Digital lehren. Thomas Hanstein

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der Atmosphäre und natürlich auch von dem eigenen Umgang mit der Besucher- und Bewertungssituation abhängig, ebenso wichtig ist aber die klare, von den methodisch-didaktischen Überlegungen gesteuerte Strukturierung. Und diese wird umso präziser, je klarer das Verständnis über Methodik und Didaktik ist. In der Regel zieht sich ansonsten diese Unschärfe – bei allem gründlichen Korrekturlesen als Mentor – durch das Unterrichtsgeschehen, teils in die Formulierung der Arbeitsaufträge, in den Umgang mit unvorhersehbaren „Störungen“ … sowie in die im Prozess sich ergebende Änderung der Zielebene hinein.

      Im Gespräch mit einer virtuell Studierenden wurde deutlich, wie sehr die Aneignung des persönlichen Bildungsziels und die tagtägliche Verwirklichung im Unterrichtsgeschehen eine tragende Rolle spielen:

      „Das Lernziel sei das und das und das (…) es ist für mich das persönliche Lernziel ein anderes, würde ich sagen. Das hat weniger nur mit Nachahmen zu tun, sondern einfach auch damit, was man über sich selber lernen möchte“ (Lanig, 2019, Anhangband 3, S. 29).

      Interessant ist daran, auf welche Weise die Studierende eine Abgrenzung der Aneignung zum „Nachahmen“ zieht. Dass diese Subjektivierung in der virtuellen Lehre eine ganz neue Sicht auf die im Grunde alte Forderung der Individualisierung von Unterricht wirft, zeigt sich im Distanzlernen ganz besonders. Dieser Bogen in der Historie der Didaktik soll an dieser Stelle geöffnet werden:

      Didaktik als Wissenschaft des Lehren und Lernens entstammt dem griechischen Wort – für „Lehren“ – didáskein. Dieser Ursprung verweist darauf, dass es bereits in der antiken Bildung selbstverständlich war, sich differenziert Gedanken darüber zu machen, was Lehre bedeutet und wie Lernen funktionieren – oder um es weniger mechanistisch zu formulieren: glücken – kann. Dieses Erbe sehen wir als Verpflichtung. Denn jeder Praktikant, Referendar und auch noch Junglehrer kennt das Phänomen, tagelang nach „geeignetem Material“ Ausschau zu halten, Arbeitsblätter zu bunkern, zum pädagogischen „Jäger und Sammler“ zu werden – um darüber diese Grundfrage leider aus dem Auge zu verlieren. Nimmt man – beispielhaft – die Leitfrage von Hilbert Meyer und Werner Jank zugrunde, so wird die Einschränkung dieser oft tagelangen Suche und (vermeintlichen) Optimierung deutlich:

      Wer soll was, wann, von wem, mit wem, wo, wie, womit und wozu lernen?

      So lässt sich nach den beiden Schulpädagogen Didaktik in einem Satz fassen (vgl. Meyer/Jank, 1994, S. 17). Sowohl für den klassischen Lehrer in Ausbildung als auch – in diesem Kontext – für den ins Virtuelle einsteigenden Kollegen kann diese Leitfrage die Struktur und Priorisierung vorgeben. Beispielhaft lag in der angeführten Bemerkung die – klassische – Verengung auf das „Was“ vor, das Diktum von Hilbert Meyer und Werner Jank indes kann den Blick zuallererst auf die Gruppe – das „Wer“ – lenken. Denn mit dieser „Adressatenanalyse“ sollte jede gute Planung beginnen. Die zitierte Kollegin in Ausbildung hatte ihren Unterricht für die konkrete Klasse zu „steil“ angelegt. Die Schüler gingen – um nicht zu sagen: „spielten“ – zwar mit, aber ihre Antworten waren nicht authentisch.

      Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass der Unterschied zwischen Methodik und Didaktik damit noch nicht beantwortet ist. Seit Comenius – der als „Vater der modernen Didaktik“ gilt (und die Kunst des Lehrens übrigens auch noch von der Kunst des Lernens – „Mathetik“ – abgegrenzt hat), haben sich viele „Didaktiken“, didaktische Schulen und Modelle entwickelt. Obwohl dies pädagogisch bedeutsam war, hat das aber auch einen Haken: Unübersichtlichkeit. Ein Lehramtsstudent sagte am Ende seines Schulpraktikums:

      „Vielen Dank, ich habe bei Ihnen so viele Methoden kennengelernt. Das lief immer wie von selbst bei Ihren Schülern. Und die Methoden haben immer auch zu klasse Ergebnissen an der Tafel geführt. Ich denke, ich habe meine Didaktik genial verbessert. So kann ich gut in’s Ref. einsteigen und werde es sicher auch top hinkriegen.“

