Digital lehren. Thomas Hanstein

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als Begründung für die Zugänglichkeit zu nehmen. Denn in diesem Zitat wird exemplarisch die Individualisierung als zwischenmenschlicher Zugang rückgemeldet. In den einzelnen Schritten dieser Entwicklung sind biografische Entwicklungen zu sehen, die sich in den Handlungen der Lernenden zeigen. Die empathische Nähe von Lehrenden und Lernenden ist ein Anspruch, der gerade in der vermeintlichen „sozialen Distanz“ eines digitalen Lerngeschehens eine hoffnungsvolle Renaissance erlebt.

      Mit der dritten Leitfrage des Elementarisierungsansatzes greift der Lehrende in der Planung seines Unterrichts noch weiter aus: zur Perspektive der elementaren Zugänge.

      Im Beispiel des Faches Ethik bezieht diese Perspektive Modelle des „moralischen Urteilens“ (z. B. von Lawrence Kohlberg, Fritz Oser, Detlef Garz, Tilmann Habermas o. a.) in die Adressatenanalyse mit ein.

      Entwicklungspsychologische Grundlagen sind hierbei zu berücksichtigen, sodass sich ein Unterricht in der Sekundarstufe I bereits von den Zugängen der Lernenden her ganz anders gestaltet als in der Oberstufe. Analog verhält es sich zur Hochschullehre.

      Mit der vierten Fragestellung ist zweifelsohne eine theologische Besonderheit angeschnitten: die Frage nach den elementaren Wahrheiten.

      In der angedeuteten ethischen Unterrichtseinheit gab ein junger Mann bereits in der zweiten Woche der Corona-Krise seine Einschätzung bekannt: „Also, das kann kein Land mehrere Monate so durchhalten. Die Wirtschaft ist dann doch am Boden.“

      Politik und Gesellschaft befanden sich in einer neuartigen Situation. Es gab keine Erfahrung, auf die man sich hätte berufen können; natürlich auch kein Schulbuch, das hierfür geeignet gewesen wäre. Mit anderen Worten: kein Richtig und kein Falsch. Die wahrhaftige Meinung der Lehrenden ernst zu nehmen und zum „Thema“ des Unterrichts zu machen, stärkt deren Kompetenzen – und zwar alle.

      Die fünfte Perspektive des Elementarisierungsansatzes fragt – erst jetzt, allein das ist wichtig wahrzunehmen – nach den elementaren Lernformen.

      Aufgrund der persönlichen Betroffenheit wurden die angesprochenen Ethikstunden zu Beginn stets von den alltäglichen Erfahrungen her aufgebaut: „Wie kommen Sie und Ihre Familienmitglieder mit den Einschränkungen klar?“ – „Wo besteht bei Ihnen im Ort Unterstützungsbedarf und wer kümmert sich darum?“ – „Mit wem sprechen Sie sich über Ihre Empfindungen aus?“ Zusätzlich wurden vom Lehrer Fallbeispiele aus der lokalen Presse vorbereitet und an passenden Stellen eingeführt.

      Auch wenn beide Ansätze unabhängig voneinander entstanden sind: Die Elementarisierung führt automatisch in die Handlungsorientierung. Denn sie nimmt die Lernenden als Subjekte, Akteure und – mehr noch – Experten des Lern- und Bildungsprozesses ernst. Was so leicht über die Lippen geht, ist weder Methodik noch Didaktik – sondern pädagogische Haltung.

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      Abb. 4: Hand in Hand: Zweck und Ziel

      „Jemand agiert mit jemandem, in bestimmter Weise, in einer bestimmten Situation, in Bezug auf etwas, mit einem bestimmten Zweck und Ziel“ (Pfister, 1993, S. 38).

      Mit diesem anschaulichen Satz beschreibt der Pädagoge Hans-Jürgen Pfister die konkreten Auswirkungen dessen, was unter dem Namen Handlungsorientierung bekannt geworden ist. Mit diesem berufspädagogischen Unterrichtskonzept knüpfte die Erziehungswissenschaft an wesentlichen Erkenntnissen aus der Philosophie und Anthropologie an: Die Schweizer Hans Aebli und Jean Piaget hatten beispielhaft auf den dialektischen Zusammenhang von Denken und Handeln verwiesen. Demnach sei der Ursprung des Handelns nicht im Denken zu sehen – sondern genau anders herum: Der Vorgang der Assimilation beschreibt demnach die Anpassung der Inhalte, welche die Umwelt bereithält, an die eigene kognitive Struktur. Der Prozess der kognitiven Akkommodation ist wiederum die Anpassung der eigenen kognitiven und sensomotorischen Fähigkeiten an die Inhalte, welche die Umwelt bietet. Entscheidend ist der dialektische Charakter dieser Wechselbeziehung beider Bewegungen. Denn er bietet ein treffendes Bild dafür, wie handlungsorientierter Unterricht aussehen sollte: Lernenden wird es – durch eine entsprechende Planung und Durchführung des Unterrichts – ermöglicht, über – ihrer Entwicklung gemäße – Handlungsprozesse zum Aufbau innerer Denkstrukturen zu gelangen (vgl. ebd.).

