Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Schmerzen und ihr Mißgeschick macht mich unglücklicher als meines. Sie, die sie mehr als Alles liebt, die Sie allein, nächst mir, sie recht zu lieben wissen, Clara, liebenswürdige Clara, Sie und das einzige Gut, das ihr bleibt. Es ist kostbar genug, um ihr den Verlust aller übrigen erträglich zu machen. Entschädigen Sie sie für den Trost, der ihr geraubt ist und für den, welchen sie von sich weist; lassen Sie die heilige Freundschaft ihr Alles ersetzen, die Zärtlichkeit der Mutter, die Zärtlichkeit des Geliebten, alle die holden Gefühle, die sie beglücken sollten. Möge sie glücklich sein, wenn es möglich ist, um jeden Preis. Möge sie den Frieden und die Ruhe wieder erlangen, deren ich sie beraubt habe; ich werde dann die Qualen weniger fühlen, die mir von ihr hinterblieben sind. Da ich in meinen eigenen Augen nichts mehr bin, da es nun einmal mein Loos ist, immerfort für sie zu sterben, betrachte sie mich denn als nicht mehr seiend, ich willige darein, wenn dieser Gedanke sie ruhiger macht. Möchte sie in Ihren Händen ihre früheren Tugenden, ihr Glück wiederfinden können! möchte sie noch jetzt durch Ihre Sorgfalt das werden, was sie ohne mich gewesen wäre!

      Ach! sie war Tochter und hat keine Mutter mehr. Das ist der Verlust, der nicht wieder einzubringen ist und über den man sich nimmer tröstet, wenn man einmal Ursache gefunden hat, ihn sich zur Schuld zu rechnen. Ihr aufgeregtes Gewissen fordert von ihr die zärtliche und die geliebte Mutter, und in ihrem heftigen Schmerz gesellt sich Gewissensunruhe zu der Betrübniß. O Julie, du, du mußtest mit so schrecklichen Seelenzuständen bekannt werden? Sie, die Sie Zeugin der Krankheit und der letzten Augenblicke dieser unglücklichen Mutter waren, ich bitte, ich beschwöre Sie, sagen Sie mir, was ich davon zu denken habe. Zerreißen Sie mir das Herz, wenn ich schuldig bin. Wenn der Schmerz über unsere Fehltritte es in's Grab gestürzt hat, so sind wir beide Ungeheuer, nicht werth zu leben; es ist Frevel, nur zu denken an ein so unheilschwangres Band, Frevel, das Licht des Tages zu sehen. Nein, ich wage es zu glauben, eine so reine Glut hat keine solche schwarzen Folgen gehabt. Die Liebe flößte uns zu edle Gefühle ein, um daraus Schandthaten zu gebären, deren nur entartete Seelen fähig sind. Der Himmel, könnte der Himmel ungerecht sein? und sie, die ihr Glück den Urhebern ihrer Tage zu opfern fähig war, verdiente sie Schuld an deren Tode zu sein?

      Siebenter Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Wie wäre es möglich, Sie weniger zu lieben, da man Sie jeden Tag mehr achten muß? Wie könnten mir meine alten Gefühle für Sie verloren gehen, während Sie sich jeden Tag Anspruch auf neue erwerben? Nein, mein theurer und würdiger Freund, Alles, was wir einander von früher Jugend auf gewesen sind, werden wir uns unser Leben lang bleiben, und wenn unsere gegenseitige Anhänglichkeit nicht noch größer wird, so geschieht dies nur, weil sie nicht noch größer werden kann. Der einzige Unterschied ist, daß ich Sie liebte wie einen Bruder, und daß ich Sie jetzt liebe wie mein Kind, denn obgleich wir beide jünger sind als Sie und noch dazu Ihre Zöglinge, so betrachte ich Sie doch ein Bißchen wie den unsern. Indem Sie uns denken lehrten, haben Sie von uns empfinden gelernt; und was auch Ihr philosophischer Engländer sage, diese Erziehung ist wohl so viel werth als die andere; wenn die Vernunft das ist, was den Mann macht, so ist die Empfindung das, was ihn leitet.

      Wissen Sie, warum ich in meinem Betragen gegen Sie verändert schien? Glauben Sie mir, nicht weil mein Herz nicht noch immer das nämliche wäre, sondern weil Ihre Lage eine andere geworden ist. Ich begünstigte Ihre Liebe, so lange noch ein Fünkchen Hoffnung übrig war; seit die Sache aber so liegt, daß Ihr Streben nach Julien, wenn Sie dabei beharren, nur dazu dienen kann, Julie unglücklich zu machen, würde ich zu Ihrem Schaden handeln, wenn ich Ihnen zu Gefallen handelte. Ich will Sie lieber weniger beklagenswerth wissen, wenn auch mehr Ihre Unzufriedenheit gegen mich erregen. Wenn ein gemeinsames Glück nicht mehr möglich ist, bleibt dann der hoffnungslosen Liebe etwas Anderes übrig, als das eigene Glück im Glücke des geliebten Gegenstandes zu suchen?

      Sie fühlen das nicht blos, mein großmüthiger Freund, Sie thun mehr, Sie machen es zur That in dem schmerzlichsten Opfer, das je ein treuer Liebhaber gebracht hat. Indem Sie auf Julie verzichten, erkaufen Sie ihre Ruhe mit der Ihrigen, und verzichten ihretwegen auf Ihr eigenes Ich.

