Digital lehren. Thomas Hanstein

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Digital lehren - Thomas Hanstein

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geeignete Methode an genau dieser Stelle des Unterrichts besser als ein Lehrervortrag?“ Mit dieser Gegenfrage kam der genannte Student von selbst darauf, dass ein von ihm initiiertes Gruppengeschehen ganz andere Erkenntnisse befördern würde, als wenn er diese als Input bringen würde. Ebenso ist beispielhaft die – nicht unbedeutende – Frage der zeitlichen Strukturierung nicht vom „Wozu“ abhängig. Vielmehr davon, warum dieser Sequenz mehr Zeit einzuräumen ist als jener. Das WOZU bündelt also gewissermaßen alle weiteren oben genannten Fragen, ohne sich aber auf zu viele Nebenschauplätze zu begeben. Denn was für genau diese Stunde relevant ist, erschließt sich so induktiver und stimmiger.

      Für den virtuellen Raum und einen, den jeweiligen Selbst- und Gruppenlernprozessen angepassten gelungenen Mix aus Präsenz- und Fernunterricht, ist jedoch die Frage nach dem WO wichtiger als die nach dem „Warum“. Sie antizipiert eine Klärung über die Frage nach synchronem und asynchronem Lernen. Insofern soll dieses Kriterium hier alternativ leitend sein (vgl. Hanstein, 2018, in: https://www.youtube.com/watch?v=19qIP6-Ue1s&feature=youtu.be; Zugriff: 02.05.2020).

      Der Begriff der Methoden wird in den letzten Jahren in der Lehre sehr amorph verwendet. Er kommt aber in aller Regel immer dann zum Einsatz, wenn sich Lehrende Gedanken um das „Wie“ ihrer Vermittlung machen. Und damit wird er grundsätzlich richtig verwendet. Allerdings sei hier auch an die Unterscheidung zwischen Sozialformen und Methoden erinnert, die auf den Schulpädagogen und Schulentwickler Heinz Klippert zurückgeht (vgl. Klippert, 2002). Als Sozialformen gelten hier der frontale Lehrervortrag, das Unterrichtsgespräch bzw. Plenum, das Lehrer-Schüler-Gespräch bzw. der fragend-entwickelnde Unterricht, die Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit. Alles, was darüber hinausgeht bzw. sich in LV, UG, LSG, EA, PA oder GA methodisch einbindet, sind Methoden. Man könnte es bildlich so ausdrücken: Die Sozialformen des Unterrichts geben als Fundament die erste methodisch-didaktische Struktur vor. Alles Weitere baut sich darauf auf. Diese Ordnung scheint hier wichtig. Denn nicht selten spiegelt sich im Unterrichtsverlauf das wider, was der Lehrende in der Vorbereitung, Planung und Organisation durcheinandergebracht hat. Eine Referendarin bemerkte das so:

      „Ich habe im Seminar das Speed-Talking kennengelernt. Das hat voll Spaß gemacht. Ich wollte es dann ausprobieren, hab’ gedacht, ich bau’ es wie eine Pro und Contra Debatte auf, aber es lief nicht lange gut. Zuerst waren sie gut dabei, dann wurde es irgendwie wild. Alles durcheinander und am Ende auch irgendwie kein Ergebnis da.“

      Im Coaching analysierte die Kollegin die Gründe. Sie hatte vor allem nicht bedacht, dass es ihre Aufgabe ist, Regie und Ergebnissicherung zu übernehmen. Die Methode verlief auf der Ebene einer Gruppenarbeit (GA), doch an wen hätte sie zum Beispiel die Prozesssteuerung übertragen können (EA/PA) und wann wäre es ihre Aufgabe gewesen, die Ergebnisse (wo, wann und wie) festzuhalten und zu kommunizieren (UG/LSG/LV)? – Durch diese Leitfragen kam die Kollegin auf die erste methodisch-didaktische Ordnung, und konnte von dieser her ihren Unterricht klar analysieren und die weitere Planung optimieren.

      Darüber hinaus ist der Begriff Tools aus der Coaching-Sparte in die Pädagogik eingeflossen. Dieses Phänomen hat die bestehende Unübersichtlichkeit zwar nochmals gesteigert, aber auch innovative, kreative und originelle Beispiele hervorgebracht. Diese sind insbesondere für virtuelle Formate wertvoll – eine Auswahl findet sich im methodischen Teil dieses Buches. Um den Eindruck eines „alle für alles“ aber nicht zu unterstützen, steht eine Systematik und Anbindung an bisherige Methoden in aller Regel aber noch aus. Manche dieser Tools lassen Lehrende glauben, man könne sie leicht auf den eigenen Fall übertragen, indem man sie für sich adaptiert. Das „technische“ Denken freilich steckt bereits im Begriff – weshalb an dieser Stelle dafür (bzw. dagegen) sensibilisiert werden soll.

