Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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raubte mir bald die wenige Besinnung, die ich noch hatte. Ich fand mich mit Erstaunen, als ich zu mir kam, in einem abgesonderten Cabinet, in den Armen einer dieser Creaturen und zugleich in Verzweiflung, daß ich mich so strafbar fühlte, als ich nur sein konnte....[Man kann hier zwei Stellen der ,,Bekenntnisse" vergleichen. An der einen (Th. 5, S. 11-12) bezieht sich Rousseau selbst auf die obige Scene der N. Heloise. Die andere (Th. 4, S. 62-63) ist in Bezug auf die falsche Scham bemerkenswerth, welche Julie im folgenden (27.) Briefe ihrem Frendre zum Vorwurf macht. D. Ueb.].

      Meine abscheuliche Geschichte ist aus; möge sie nicht weiter deine Blicke und mein Gedächtniß besudeln! O du, von der ich mein Urtheil erwarte, ich bitte dich flehentlich, sei strenge, ich habe es verdient. Wie du mich auch strafst, es wird weniger hart für mich sein als der Gedanke an mein Verbrechen.

      Siebenundzwanzigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Beruhigen Sie sich wegen der Furcht, mich erzürnt zu haben: Ihr Brief hat mir mehr Schmerz als Zorn verursacht. Nicht mich, sich selbst haben Sie beleidigt durch eine Unordnung, an der das Herz keinen Theil hatte; es ist mir nur um so schmerzlicher: ich wollte lieber mich beschimpft als Sie erniedrigt sehen, und das Unrecht, das Sie sich selbst zufügen, ist das einzige, das ich Ihnen nicht verzeihen kann.

      Den Fehltritt, dessen Sie sich schämen, nur an sich betrachtet, finden Sie sich weit strafbarer als Sie sind, und ich finde Ihnen bei dieser Gelegenheit nichts vorzuwerfen als Unklugheit, aber diese liegt weiter zurück und hat eine tiefere Wurzel, die Sie selbst unbemerkt lassen und die Ihnen die Freundschaft aufdecken muß.

      Ihr erstes Versehen besteht darin, daß Sie bei Ihrem Eintritte in die Welt einen falschen Weg eingeschlagen haben: je weiter Sie schreiten, desto mehr verirren Sie sich, und ich sehe mit Schaudern, daß Sie verloren sind, wenn Sie nicht umkehren, Sie lassen sich unvermerkt in die Falle locken, die ich gefürchtet hatte. Die grobe Lockspeise des Lasters konnte Sie zuerst nicht reizen, aber die schlechte Gesellschaft hat damit angefangen, Ihre Vernunft irre zu führen, um Ihre Tugend zu zerstören, und macht nunmehr mit ihren Grundsätzen schon den ersten Versuch auf Ihre Sitten.

      Obgleich Sie mir nichts Genaueres über die Gewohnheiten gesagt haben, welche Sie in Paris angenommen haben, ist es doch leicht, aus Ihren Briefen auf Ihren Umgang und aus Ihrer Auffassung der Dinge auf die Art Menschen, die sie Ihnen zeigen, einen Schluß zu machen. Ich habe Ihnen nicht verhehlt, wie wenig ich mit Ihren Berichten zufrieden war, Sie fuhren in demselben Tone fort und mein Mißvergnügen hat nur zugenommen. In Wahrheit, man möchte diese Briefe eher für Spottreden eines Petit-maitre [Gute Julie, aus wie vielerlei Gründen wirst du ausgelacht werden! Ei, ei, nicht winmal den Ton des Tages hast du! weißt nicht einmal, daß es wohl petites-maitresses giebt, aber keine petits-maitres mehr. Guter Gott! aber was weißt du denn?] als für Berichte eines Philosophen halten, und man hat Mühe zu glauben, daß sie von derselben Hand sind wie jene, die sie mir ehemals schrieben. Wie! Sie meinen die Menschen studiren zu können in den kümmerlichen Manieren einiger Coterien von Preziösen und Müßiggängern, und dieser äußerliche, veränderte Firniß, der kaum Ihren Blick auf sich zu ziehen verdiente, die Grundlage aller Ihrer Bemerkungen aus. Lohnte es denn der Mühe, mit so vielem Fleiß Gebräuche und Anstandsformen zusammenzulesen, die in zehn Jahren nicht mehr existiren werden, während die ewigen Triebfedern des menschlichen Herzens, das stete verborgene Spiel der Leidenschaften Ihren Nachforschungen entgeht? Nehmen wir Ihren Brief über die Frauen, was finde ich darin, das mich mit ihnen bekannt machen könnte? Ein Bißchen Beschreibung ihrer Art sich zu putzen, was alle Welt kennt; ein Bißchen boshafte Bemerkungen über ihre Art sich zu präsentiren, über das ungeregelte Leben einer kleinen Anzahl, das sie ungerechterweise zum Allgemeinen machen, als ob alles sittliche Gefühl in Paris erstorben wäre und als ob alle Frauen dort in Kutschen führen und Logen des ersten Ranges besuchten! Haben Sie mir irgend Etwas gesagt, das mich gründlich belehrte über ihre Denkungsart, ihre Neigungen, ihren wahren Charakter? und ist es nicht sehr sonderbar, daß ein vernünftiger Mann, der über die Frauen eines Landes spricht, Alles bei Seite läßt, was die Hauswirthschaft und die Kindererziehung betrifft [Und warum sollte er es nicht bei Seite lassen? Sind das Angelegenheiten, welche sie kümmern? Ei, was sollte da aus der Welt und aus dem Staate werden? Berühmte Autoren, qefeierte Akademiker, was sollte aus euch allen werden, wenn die Frauen ihr Scepter in der Literatur und in den Staatsgeschäften niederlegten, um das der Hauswirthschaft in die Hand zu nehmen?]? Das Einzige, was in diesem ganzen Briefe Sie verräth, ist das Vergnügen, das Sie darin finden, ihre natürliche Gutherzigkeit zu loben und das der Ihrigen Ehre macht; und auch darin haben Sie weiter Nichts gethan als dem Geschlecht im Allgemeinen Gerechtigkeit widerfahren lassen: in welchem Lande der Welt wäre nicht Sanftmuth und mitleidiger Sinn der liebenswürdige Antheil der Frauen?

