Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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ihnen feind zu sein; aber unterwirf dich einer Theilung, sie ist lieb und süß; vergönne, daß die Rechte des Blutes und der Freundschaft nicht getilgt werden durch die Rechte der Liebe. Denke nicht, daß ich je, um dir zu folgen, das väterliche Haus verlassen werde, hoffe nicht, daß ich mich dem Bande entziehe, das mir eine geheiligte Macht auflegt; der schmerzliche Verlust des einen meiner Eltern hat es mir zu furchtbar gemacht, dem andern Trübsal zu bereiten. Nein, Die, von der er hinfort seinen ganzen Trost erwartet, wird seine von Kummer und Mühsal gebeugte Seele nicht betrüben; ich will nicht Allem, was mir das Leben gab, den Tod gegeben haben. Nein, nein, ich kenne mein Verbrechen und vermag nicht, es zu hassen. Pflicht, Ehre, Tugend, Alles das sagt mir nichts mehr, aber dennoch bin ich kein Ungeheuer; ich bin schwach, aber kein unnatürliches Geschöpf. Mein Entschluß ist gefaßt, ich will keinem von Denen, die ich liebe, wehe thun. Verfüge mein Vater, durch sein Wort gefesselt und eifersüchtig auf einen leeren Titel, über meine Hand, die er versprochen hat; die Liebe allein verfüge über mein Herz; und in den Busen einer zärtlichen Freundin sollen meine Thränen nicht aufhören sich zu ergießen. Mag ich erniedrigt und elend sein, sei nur Alles, was mir theuer ist, glücklich und zufrieden, wenn es sein kann. Machet ihr Drei allein mein ganzes Dasein aus, und euer Glück lasse mich mein Elend und meine Verzweiflung vergessen.

      Sechzehnter Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Wir leben wieder auf, meine Julie, alle wahren Empfindungen unserer Seelen nehmen wieder ihren Lauf. Die Natur hat uns das Dasein erhalten und die Liebe giebt uns das Leben wieder. Hast du daran gezweifelt? Warst du kühn genug zu glauben, daß du mir dein Herz entziehen könntest? Geh, ich kenne es besser als du, dieses Herz, das der Himmel für das meinige geschaffen hat. Ich fühle sie verbunden zu einer Einheit des Daseins, die ihnen nur durch den Tod verloren gehen kann. Steht es in unserer Macht, sie zu trennen oder auch nur es zu wollen? Hängen sie aneinander durch Bande von Menschenhand geschlungen und durch Menschenhand zerreißbar? Nein, Julie, nein, wenn das grausame Schicksal uns den süßen Gattennamen verweigert, den Namen treuer Liebender kann nichts uns rauben; er wird der Trost unserer trübseligen Tage sein und wir werden ihn mit in's Grab nehmen.

      So fangen wir wieder an zu leben, um wieder zu leiden, und das Gefühl unseres Daseins ist für uns nur ein Schmerzensgefühl. Wir Unglücklichen, was ist aus uns geworden? Wie haben wir aufhören können das zu sein, was wir waren? Wo ist jener Seligkeitszauber? Wo ist die hohe Begeisterung, mit der alle Tugenden unsere Glut nährten? Nichts ist von uns übrig geblieben als unsere Liebe; die Liebe allein bleibt und ihre Reize sind verflogen. Allzu unterwürfige Tochter, Liebende ohne Muth, sieh, alle unsere Leiden stammen aus unsern Irrthümern. Ach! ein weniger reines Herz würde dich weniger irregeführt haben! Ja, die Lauterkeit deines Herzens ist es, die uns zu Grunde richtet; die Rechtschaffenheit, die es ganz erfüllt, hat alle Klugheit daraus vertrieben. Du denkst dir, die Kindeszärtlichkeit mit der unzähmbaren Liebe zu versöhnen; indem du dich allen deinen Neigungen zugleich hinziehst, verwirrst du sie, anstatt sie in Einklang zu bringen und wirst aus Tugend strafbar. O Julie, was für eine unbegreifliche Herrschaft übst du! Durch wie wunderbare Macht bezauberst du meine Vernunft! Selbst indem du mich erröthen machst über unsere Liebe, machst du zugleich, daß man dich um deine Fehltritte schätzen muß; du zwingst mich, dich zu bewundern, indem ich deine Gewissensbisse mitfühle .... Gewissensbisse! …. Du, du konntest bestimmt sein, Gewissensbisse zu fühlen? .... Du, die ich liebe .... du, die ich anzubeten nicht aufhören kann .... deinem Herzen hätte das Verbrechen nahen können? .... Grausame! du giebst mir dieses Herz wieder, das mir gehört, gieb es mir so wieder, wie es mir geschenkt wurde!

