Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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selbst. Wenn ich Ihr Herz recht erkannt habe, so würde die schlimmste Art, Julien zu verlieren, für Sie die sein, wenn Sie unwerth wären, sie zu erhalten.

      Fünfter Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Sie ist nicht mehr. Meine Augen sahen die ihrigen sich auf ewig schließen; mein Mund fing ihren letzten Hauch auf; mein Name war das letzte Wort, das sie aussprach; ihr letzter Blick war auf mich geheftet. Nein, nicht das Leben war es, von dem sie zu scheiden schien, ich hatte es ihr zu wenig lieb zu machen gewußt, von mir nur allein riß sie sich los, Sie sah mich ohne Führer und ohne Hoffnung, von meinem Unglück und von meiner Schuld erdrückt; sterben war ihr nichts, ihr Herz härmte sich nur, die Tochter in diesem Zustande zurückzulassen. Sie hatte nur zu sehr Recht. Was hatte sie auf Erden zu verlieren? Was hienieden konnte ihr den unsterblichen Lohn ihrer Geduld und ihrer Tugenden aufwiegen, der im Himmel ihrer wartete? Was blieb für sie auf der Welt noch übrig, als über meine Schmach zu weinen? Reine, keusche Seele, würdige Gattin und unvergleichliche Mutter, du lebst jetzt an dem Aufenthalte der Herrlichkeit und Seligkeit: du lebst! und ich, der Reue und Verzweiflung hingegeben, deines Beistandes, deines Rathes, deiner süßen Liebkosungen beraubt, bin todt dem Glücke, dem Frieden, der Unschuld: ich fühle nichts mehr als meine Schande; mein Leben ist nichts mehr als Kummer und Schmerz. Meine Mutter, du zärtliche Mutter, ach, ach! ich bin mehr todt als du!

      Mein Gott! Reißt mich Unglückliche das überströmende Gefühl dennoch hin und macht mich meiner Vorsätze vergessen? Wohin ergieße ich meine Thränen und sende ich meine Seufzer? Wieder dem Grausamen, der Schuld an ihnen ist, vertraue ich sie an! Wieder mit ihm, dem ich das Unglück meines Lebens verdanke, will ich es beweinen! Ja, ja, Barbar, theilen Sie die Qualen, die ich Ihretwegen leiden muß. Sie, um dessen willen ich das Messer in den Mutterbusen stieß, jammern Sie über das Wehe, das mir von Ihnen kommt und fühlen Sie mit mir den Graus eines Elternmordes, der Ihr Werk war. Vor welchen Augen könnte ich es wagen, mich ganz so verächtlich, wie ich bin, zu zeigen? Vor wem könnte ich mich so erniedrigen, wie meine Gewissensqualen es fordern? Wer anders als der Mitschuldige meines Verbrechens würde es in seinem ganzen Umfange kennen? Die unerträglichste von meinen Qualen ist, daß nur mein Inneres mich verklagt und daß ich die unlauteren Thränen, die mir die kochende Reue auspreßt, noch meinem guten Herzen muß beimessen sehen. Ich sah, sah schaudernd den Schmerz die letzten Tage meiner armen, armen Mutter vergiften und beschleunigen. Vergeblich wollte sie aus Mitleid mit mir es verbergen; vergeblich schob sie die Zunahme ihrer Krankheit auf dieselbe Ursache, aus welcher dieselbe entstanden war; vergeblich sagte, von ihr gewonnen, meine Cousine ebenso: durch nichts hat sich mein reuzerrissenes Herz täuschen lassen und zu ewiger Marter werde ich bis ans Grab den schrecklichen Gedanken mit mir schleppen, Der das Leben verkürzt zu haben, der ich es verdanke.

      Sie, den der Himmel in seinem Zorne erweckte, um mich unglücklich und strafbar zu machen, nehmen Sie zum letzten Male in Ihren Busen Thränen auf, deren Urheber Sie sind. Ich komme nicht mehr, wie ehemals, Kummer mit Ihnen zu theilen, der uns gemeinsam sein soll. Es sind die Seufzer eines letzten Lebewohls, die mir wider Willen entfahren. Es ist aus; die Herrschaft der Liebe ist zu Ende in dieser Seele, die der Verzweiflung ganz verfallen ist. Ich weihe den Rest meines Lebens der Klage um die beste der Mütter; ich werde ihr Gefühle zum Opfer zu bringen wissen, die ihr das Leben gekostet haben; zu glücklich wäre ich, wenn deren Ueberwindung mich ebenso viel kostete, damit ich büßte, was sie dadurch gelitten hat. Ach! wenn ihr unsterblicher Geist in die Tiefe meines Herzens schaut, so weiß er, daß das Sühnopfer, welches ich ihm darbringe, ihrer nicht ganz und gar unwerth ist. Nehmen Sie denn Theil an der Anstrengung, die Sie mir nothwendig gemacht haben. Wenn Sie noch einen Funken Achtung für ein so liebes und so verderbliches Band haben, so beschwöre ich Sie bei ihm, mich auf ewig zu fliehen, mir nicht wieder zu schreiben, meine Gewissensbisse nicht mehr zu schärfen, und mich vergessen zu lassen, wenn es möglich ist, was wir einander waren. Mögen meine Augen Sie nicht wieder sehen: möge ich Ihren Namen nicht wieder nennen hören; möge Ihr Andenken nicht mehr mein Herz aufwühlen. Noch wage ich Namens einer Liebe zu bitten, die nicht mehr sein soll; o, fügen Sie so vielen Ursachen zum Schmerze nicht auch noch die hinzu, daß ich ihren letzten Wunsch verachtet sehen müßte. Leben Sie denn wohl zum letzten Male, einziger, lieber ... Ach, ich Unsinnige! .... Leben Sie wohl auf ewig.