      Angemessenheit statt „Methodenzauber“

      Elementarisiert planen – handlungsorientiert

      vorgehen

      Der augenzwinkernde Hinweis auf die Versuchung zum „Methodenzauber“ macht deutlich, dass diese – zum Teil unübersichtliche – Fülle an praktischen Möglichkeiten auch die Gefahr in sich birgt, den Rahmen zu sprengen. Insofern ist es für die Planung des Unterrichts und die Übersichtlichkeit der Durchführung selbst wichtig, elementare Bausteine zu entwickeln. Im virtuellen Raum kommen Verdichtungs- und Beschleunigungsdynamiken wie von selbst auf. Von daher ist ein elementarer Zugang auch für diesen – für viele Kollegen noch neuen – Kontext unvermeidlich. Lernprozesse könnten andernfalls so unübersichtlich werden, dass sie für die Lernenden keinen Mehrwert besitzen, sondern diese in der Irritation buchstäblich hängen bleiben. Oder sie könnten – wie im „Corona-Homeschooling“ vielfach geschehen – zur reinen „Material-Versorgung“ verkommen.

      Vor dieser Herausforderung soll hier ein mittlerweile zwar in die Jahre gekommenes, aber bewährtes religionspädagogisches Konzept aufgegriffen werden. Der Elementarisierungsansatz geht auf die sogenannte theologische „Tübinger Schule“ zurück (vgl. Schweitzer, 2003). Die Religionspädagogen Friedrich Schweitzer und Karl Ernst Nipkow knüpften – als konzeptionelle Vorreiter – an die kritisch-konstruktive Didaktik nach Wolfgang Klafki an. Dieser hatte in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts die drei Interdependenzen: Lehrender, Lernender, Lerngegenstand ins Zentrum gerückt (vgl. sein sogenanntes „Didaktisches Dreieck“). Auf der seither „mitlaufenden“ Frage nach dem Elementaren von Unterricht bauten Schweitzer und Nipkow ein strukturiertes Konzept auf.

      Mit dieser pointierten Fragestellung (nach Schweitzer) richtet sich die Unterrichtsplanung auf den ersten Aspekt der Elementarisierung, die elementaren Strukturen.

      Ein Autor dieses Buches unterrichtet Ethik. In der Corona-Krise wurden deshalb auch Fragestellungen aus dem konkreten alltäglichen Erleben aufgegriffen: „Worin besteht das ethische Dilemma der Politik bei der Kontakteinschränkung?“

      Mit einer solchen Leitfrage, die an den „Kern der Sache“ geht, ließ sich insbesondere bei einer Fülle an (täglich neu verfügbarem) Material der „rote Faden“ bewahren. Je komplexer, umso wichtiger ist daher dieser Zugang durch die Frage nach elementaren Strukturen.

      Mit dem Blick auf die Vorerfahrungen der Lernenden richtet sich die zweite Betrachtung auf die Frage nach den elementaren Erfahrungen.

      Am Beispiel der Einheit in Ethik: Sich in die Rolle eines Finanzministers oder gar der Kanzlerin hineinzudenken, wäre – in weitergehenden Rollenspielen – zwar möglich, aber ein für Schüler und auch Studierende abstrakter Zugang. Nicht anders eine Wiederholung des Grundgesetzes aus dem Gemeinschaftskundeunterricht. Also wurde der Unterricht induktiv, von den eigenen Erfahrungen der Lernenden her, entwickelt. Mit Kernbegriffen wie „Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit“, „Freizügigkeit“ „Unverletzlichkeit der Wohnung“ – auf Karten – ließen sich leicht biographische, kreative, ästhetische und spielerische Methoden einbinden.

      Erst, wenn sich die Relevanz nicht nur kognitiv erschließt, sondern auch authentisch spürbar wird, ist die Bedeutsamkeit des Themas auch über die folgenden Unterrichtsstunden hinaus gesichert. Doch nicht nur das: Ein solcher Unterricht anhand der elementaren Erfahrungen der Lernenden ist – best case – durch und durch erfahrungsorientiert. Das heißt, dass der Unterrichtsprozess auch bei fortschreitender Komplexität und Abstraktion immer wieder an diese Frage nach den elementaren Erfahrungen rückgebunden werden sollte. Denn sie hat den „Sitz im Leben“ des Themas im Blick.

      „Jede Videobotschaft hat mich ermutigt und inspiriert – sie hat mich dazu herausgefordert, das Beste zu geben und mich noch intensiver zu beschäftigen und

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