur eine pädagogische, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Sie könnte „nach Corona“ gar noch größer und wichtiger sein. Dabei ist es immer wieder beglückend zu erleben, welche persönlichen Schübe junge Menschen machen können. Diese Erfahrung gilt gleichermaßen für den schulischen Bereich wie für die virtuelle Fernlehre:

      „Wie kann das sein, einen Zweier in Deutsch? Ich hatte mein Leben lang nur Vierer, meistens Fünfer. An dieser Schule und bei Ihnen läuft es irgendwie anders. Ich hab’ keine Ahnung woran das liegt“ (Berufsschüler, der im Übergangssystem [berufliches Vorbereitungsjahr] zuerst den Hauptschulabschluss erworben hat, dann [über die Berufsfachschule] den mittleren Bildungsabschluss, und schließlich seinen Weg ins berufliche Gymnasium [Abitur] gegangen ist).

      „Und das ist irgendwie nicht nur so ein Studium, es ist auch so ein bisschen wie so ein (tiefes Einatmen) … also wie so ein total abgefahrener riesengroßer Selbstfindungstrip auf der kreativen Ebene, die natürlich aber eben auch sich in andere, ja, Persönlichkeitsbereiche mit hinüberzieht“ (Lanig 2019, Anhangband 3, Abs. 50).

      Es geht uns um eine vergleichende Parallelführung Ihrer bisherigen Lehrerfahrung und den anschließenden Transfer in die virtuelle Lehre. Damit baut sich diese Zukunft auf dem Fundament ihrer bisherigen Lehrerfahrung auf. Es wäre nämlich widersinnig, seinen charakteristischen Duktus zugunsten einer Mediatisierung und Technisierung der Lehre aufzugeben – es soll vielmehr umgekehrt darum gehen, dieses Potenzial auf eine digitale Ebene zu führen.

      Daher möchten wir an dieser Stelle ein Konzept wiederholen, das einen planerischen Kern unsere Arbeit ausmacht und daher nicht neu ist. Aber gerade, weil es ein Kernbestand ist, ist es hier wert, wiederholt zu werden: Das Sandwichprinzip.

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      Abb. 8: Zeitliche Unterrichtskonzepte durch das Sandwichprinzip

      Die Überlegung beginnt mit einer lernpsychologischen Grundlage: Wie lange können wir unsere Aufmerksamkeit auf ein Thema richten? Die Lernpsychologie sagt uns, dass dies maximal 15 Minuten sind. Daher schichten bzw. „sandwichen“ wir: Dieses strukturbildende Element bildet den Grundaufbau für eine 45-minütige Unterrichtsstunde, die ihrerseits aus einer für die Lernenden rezeptiven Phase (z. B. einem Theorie-Impuls) von etwa 15 Minuten besteht und einer anschließenden für den Lernenden aktiven Phase des Verarbeitens, Speicherns und Anwendens. Aufgaben und Übungen müssen sein, um die Informationen wirklich bei den Lernenden ankommen zu lassen und aktiv zu Erkenntnissen zu verarbeiten. Dabei spielen die subjektive Aneignung über eigene Ideen sowie das wechselseitige Gespräch in der Lerngruppe eine zentrale Rolle. In diesem gemeinsamen Tun, nämlich dem gemeinsamen Nachdenken und Üben, entsteht der eigentliche Lernertrag. Im gelungenen Fall verbindet sich die positive Lernerfahrung der aktiven Phase mit dem zunächst passiv angebotenen Theorie-Impuls.

      Daran schließt sich ein erstes Dilemma an: Gerade in der virtuellen Lehre ist die vermeintliche Passivität der Lehrperson in der Einzelarbeit oder Gruppenarbeit noch schwerer auszuhalten – gerade dann, wenn Sie eine stark kommunikationsorientierte Lehrperson sind. Dennoch ist es wichtig, am grundsätzlichen Methodenmix festzuhalten, der sich aus der Grundstruktur unserer Aufmerksamkeit in den Viertelstunden-Einheiten ergibt.

      Dabei sei gerade den kommunikationsstarken Kollegen die vorbereitende und nachbereitende Phase ans Herz gelegt: Das Benennen von Zielen, das Erörtern des inhaltlichen Kontextes der Unterrichtsinhalte sowie der Ablaufplan des Unterrichts ist eine zentral wichtige Tätigkeit: Hier stellen sich die Lernenden auf das Thema ein, als Lehrperson aktivieren Sie deren Vorwissen und knüpfen an vergangene Schulstunden und Vorlesungen an. Dieses Abholen ist im „Sandwichdeckel“ einer virtuellen Veranstaltung sogar noch wichtiger. Denn hier ist es die Aufgabe, die Lerngruppe aus einem privaten, familiären Zusammenhang in eine halböffentliche Lehrveranstaltung zu bringen. Analog dazu ist die nachbereitende Phase des „Sandwichbodens“ gleichermaßen eine der Lehrperson zufallenden Moderationsaufgabe: In dieser Ergebnissicherung fassen Sie Thema und Ertrag zusammen, formulieren zentrale Erkenntnisse und schaffen einen Ausblick in kommende Veranstaltungen. Im virtuellen Feld hat dies zusätzlich den Anspruch, eine nicht abziehbare Zwischenzeit zu planen.

      Erfolgreiche selbstorganisierte Lernformen leben von einer organisierten Vorbereitung und einer strukturierten Durchführung. Für gehirngerechtes Lernen ist es dabei wichtig, solche Strukturen zu nutzen, die sich lernförderlich visualisieren lassen. Die einzelnen Steps des Lernprozesses werden im Advance Organizer als Art Landkarte dargestellt. Entscheidend ist, dass der Lernprozess als nicht linearer abgebildet wird. Ähnlich wie bei der Ausbildung neuer synaptischer Verknüpfungen im Gehirn des Lernenden wird im Advance Organizer vorhandenes Vorwissen an neue Lerninhalte angebunden, sodass dem Lernenden eine erweiterte Struktur angeboten wird. Ähnlich einem Brainstorming oder Mindmap werden zur Erstellung dieser Struktur begriffliche und graphische Assoziationen, Bilder und Symbole herangezogen. Denn das Gehirn baut sein Wissen anhand vorhandener Schemata auf. Die nach dem Prinzip des Advance Organizer entstehende Lernlandkarte macht die Vernetzung der Stoffgebiete anschaulich, bindet neue Inhalte in bestehende (neuronale) Strukturen ein, und schafft so die Voraussetzung für Transfer und Langzeitwissen.

      Eine aus diesem lernpsychologischen Grund beliebte Software ist „Prezi“. Hier kann in einem recht überschaubaren Rahmen ein großes

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