Taubenblut. Lutz Kreutzer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Taubenblut - Lutz Kreutzer страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Taubenblut - Lutz Kreutzer

Скачать книгу

Poos Blick erhellte sich. »Das ist es!«, rief er voller Freude und sah zu Charlie hinüber. Er war aufgesprungen. »Ja, das ist es! Wir haben einen Namen«, jubelte er und sah seine Katoeys der Reihe nach an. Sie applaudierten ihm. Charlie lächelte und sah zu Boden.

      »Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist …«, sagte Rödiger verwirrt, hob seine Hand zum Gruß an die Stirn, grinste schief und verließ sie wieder.

      Nuh Poo und Charlie beobachteten durch ein Fenster, wie Rödiger auf dem Weg in Richtung Landesteg ging. »Ein guter Mann, dieser Polizist«, sagte Nuh Poo. »Ihm ist der richtige Name zu unserem schönen Haus eingefallen. Er soll für zwei Monate eine Freikarte bekommen.«

      Nuh Poo nahm sich drei Tage Zeit, um mit seinen deutschen Beratern die Werbestrategie für die Neueröffnung in Tuntenhausen abzustimmen. Charlie begleitete ihn auf Schritt und Tritt. Schließlich inserierten sie in allen Zeitungen, Käseblättchen und im Internet, kurz bevor eröffnet wurde:

      Thailandeiland

      Restaurant und Bar

      Traditionelle Thai-Massage

      Wir bedienen sieben Chakras

      Im weiteren Text stand zu lesen: »Bei uns massieren nur thailändische Schönheiten mit Stiel.« Der Schreibfehler war die Idee von Müller-Westermann gewesen.

      Nuh Poo hatte außerdem eine Fahne entworfen, die über dem Haus wehen sollte. Er erinnerte sich versonnen an seine Kindertage, als er ein Antiquariat in Bangkok entdeckt hatte, das auf alte Bücher über Europa spezialisiert war. Ihn hatten nur die Bücher über Deutschland interessiert. Oft hatte er in diesen Büchern geschmökert, den alten Kaiser gesehen, die stolzen Bärte und Pickelhauben bewundert. Immer wieder hatte er sich als Kaiser von Deutschland verkleidet und war durch das Bordell seiner Mutter stolziert. Er liebte dieses Bild, das er vom längst untergegangenen Deutschland hatte. Und er erinnerte sich daran, dass die Nationalfarben von Deutschland schwarz, weiß und rot gewesen waren. Das aber war ihm zu streng. Daher entschloss er sich, diese Farben zu modifizieren, sie sollten irgendwie pastelliger wirken. Ihm fiel das berühmte deutsche Speiseeis ein, das seine Mutter ihm zum ersten Mal mitgebracht hatte, als er sechs Jahre alt war. Es war eine deutsche Spezialität, die zur glorreichen deutschen Kaiserzeit erfunden und dem berühmten Fürsten Pückler gewidmet war. Die Flagge, die künftig über dem stolzen ›Thailandeiland‹ gehisst werden würde, sollte in diesen Farben wehen. Die riesige Trikolore in den Farben Schoko, Vanille und Erdbeere wurde am Eröffnungstag von Charlie hoch oben auf dem Dach gehisst und wehte seitdem würdevoll und weithin sichtbar an ihrem hohen Fahnenmast.

      Das ›Thailandeiland‹ war von Beginn an ein Erfolg. Allabendlich strömten Transvestiten, Schwule, Lesben sowie Liebhaber und Liebhaberinnen von Transvestiten, Schwulen und Lesben aus ganz Bayern und Österreich hierher. Der Parkplatz hinter dem Haus war abgeschirmt. Die Bar und das Restaurant waren nur durch den Hofeingang zu betreten. Für die Einheimischen hatte Nuh Poo auf den Rat von Müller-Westermann vorn eine ganz normale Kneipe errichten lassen, an deren Theke sich vor allem die Landjugend die Biergläser in die Hand gaben. Die Fenster zur Straße hin waren abgedunkelt, ein breites Sichtfenster aber gestattete einen offen Blick in Bar und Restaurant.

      Gewerbesteuer

      Das Geschäft im ›Thailandeiland‹ lief prächtig. Nuh Poo Tubkim aber hielt sich am liebsten auf der Fraueninsel im Chiemsee auf. Er sah dem Treiben aus der Ferne zu. Er wusste, dass es besser war, ein Geheimnis aus seiner Person zu machen. Nur selten war er selbst Teil des Geschehens. Doch dann wurde ein wahrhaft imposanter Auftritt daraus.