      Diese Begeisterung für Methoden bestätigte ein Studienleiter wie folgt:

      „Es gab Jahre, da haben Referendare einen wahren Methodenzauber veranstaltet. Ich muss zugeben, es hat auch so manchem imponiert und man war auch als gestandener Lehrer und Ausbilder ein wenig abgelenkt und hat sich dann vielleicht nicht immer auf alle Prinzipien bei seiner Analyse konzentriert.“

      Um den – auch didaktisch wichtigen – Spannungsbogen nicht überzustrapazieren: Was oben das „Was“ war, ist hier das „Wie“. Und da diese Vermengung gerade am Anfang von Lehre und Unterricht kontraproduktiv ist, halten wir es mit Wolfgang Klafki, der das „Wie“ aus der Didaktik konsequent herausgenommen hat. So wichtig ihm die – in einem Buchtitel gefasste – didaktische Analyse ist, so eigenständig ist für ihn die Frage nach der Anbahnung und der Organisation der Lernprozesse. Und genau diese „Wie“-Frage bezeichnet die Methodik. (vgl. Klafki, 1986). Das Wie allein ist auf unzählige Weisen möglich. Zugleich ist für die Motivation und die Begeisterung, den Weg zum Ziel hin zur Ergebnissicherung und die adäquate Planung und Gestaltung des Wie zentral, dass es neben anderen „W’s“ nicht untergehen sollte.

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      Abb. 3: „5 W – was in eine Hand geht“

      So umfänglich der oben erwähnte Leitsatz war, so schnell kann er – besonders Referendare und Junglehrer, aber auch besonders die neuen Dozenten-Kollegen in der virtuellen Lehre – überfordern. Denn der virtuelle Lernraum verlangt nach einer noch stärkeren Konzentration und damit didaktischen Reduktion – wie später noch aufgezeigt werden soll. Deshalb bietet sich die Elementarisierung auf die zentralen W-Fragen an, die buchstäblich in eine Hand gehen. Es erscheint legitim, an der Frage anzusetzen, WAS zu vermitteln ist. Denn Bildungspläne und Curricula sind vorhanden und binden den Lehrenden an Inhalte. In der Schule mag dies verbindlicher sein als in der Hochschullehre, doch die Frage nach dem WER als erster mag idealtypisch und vielleicht auch ein wenig weltfremd sein. Doch sie sollte zumindest als zweite Perspektive aufkommen. Denn selbst, wenn kein Unterricht zu planen sondern „nur“ ein Vortrag zu halten ist, geht es nicht – erfolgreich, also mit Wirksamkeit – ohne die Frage: Wer wird „mir“ gegenüber sitzen? Die Frage nach dem WIE ergibt sich bei dieser einfachen Herangehensweise von selbst: Wie bekomme „ich“ das „Was“ zum „Wer“? Hier kommen geeignete Sozialformen, Methoden und Tools zum Einsatz bzw. werden als „Weg vom Was zum Wer“ geplant. Noch bevor weitere „W’s“ in den Blick genommen werden, sollte hier auf eine für die Lernenden und den Lernprozess optimale Stimmigkeit geachtet werden. Freilich stehen „Was“ und „Wer“ fest, jedoch lässt sich das erste W-Prinzip noch elementarisieren und individualisieren, wie sich das zweite „W“ durch Gruppenzusammensetzung und Ansprache – entsprechend der Ziele und Gegebenheiten – steuern lässt. Mit der Zielebene gelangt man in der Vorbereitung, Planung und Durchführung des Unterrichts weiter zum WOZU. Die Ziele des Unterrichts sind dabei nicht mit der Frage nach dem WARUM zu verwechseln. Sie sind als Ober- und Unterziele differenzierbar und orientieren sich daran, was die Schüler bzw. die Studierenden nach dieser geplanten Unterrichtsstunde können sollen – auf die Anbindung an das Kompetenzmodell wird später noch hingewiesen. Während das „Wozu“ die Ziele in den Blick nimmt, bündelt die Frage nach dem „Warum“ die Analyse der Gründe, warum sich der Lehrende an dieser oder jener Stelle so oder so entschieden hat. Diese Fragestellung kennt der oben zitierte Leitsatz von Meyer/Jank nicht. Die Frage nach den Motiven – neben die der Ziele – zu stellen, ergibt sich aber Beobachtungen wie dieser, einem Hinweis im Lehrcoaching durch einen Praktikanten im 8. Semester:

      „Ich könnte die Methode mal ausprobieren oder ich mache es frontal. Ist vom Ergebnis doch gleich, es muss nachher halt irgendwie an der Tafel stehen.“

      Unterricht ist keine industrielle Fertigung. Die Perspektive der Ziele ist wichtig, doch nicht alles. Diese

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