Der neue Dr. Laurin Box 2 – Arztroman. Viola Maybach
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Ihr Vater war außer sich gewesen über ihre ›Verantwortungslosigkeit‹ – in seinen Augen hatte sie die Absicht, ihre Kinder im Stich zu lassen und gewissermaßen den Ehemann gleich dazu. Es war zu einem heftigen Streit gekommen. Zwar hatte Teresa mehrmals versucht zu vermitteln, aber ein durchschlagender Erfolg war ausgeblieben.
Und jetzt war ihr Vater bei ihnen zu Besuch? Mitten am Nachmittag und ohne Ankündigung? Er musste Kyra allein angetroffen haben, das war bestimmt wieder Wasser auf seine Mühlen gewesen. Voll böser Vorahnungen öffnete sie die Haustür.
Sie hörte die erhobene Stimme ihres Vaters bis hierher.
»Sag mir sofort, dass das nur ein dummer Scherz ist, Kyra! Ich kann nicht glauben, dass das, was du mir eben erzählt hast, stimmt.«
»Aber wieso denn, Opa? Das ist doch eine super Lösung, nachdem wir so lange …«
Antonia öffnete die Wohnzimmertür, blieb aber in der Öffnung stehen. »Welch unerwarteter Besuch«, sagte sie kühl.
»Mami!« Kyra stürzte auf sie zu und umarmte sie. »Opa ist zufällig vorbeigekommen, und ich habe ihm von Simon erzählt.«
Ach, daher wehte der Wind, sie hätte es eigentlich wissen müssen!
Ihr Vater stand hoch aufgerichtet im Zimmer, den Blick anklagend auf seine Tochter gerichtet. »Zuerst entschließt du dich, ohne Not wieder zu arbeiten, obwohl du weiß Gott zu Hause genug zu tun hättest – und jetzt erfahre ich außerdem noch, dass du einen unerfahrenen jungen Mann ohne jegliche Referenzen einstellen willst, damit er sich hier um den Haushalt und die Kinder kümmert? Ich muss sagen, dass ich allmählich an deinem Verstand zweifele, Antonia.«
»Kyra, würdest du uns bitte allein lassen?«, bat Antonia, und sie wunderte sich selbst darüber, dass ihre Stimme bei diesen Worten beinahe normal klang. »Und mach bitte die Tür hinter dir zu.«
Kyra verschwand ohne Widerrede – und so schnell, dass es einer Flucht gleichkam.
»Wieso schickst du sie weg? Darf sie nicht hören, wie ihr Großvater ihre Mutter kritisiert?«
»Eher sollte sie nicht unbedingt hören, was ihre Mutter ihrem Großvater zu sagen hat«, versetzte Antonia kühl. »Du hast deine Meinung gesagt, ich habe sie zur Kenntnis genommen, und mehr möchte ich dazu von dir nicht hören. Ich bin erwachsen, ich treffe meine eigenen Entscheidungen und wenn sie dir nicht passen, tut es mir leid, aber ich werde sie deshalb nicht zurücknehmen. Wenn das alles war, was du mir mitzuteilen hattest, sehe ich unser Gespräch hiermit als beendet an. Ich hatte einen anstrengenden Tag und würde mich jetzt gern mit meiner jüngsten Tochter unterhalten.«
Ihr Vater erstarrte bei diesen Worten. »Du weist mir die Tür?«, fragte er.
»Ich sagte, wenn du mir außer Kritik an meinen Entscheidungen nichts mitzuteilen hast, sehe ich keinen Sinn darin, unser Gespräch fortzusetzen. Das ist ein Unterschied.«
Professor Dr. Joachim Kayser stand noch sekundenlang unbeweglich an derselben Stelle, dann eilte er mit langen Schritten zur Tür, riss sie auf und verließ gleich darauf das Haus.