      Ich getraue mir kaum, Ihnen die wunderlichen Ideen zu sagen, die mir hierüber kommen, aber sie sind tröstlich und das macht mir Muth es zu thun. Erstlich, ich glaube, daß die wahre Liebe ebenso wie die Tugend den Vortheil mit sich bringt, daß sie für jedes Opfer entschädigt und daß die Entbehrungen, die wir uns auflegen, gewissermaßen zu einem Genusse werden eben dadurch, daß wir fühlen, wie viel sie uns kosten, und um des Beweggrunds willen, der uns dazu treibt. Sie werden sich das Zeugniß geben, daß Julie von Ihnen geliebt ward, wie sie es verdiente, Sie werden sie um deswillen noch mehr lieben und werden sich darin glücklich fühlen. Jene feinere Eigenliebe, die alle saueren Tugendübungen zu vergüten weiß, wird in den Reiz der Liebe den ihrigen mischen. Ich bin fähig zu lieben, werden Sie sich mit einem Vergnügen sagen, das dauerhafter und zärterer Natur ist als jenes, das Sie empfinden würden, wenn Sie sich sagten: Ich besitze, was ich liebe. Denn dieses letztere nutzt sich im Genusse ab, jenes andere aber bleibt ewig, und Sie würden sein noch genießen, selbst wenn Sie nicht mehr liebten.

      Ferner dann, wenn es wahr ist, was Julie und Sie mir so oft gesagt haben, daß die Liebe das köstlichste Gefühl ist, das in die Menschenbrust einziehen kann, so ist Alles, was dasselbe dauernder macht und sicher stellt, selbst um den Preis von Schmerzen, immer noch ein Gut. Wenn die Liebe ein Verlangen ist, das sich durch Hindernisse steigert, wie Sie ebenfalls sagten, so ist es nicht gut, daß es befriedigt werde; es ist vielmehr besser, daß es durch Verfehlung seines Ziels erhalten bleibe, als daß es im Schooße der Freuden ersterbe. Eure Liebe hat zwar die Probe des Besitzes, die Probe der Zeit, der Trennung, der Leiden aller Art bestanden: sie hat alle Hindernisse besiegt, außer dem mächtigsten von allen, nämlich dem, keine mehr zu besiegen zuhaben und sich einzig aus sich selbst ernähren zu müssen. Die Welt hat noch nie eine Leidenschaft diese Probe überstehen sehen: welches Recht habet ihr zu hoffen, daß es der eurigen gelingen werde? Zu dem Ueberdrusse, den langer Besitz stets erzeugt, würde die Zeit den Fortschritt des Alters und den Verfall der Schönheit hinzugefügt haben: sie nimmt nun dadurch, daß ihr getrennt werdet, den Schein an, als bliebe sie stehen; ihr werdet einander stets in der Blüte der Jahre vor Augen haben; ihr werdet euch ohne Ende so sehen, wie ihr euch bei eurem Scheiden sahet, und euere Herzen, vereinigt bis an's Grab, werden in reizender Täuschung mit eurer Liebe eure Jugend in's Unendliche ausdehnen.

      Wenn ihr nicht glücklich gewesen wäret, so könnte euch vielleicht eine unüberwindliche Unruhe quälen; euer Herz würde um die Güter seufzen und sich härmen, die es zu erlangen verdiente; eure erhitzte Einbildungskraft würde euch ohne Unterlaß die nichterlangten abfodern. Aber die Liebe hat keine Wonnen, mit denen sie euch nicht überschüttet hätte, und, um mit Ihnen zu reden, ihr habt im Laufe eines Jahres die Freuden eines ganzen Lebens erschöpft. Erinnern Sie sich jenes so leidenschaftlichen Briefes, am Tage nach einer vermessenen Zusammenkunft geschrieben; ich habe ihn mit einer bis dahin mir unbekannten Gemüthsbewegung gelesen: es ist darin nicht der stetige Zustand einer weichen Seele zu erkennen, sondern das letzte Auflodern eines liebentbrannten und freudetrunkenen Herzens; Sie sprechen selbst das Urtheil aus, daß man dergleichen Verzückungen nicht zweimal in seinem Leben erführe und daß man sterben sollte, nachdem man sie erlebt. Mein Freund, dies war der höchste Gipfel, und was auch Schicksal und Liebe für Sie noch gethan hätten, Ihre Glut und Ihr Glück konnten von da an nur noch niedersteigen. Dies war nun auch der Anfang Ihres Mißgeschickes, und Ihre Geliebte wurde Ihnen in dem Augenblicke genommen, als sie Ihnen keine neuen Empfindungen mehr zu kosten geben konnte; gleich als hätte das Geschick Ihr Herz vor der unausbleiblichen Sättigung behüten und Ihnen in der Erinnerung der vergangenen Genüsse einen Genuß lassen wollen, süßer als alle, die Ihnen noch im Leben zu Theil werden könnten.

      Trösten Sie sich über den Verlust eines Gutes, das Ihnen immer doch entronnen wäre, und noch überdies Ihnen das geraubt hätte, welches Ihnen

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