      »Da kommt er«, flüsterte der Waldmeier Sepp dem Moser Hansi zu. Sie saßen am Tresen in der Kneipe und beobachten, was draußen geschah. Ein Mercedes 600 Pullmann in metallic Gold fuhr vor und bog auf den Parkplatz hinter dem Haus ein. Der Sepp und der Hansi beobachteten, wie der Mercedes 600 auf einem Platz abgestellt wurde, der für VIPs reserviert war. Der Fahrer stieg aus und öffnete die Tür am Heck des Fahrzeugs. Dann stieg Nuh Poo Tubkim aus, in all seiner Üppigkeit.

      In der Bar stoppte die Musik, und der Guru wurde über die Lautsprecheranlage angesagt wie ein Popstar. Die Gäste und Bediensteten begrüßten ihn mit Applaus und bewunderndem Gejohle. Als er den Raum durchschritt, bedachte er jeden einzelnen Gast mit einem Kopfnicken.

      »Pass auf«, sagte der Sepp. »Jetzt setzt er sich hin. Lang bleibt er nie.«

      Nuh Poo bestieg wie immer, wenn er das Lokal besuchte, ein kleines, aber schmuckvolles Podest am Kopfende des großen Raums, auf dem ein vergoldeter Sessel mit einem Baldachin thronte. Alle Besucher beobachteten gebannt, wie Nuh Poo Tubkim sich auf dem schweren Brokatstoff breitmachte, als ob er Hof halten würde.

      »Jo spinnt der? Is des der Bummipoll?«, fragte der Hansi.

      »Der Wer?«

      »Na der König von Thailand, Bummipoll heißt der doch.«

      »Du meinst den B…h…umibol. Vielleicht is des sein warmer Bruder?«, vermutete der Sepp und kicherte sich weg.

      Nach einer Stunde Audienz, in der man mit ihm persönlich reden konnte, erhob sich Nuh Poo Tubkim wieder von seinem Sitz und ging winkend und lächelnd mit rollenden Augen zur Tür. Die Leute waren verzückt von ihm.

      Das ›Thailandeiland‹ in Tuntenhausen war inzwischen ein Magnet für die gesamte Region. Die Katoeys animierten die Gäste zum Trinken, ließen sich zu Getränken einladen und waren überaus charmant zu ihnen. Der thailändische Koch war eine Sensation. Einige nahmen die Katoeys, die hier kurz Mädchen genannt wurden, mit in ihre Massageabteile im oberen Stock. Manche Besucher blieben über Nacht. Die Zimmer waren fast immer ausgebucht. Alles lief natürlich legal. Nuh Poo berief sich auf die thailändische Massagelizenz, die jeder Katoey hatte. Was danach war, konnte niemand wissen. Das Wort Prostitution war im Umfeld des ›Thailandeiland‹ tabu. Und was die Mädchen an Nuh Poos gemeinnützigen eingetragenen Verein zur Hilfe thailändischer Waisen und sozial Gestrandeter spendeten, das war freiwillig.

      Es hatte Proteste gegeben, ein ortsansässiger Verein hatte eine Demonstration organisiert, zu der viele Menschen aus München angereist waren. Mit dabei waren ein paar Nonnen von der Fraueninsel, vornan marschierte Schwester Irmentrud, die lauthals betete und verbittert gegen den Teufel ins Feld zog. Außerdem hatte die Heilsarmee gesungen.

      Als Nuh Poo Tubkim Schwester Irmentrud deshalb sprechen wollte und ihr lächelnd gegenübertrat, war sie ihm mit finsterem Blick begegnet, hatte ihn einfach zur Seite gedrängt und war laut betend weitermarschiert, ohne ein Wort zu ihm zu sagen. Nuh Poo hatte das gewundert. In Thailand ging man mit dem Thema toleranter um. Er fragte sich, warum das so war. In der darauffolgenden Nacht hatten ein paar Burschen dann ein paar Fensterscheiben im ›Thailandeiland‹ eingeworfen, wobei auch Wände, Fenster und der Garten beschädigt worden waren.

      Für all die folgenden Reparaturen beschäftigte Nuh Poo ortsansässige Handwerker. Nachdem er den Glaser, den Tischler, den Gärtner und den Maurer bezahlt und mit einem üppigen Trinkgeld verabschiedet hatte, brachte ihn das auf eine Idee. Er wies seine Leute an, in Zukunft nicht mehr im Großhandel zu kaufen, sondern Gebäck nur noch beim Bäcker vor Ort und die Getränke über ortsansässige Getränkemärkte zu beziehen. So machte Nuh Poo Tubkim es mit allen möglichen Handwerkern und Händlern. Sie alle waren in Tuntenhausen und Umgebung beheimatet. Dazu schickte er jedes Mal Jeab und Muu vor. Sie sprachen zwar nur sehr wenig Deutsch, aber Charme und Aussehen waren auf ihrer Seite. Alle hielten sie für zwei zwar überdrehte, aber überaus süße Mädchen. Sie bezauberten und entzückten jeden, mit dem sie redeten. Die eigentlichen Geschäftsverhandlungen führte Charlie anschließend.

Скачать книгу