      Wie anders wäre das Gemälde ausgefallen, wenn Sie mir mehr geschildert hätten, was Sie selbst sahen, als was man Ihnen gesagt hat, oder wenigstens, wenn Sie verständige Leute zu Rathe gezogen hätten? Müssen Sie, sich so viele Mühe gegeben haben, Ihr Urtheil gesund zu erhalten, es ordentlich wie mit Fleiß zu Grunde richten im Umgange mit leichtsinnigen jungen Leuten, die in der Gesellschaft sittsame Personen nur deshalb aufsuchen, um sie zu verführen, nicht um von ihnen zu lernen! Sie geben falschen Anforderungen des Alters nach, die Ihnen nicht zusagen und lassen die der Vernunft und Besonnenheit außer Acht, die Ihnen wesentlich sind. Bei all Ihrem aufbrausenden Wesen sind Sie der nachgiebigste Mensch und bei aller Reife Ihres Geistes lassen Sie sich so von Denen leiten, mit denen Sie leben, daß Sie sich mit Leuten in Ihrem Alter nicht abgeben können, ohne sich tiefer zu stellen und wieder Kind zu werden. Sie setzen sich also herunter, indem Sie passend zu wählen glauben und bringen sich unter Ihren eigenen Standpunkt, wenn Sie sich nicht Freunde suchen, die verständiger sind als Sie.

      Ich mache Ihnen nicht das zum Vorwurf, daß Sie, ohne es zu wissen, in ein unanständiges Haus geführt worden sind, wohl aber, daß Sie von jungen Officieren hingeführt wurden, die Sie nicht kennen sollten, oder denen Sie es wenigstens nicht überlassen sollten, Ihre Vergnügungen anzuordnen. In dem Vorhaben, diese Leute zu Ihren Grundsätzen zu bekehren, finde ich mehr gute Absicht als Klugheit: wenn Sie zu ernst sind, um ihr Kamerad zu sein, sind Sie doch zu jung, um ihr Mentor zu sein, und Sie sollten sich nicht darauf einlassen. Andere zu bessern, als bis Sie an sich selbst nichts mehr zu thun finden.

      Ein zweiter noch schwererer und weit weniger verzeihlicher Fehler ist, daß Sie es vermocht haben, den Abend an einem Ihrer so wenig würdigen Orte zuzubringen und daß Sie nicht augenblicklich hinweggeeilt sind, sobald Sie gemerkt hatten, in was für einem Hause Sie sich befänden, Ihre Entschuldigungen in dieser Hinsicht sind kläglich. „Es war zu spät, um jetzt noch zurückzutreten!" als ob man an einem solchen Orte irgend eine Höflichkeitsrücksicht zu nehmen hätte, oder als ob die Höflichkeit jemals der Tugend vorgezogen werden dürfte und es je zu spät wäre, Unrecht zu meiden. Was das betrifft, daß Sie sich durch Ihren Widerwillen gesichert glaubten, so will ich nichts darüber sagen, der Ausgang hat Ihnen gezeigt, mit welchem Grunde. Seien Sie aber offner gegen Die, welche in Ihrem Herzen zu lesen versteht: die Scham war es, die Sie zurückhielt. Sie fürchteten, daß man sich über Sie lustig machen würde, wenn Sie gingen; der Augenblick des Auslachens machte Ihnen bange und Sie wollten sich lieber Gewissensbissen als dem Gespötte aussetzen. Wissen Sie wohl, welchen Grundsatz Sie bei dieser Gelegenheit befolgten? Einen solchen, der dem Laster den ersten Eingang öffnet in eine von Natur gute Seele, der die Stimme des Gewissens mit dem Schall der allgemeinen Meinung erstickt und die Kühnheit, Recht zu thun, durch Furcht vor Tadel unterdrückt. Mancher würde Versuchungen besiegen, der bösen Beispielen erliegt; mancher erröthet, sittsam zu sein und wird frech aus Scham, und solche falsche Scham verdirbt mehr züchtige Herzen, als es böse Neigungen thun. Davor besonders müssen Sie das Ihrige behüten: denn, was Sie auch thun mögen, die Furcht sich lächerlich zu machen, die Sie verachten, beherrscht Sie dennoch wider Ihren Willen, Sie würden eher hundert Gefahren Trotz bieten als einer Spötterei und man

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