      Dieses Wechselspiel von Assimilation und Akkommodation eignen sich die Lernenden im berufsbildenden Bereich in der Auseinandersetzung mit der berufspraktischen Relevanz des Gelernten an. Ein lebenspraktisches Beispiel aus dem Bereich Grafik kann dies beispielhaft verdeutlichen:

      „Ich denke so: ‚Hey ich habe doch für Semantik jetzt das so und so gemacht‘ (…) Ich frage mich, wie wäre es, wenn ich das irgendwie mit in meinen Berufsalltag integrieren könnte. Wo mein Chef dann auch mich mal anguckt und sagt: ‚Wo hast du denn jetzt diesen Move her …?‘“ (Lanig, 2019, Anhangband 1, S. 46)

      Dieses Verständnis mündet in einer pädagogischen Haltung, das Lernen grundsätzlich als lernendes Handeln zu verstehen – was meint: als selbstgesteuertes, als entdeckendes und als reflektiert-reflektierendes Lernen. Damit lässt sich handlungsorientiertes Lernen als ganzheitliches Lernen definieren, „bei dem kognitive, affektive und psychomotorische Lernprozesse ineinander verzahnt sind, möglichst viele Sinneskanäle angesprochen werden, soziale Lernprozesse die individuellen Lernaktivitäten ergänzen und in Lernaufgaben eingebunden sind, die mehrere Wissensbereiche umfassen“ (Henning/Schannewitzky, 1994, S. 52). Handlung zielt also – auch im berufsbildenden Kontext – nicht rein auf das Produkt ab. Dieser Hinweis scheint wichtig, weil gerade in der beruflichen Ausbildung und in Studienfächern mit praktischer Ausrichtung auch immer die Gefahr „Materialisierung“ von Bildung besteht – wird doch in diesen Bereichen in erster Linie für den „Markt ausgebildet“ (allein das Verb ist verräterisch).

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      Abb. 5: „Das magische Dreieck der Handlungskompetenz“ nach Wolff

      Das grundsätzliche Ziel handlungsorientierten Unterrichts und – hier auch für den virtuellen Kontext geforderter – handlungsorientierter Lehre besteht in der kreativen Erweiterung der (schon qua Mensch bestehenden) Handlungskompetenz der Lernenden – als Subjekte des Bildungsprozesses. Nach dem so genannten „magischen Dreieck der Handlungskompetenz“ erstreckt sich diese auf die Subkomponenten Fach-, Human- und Sozialkompetenz. Hinzu kommen die instrumentalen Kompetenzen Methoden-, Lern- und Sprachkompetenz. Nach dem Grundsatz, dass das Denken aus dem Handeln hervorgeht, gelangen die Lernenden durch die Wechselwirkung der drei Subkomponenten und mit Hilfe der – in Lernprozessen erworbenen und weiterentwickelten – instrumentalen Kompetenzen zum eigentlichen Ziel des handlungsorientierten Unterrichts: zum handlungskompetenten Individuum (vgl. Wolff, 1996, S. 17–19).

      Die Wechselwirkung der Kompetenzen im handlungsorientierten Ansatz macht den Sitz und die Bedeutung der – in einem Methodenbuch wesentlichen – Methodenkompetenz deutlich. Sie besitzt eine sozusagen „dienende“ Funktion. Das ist keine Herabsetzung, es bewahrt nämlich vor einem Methodenzauber, der am Ziel vorbeigehen würde. Und dieses heißt: die „Bereitschaft und Fähigkeit (…) in privaten und beruflichen Situationen (…) sachgerecht zu handeln“ (ebd., S. 19). Denn genau darin gibt sich das handlungskompetente Subjekt zu erkennen. Dass dieser Prozess im Grunde kein Ende hat, mag vielleicht manch ehrgeizigen Junglehrer ernüchtern. Doch darin zeigt sich das humanistische Erbe dieses Ansatzes, das – genau genommen – auch viel

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