      Was hast du mir gesagt? .... was wagst du mir anzudeuten? .... Du, in die Arme eines Andern! .... Ein Anderer dich besitzen!.... Nicht mehr mein sein! oder, o Entsetzlichstes von Allem, nicht mein allein! Ich, ich sollte diese schauderhafte Marter dulden! .... sollte dich dich selbst überleben sehen! .... Nein! lieber dich verlieren als dich theilen .... Warum gab mir der Himmel nicht einen Muth dem Zornfeuer gleich, das mich durchlodert! .... Ehe sich deine Hand herabgewürdigt hätte in diesem von der Liebe verworfenen, von der Ehre verdammten Bündniß, würde ich mit der meinigen einen Dolch in deinen Busen stoßen; ich würde dein keusches Herz zwingen, all sein Blut auszugießen, ehe die Untreue es befleckt hätte. Mit diesem reinen Blute würde ich das mischen, welches durch meine Adern flammt in unauslöschlicher Glut; ich würde in deine Arme sinken; ich würde auf deine Lippen meinen letzten Seufzer drücken .... den deinigen empfangen .... Julie sterbend! .... diese sanften, lieben Augen brechend im grausigen Tode! dieser Busen, dieser Thron der Liebe, aufgerissen von meiner Hand, in großen Tropfen hinträufelnd Blut und Leben! .... Nein! lebe und leide, trage die Strafe meiner Feigheit. Nein, ich wollte, du wärest nicht mehr, aber ich kann dich nicht so lieben, um dich zu erstechen.

      O, kenntest du den Zustand dieses von Angst zusammengeschnürten Herzens! nie brannte es von so heiligem Feuer, nie waren ihm deine Unschuld und deine Tugend theurer. Ich habe lieb, und daß ich lieb haben kann, das fühle ich; aber ich bin nur ein Mensch und es geht über Menschenkraft, dem höchsten Glück zu entsagen. Eine Nacht, eine einzige Nacht hat auf immer meine ganze Seele verwandelt. Nimm diese gefährliche Erinnerung hinweg, und ich bin tugendhaft. Aber diese verhängnißvolle Nacht herrscht in der Tiefe meiner Seele und wird mit ihrem Dunkel den Rest meines Lebens bedecken. Ach Julie, Angebetete, wenn wir auf ewig elend sein müssen, noch eine Stunde Glück und dann ewige Trauer!

      Höre Den, der dich liebt. Warum wollten wir allein vernünftiger sein als alle übrigen Menschen und mit Kindereinfalt chimärischen Tugenden nachjagen, von denen alle Welt spricht und die Niemand übt? Wie? Sollen wir bessere Moralisten sein als diese Massen von Philosophen, von denen London und Paris voll ist, die sich alle über die eheliche Treue lustig machen und den Ehebruch als einen Spaß betrachten? Die Beispiele davon werden nicht anstößig gefunden; nein, es ist sogar nicht einmal erlaubt, etwas dawider zu haben, und alle ordentlichen Leute würden hier Den auslachen, der aus Respect für die Ehe den Hang seines Herzens bekämpfte. Ist nicht ein Unrecht, sagen sie, das nur von der Meinung zum Unrecht gestempelt ist, in der That keines, wenn es geheim bleibt? Was für Schaden hat der Mann von einer Untreue, die er nicht erfährt? Mit wie viel Aufmerksamkeit und Gefälligkeit macht nicht eine Frau ihre Fehltritte wett [Wo hat er das gesehen, der gute Schweizer? Schon lange stimmen die galanten Frauen ihren Ton höher. Sie fangen an, ihre Liebhaber stolz in's Haus einzulogiren, und wenn man den Mann noch darin duldet, so ist dabei vorausgesetzt, daß er sich gegen dieselben mit der Achtung betrage, die er ihnen schuldig ist, Eine Frau, die sich mit einem schlechten Umgang verstecken wollte, würde glauben machen, daß sie sich der Sache schäme, und das wäre eine Schande für sie, keine honnette Frau würde mehr mit ihr umgehen.]? Wie liebreich behandelt sie ihn, um seinen Verdacht abzuwenden, oder zubeschwichtigen? Eines eingebildeten Gutes beraubt, lebt er in Wirklichkeit glücklicher, und das vorgebliche Verbrechen, von welchem so viel Geschrei gemacht wird, ist nur ein Band mehr in der Gesellschaft.

      Gott verhüte, geliebte Freundin meines Herzens, daß ich mit so schändlichen Grundsätzen das deinige einschläfern wollte! ich verabscheue sie, ohne daß ich sie bekämpfen könnte, und mein Gewissen antwortet besser darauf als mein Verstand. Nicht daß ich mich mit einem Muthe brüsten wollte, den ich nicht besitze, oder daß ich eine Tugend möchte, die soviel kostet; aber ich komme mir weniger strafbar vor, wenn ich mir meine Fehler vorwerfe, als wenn ich Anstrengungen mache, sie zu rechtfertigen, und ich sehe es als das höchste Maß des Verbrechens an, dieses der Gewissensbisse entledigen zu wollen.

      Ich weiß nicht, was ich schreibe; ich fühle meine Seele in einem schrecklichen Zustande, schlimmer noch als ehe ich deinen Brief erhalten hatte. Die Hoffnung, die du mir giebst, ist traurig und düster, sie löscht jene lautre Klarheit aus, die uns so oft geleitet hat; deine Reize verblassen und werden nur noch rührender; ich sehe dich zärtlich und unglücklich; mein Herz ist von den Thränen überschwemmt, die aus deinen Augen strömen und ich mache mir ein Glück zu bitterem Vorwurf, das ich nicht anders mehr als auf Kosten

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