      Sechster Brief.

       Juliens Liebster an Frau von Orbe.

       Inhaltsverzeichnis

      Endlich ist der Schleier zerrissen; diese lange Täuschung ist verschwunden, diese süße, süße Hoffnung ist verwelkt: nichts bleibt mir mehr, um eine Flamme zu speisen, die ewig brennen muß, als das bittere süße Angedenken, das mein Leben noch erhält und meine Qualen mit der leeren Einbildung eines Glückes nährt, das dahin ist.

      Ist es denn wahr, daß ich das höchste Glück genossen habe? Bin ich denn wirklich dasselbe Wesen, das einst glücklich war? Ist ein Mensch, der fühlen kann, was ich leide, nicht dazu gemacht, ewig zu leiden? Kann ein Mensch, der zu genießen vermag, was ich verloren habe, es verlieren und noch leben? Und solche streitende Gefühle, wie können sie nur in Einem Herzen keimen? Tage der Lust und der Herrlichkeit, nein, ihr waret für keinen Sterblichen, ihr waret zu schön, um dem Untergange verfallen zu sein. Euer ganzer Verlauf war ein einziges süßes Entzücken, ein einziger, unendlicher Punkt wie der der Ewigkeit, Es gab für mich weder Vergangenheit noch Zukunft und ich genoß zugleich die Wonnen von tausend Jahrhunderten. Ach! und ihr seid verschwunden wie ein Blitz. Diese Ewigkeit von Glück war nur ein Augenblick meines Lebens. Die Zeit hat in dem Stundenschlag meiner Verzweiflung ihren schleichenden Gang wiedergewonnen und der Ueberdruß mißt nach langen Jahren den unglücklichen Rest meiner Tage.

      Um sie mir vollends unerträglich zu machen, scheint sich Alles, was mir theuer war, je mehr mich die Trübsal beugt, desto mehr von mir loszusagen. Madame, es ist möglich, daß Sie mich noch lieb haben, aber andere Sorgen rufen Sie, andere Pflichten nehmen Sie in Anspruch. Meine Klagen, die Sie einst theilnehmend anhörten, sind jetzt zudringlich: Julie, Julie selbst ist muthlos worden und verläßt mich. Die unglücklichen Gewissensbisse haben die Liebe ausgetrieben. Alles ist für mich verwandelt; nur mein Herz ist stets das nämliche und mein Schicksal ist nur desto grauenvoller.

      Aber was liegt daran, wie mir zu Muthe ist und wie es mit mir werden soll? Julie leidet; ist da Zeit, an mich zu denken? Ach, ihre Schmerzen sind es, die die meinigen noch bitterer machen. Ja, ich wollte lieber, daß sie aufhörte mich zu lieben und glücklich würde .... Aufhören mich zu lieben! .... kann sie es hoffen? .... Nimmer, nimmer! Was ist's, daß sie mir verbietet, sie zu sehen und ihr zu schreiben? Nicht die Qual entfernt sie dadurch von sich, ach! nur den Tröster. Warum muß der Verlust einer zärtlichen Mutter sie des noch zärtlicheren Freundes berauben? Glaubt sie ihr Leiden zu lindern, indem sie es vervielfältigt? O Liebe, geht es an, auf deine Kosten die Natur zu rächen?

      Nein, nein! es ist umsonst, daß sie sich vornimmt, mich zu vergessen. Kann sich denn ihr zärtliches Herz von dem meinen trennen? Bleibt es nicht wider ihren Willen mein? All das, was wir einer durch den Andern genossen haben, ließe sich vergessen? Und kann man sich sein erinnern, ohne es von Neuem zu empfinden? Die sieghafte Liebe machte sie unglücklich, die besiegte wird sie nur noch beklagenswerther machen. Sie wird ihre Tage in Schmerz hinbringen, zugleich gefoltert von vergeblicher Reue und von vergeblichen Wünschen, ohne je weder die Liebe noch die Tugend zufriedenstellen zu können.

      Glauben Sie indessen nicht, daß ich, weil ich ihren Irrthum bedauere, mich deswegen weniger durch ihn gebunden achte. Nach so vielen Opfern ist es zu spät, daß man noch lerne ungehorsam zu sein. Sie befiehlt, das ist mir genug; sie soll nicht wieder von mir hören. Stellen Sie

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