Antonia merkte erst jetzt, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie hätte gern geweint, hielt die Tränen aber zurück. Schon oft hatte sie mit ihrem Vater gestritten, aber noch nie zuvor so wie heute. Sie hatte diesen Streit nicht gewollt, aber sie war ihm auch nicht ausgewichen. Vielleicht musste es ein- für allemal geklärt werden, dass sie sich von ihrem Vater nicht mehr maßregeln lassen würde. Er war ein Mann alter Schule, sein Weltbild hatte nicht Schritt gehalten mit den Entwicklungen der letzten fünfzig Jahre. Aber das war nicht ihr Problem, es war seins. Teresa war nicht viel jünger als er, doch sie verharrte deutlich weniger in der vermeintlich ›guten alten Zeit‹. Sie wollte wahrhaftig nicht im Streit mit ihrem Vater leben, aber sie wollte sich in Zukunft auch nicht bei jedem Treffen von ihm kritisieren lassen dafür, dass sie sich für ein Leben entschieden hatte, das ihm nicht gefiel.
Kyra erschien an der Tür, sah die verkrampfte Haltung ihrer Mutter und kam sofort auf sie zu, um sie zu umarmen. »Ich wusste nicht, dass er so böse werden würde, sonst hätte ich ihm bestimmt nichts von Simon erzählt, Mami«, sagte sie.
»Du hast alles richtig gemacht. Es liegt an ihm, Kyra. Er will einfach nicht wahrhaben, dass die Welt sich weiterdreht. Er war immer ›der Herr Professor‹, und alles geschah so, wie er es haben wollte. Davon verabschiedet man sich nicht so leicht.«
»Redest du jetzt nie wieder mit ihm?«
»Wir brauchen wohl beide etwas Zeit«, erwiderte Antonia ausweichend. »Und Teresa ist ja auch noch da. Ich nehme an, dass sie hinter seinem heutigen Besuch steckt. Wahrscheinlich wollte er sich mit mir versöhnen, aber dazu ist es ja nicht gekommen.«
»Das war meine Schuld, tut mir leid, Mami.«
»Es muss dir nicht leidtun, wie gesagt, du hast nichts falsch gemacht.«
»Du warst ganz schön böse zu ihm.«
»Du hast also gelauscht?«
Kyra nickte. »Klar, was dachtest du denn? Ich wusste gar nicht, dass du so reden kannst – so … so kalt und streng.«
»Ich wollte das eigentlich nicht, aber er hat mich richtig wütend gemacht. Meine Güte, ich bin Mitte vierzig, und er meint immer noch, er kann mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Das ist doch nicht zu fassen!« Antonia fuhr Kyra liebevoll durch die Haare. »Versprich mir, mich an diese Situation zu erinnern, wenn du so alt bist wie ich jetzt und ich versuche, dir immer noch Vorschriften zu machen.«
Kyra kicherte. »Ich weiß nicht, ob ich mich dann noch daran erinnere, Mami. Das sind noch über dreißig Jahre.«
»Da hast du auch wieder Recht, und so lange sollte man sich an unangenehme Situationen überhaupt nicht erinnern, das würde einem nur das Leben vergiften.«
»Kann ich den anderen von Opas Besuch erzählen?«
»Was machst du, wenn ich jetzt ›nein‹ sage?«
Kyra seufzte. »Dann würde ich es vielleicht nur Kevin erzählen.«
Antonia musste lachen, und damit fiel der erste Teil der Anspannung von ihr ab. Der zweite folgte, als Kyra und sie in der Küche einen Saft tranken, wobei Kyra ihr erzählte, wie ihr allerbester Freund Peter Stadler heute den Mathematiklehrer beeindruckt hatte.
Danach machten sie sich gemeinsam an die Vorbereitungen fürs Abendessen, und dabei entspannte sich Antonia vollends.
Irgendwann würden ihr Vater und sie wieder zusammenfinden, daran zweifelte sie nicht. Aber noch nicht gleich. Zu groß war ihr Zorn auf ihn, als dass sie ihm seine Kritik sofort hätte verzeihen können.
*
»Heute hole ich Flo noch einmal ab, Mama, nächste Woche bist du dann wieder dran«, sagte Miro.
Anke nickte. »Ist gut. Es wird ja jeden Tag besser. Der Doktor meint auch, dass ich bald wieder arbeiten kann. Sogar mein Appetit kehrt