Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Fallthüren versehen, an deren Aufgehen man seiner Zeit bemerkt, daß die bösen Geister aus dem Keller heraufsteigen werden. Wenn sie sich in die Lüfte erheben sollen, so werden ihnen geschickt kleine Dämonen aus braunem Zeuge mit Stroh ausgestopft untergeschoben oder manchmal wirkliche Schornsteinfeger, die an Stricken in der Luft baumeln, bis sie sich majestätisch in die vorerwähnten blauen Lappen verlieren. Wirklich tragisch aber ist dabei, daß die höllischen Geister oder unsterblichen Götter, wenn die Schnüre schlecht geleitet werden oder reißen, herunterfallen, sich die Glieder entzweibrechen und manchmal das Genick. Rechnen Sie zu dem Allen die Ungeheuer hinzu, die manche Scenen sehr schauerlich machen, als zum Exempel Drachen, Eidechsen, Krokodile, riesige Kröten, die mit dräuenden Geberden auf dem Theater herumspazieren und

      uns in der Oper ein Bild von den Versuchungen des heiligen Antonius vor Augen stellen. In jeder solchen Figur steckt ein Tölpel von Savoyarden, der nicht Witz genug hat, eine Bestie zu spielen.

      Da haben Sie, Cousinchen, so ziemlich die ganze Herrlichkeit der Opernausstattung, so viel ich aus dem Parterre mit Hülfe meiner Lorgnette habe wahrnehmen können; denn Sie müssen sich nur nicht vorstellen, daß die Hülfsmittel sehr versteckt sind und daß eine überraschende Wirkung hervorgebracht wird; ich sage Ihnen hierin nur, was ich mit eigenen Augen gesehen habe und was jeder unbefangene Zuschauer ebenso gut wahrnehmen kann. Dennoch wird versichert, daß eine unglaubliche Menge von Maschinen thätig ist, um das Alles in Bewegung zu setzen; man hat sich mehrmals erboten, sie mir zu zeigen, aber ich bin nie neugierig gewesen, zu sehen, wie man kleine Dinge mit großen Anstrengungen zu Stande bringt.

      Die Menge von Leuten, welche zu dem Dienste der Oper verwendet werden, ist unglaublich. Das Orchester und die Chöre bestehen zusammen aus beinahe hundert Personen: man hat eine Masse von Tänzern; alle Rollen sind doppelt und dreifach besetzt [In Italien weiß man nichts von Doppelbesetzung, das Publikum würde so etwas nicht dulden; auch ist das Theater nicht so theuer. Man will so viel Geld nicht wegwerfen, um schlecht bedient zu werden.], d. h. Es sind immer ein oder zwei untergeordnete Schauspieler in Bereitschaft, den Hauptschauspieler nöthigenfalls zu vertreten, und werden dafür bezahlt, daß sie nichts thun, bis es einmal Jenem gefällt, Nichts zu thun, was aber niemals lange auf sich warten läßt. Nach einigen Vorstellungen beehren die Hauptschauspieler, welche wichtige Personen sind, das Publikum nicht mehr mit ihrer Erscheinung, sondern überlassen ihren Platz ihren Substituten oder den Substituten ihrer Substituten.

      Man nimmt an der Thüre immer dasselbe Eintrittsgeld wie Anfangs, giebt aber nicht mehr dasselbe Schauspiel. Jedermann nimmt sein Billet wie in der Lotterie, ohne zu wissen, was für ein Loos er gezogen haben werde, und wie es auch ausfalle, Niemand würde so kühn sein, sich zu beklagen; denn, daß Sie es wissen, die edeln Mitglieder dieser Akademie sind dem Publikum keine Achtung schuldig, das Publikum nur ihnen.

      Von dem Charakter der Musik will ich Ihnen Nichts sagen; Sie kennen ihn. Aber etwas, wovon Sie sich keine Vorstellung machen können, ist das fürchterliche Geschrei, das langgedehnte Heulen, wovon das Theater während der Vorstellung widerhallt. Man sieht die Sängerinnen fast in Convulsionen diese Jammertöne mit Gewalt aus ihren Lungen reißen, die Fäuste gegen die Brust gepreßt, den Kopf zurückgeworfen, das Gesicht feuerroth, die Gefäße angeschwellt, den Magen arbeitend; man weiß nicht, was am widrigsten berührt ist, Ohr oder Auge, Ihre Verzerrungen foltern den Zuschauer ebenso sehr als ihr Gesang den Hörer, und das Unbegreifliche dabei ist, daß dieses Gebrüll fast das einzige ist, was das Publikum beklatscht. Ihrem Klatschen nach sollte man sie für Taube halten, die entzückt sind, wenn sie hin und wieder einmal einen recht durchdringenden Schrei auffangen, und die Schauspieler aufmuntern wollen, noch besser zu schreien. Ich für mein Theil bin überzeugt, daß das Gekreisch einer Sängerin in der Oper auf keine andere Art beklatscht wird, als die Kraftstücke eines Gauklers auf dem Jahrmarkt; der Eindruck davon ist ängstigend und peinlich, man fühlt sich unbehaglich, so lange sie dauern, und man ist so zufrieden, endlich Alles glücklich ablaufen zu sehen, daß man von Herzen seine Freude zu erkennen giebt. Denken Sie nur, daß diese Art zu singen angewendet wird, um Quinault's galanteste und zärtlichste Sachen auszudrücken. Stellen Sie sich die Musen, die Grazien, Amoretten, eine Venus vor, die sich in dieser zarten Weise zum Besten geben und Sie können über die Wirkung nicht in Zweifel sein. Für die bösen Geister mag die Manier hingehen; sie hat etwas Infernalisches, das denselben recht gut steht. Auch sind die Zaubereien, Beschwörungen und sonstiger Teufelsspuk immer dasjenige, was in der Opéra françois die lebbafteste Bewunderung erregt. Diese herrlichen Töne, deren Reinheit ihrer Sanftheit nichts nachgiebt, unterstützt das Orchester würdig mit den seinigen. Stellen Sie sich ein endloses Charivari ohne Melodie vor, ein ewiges schleppendes Rumrum von Bässen, das leichenhafteste, schläfrigste Wesen, das ich in meinem Leben gehört habe, und das ich keine halbe Stunde aushalten kann, ohne daß es mir heftige Kopfschmerzen macht. Das Alles bildet zusammen eine Art Psalmodie, in der gemeinlich weder Gesang noch Rhythmus zu spüren ist. Tritt dann zufällig einmal eine etwas hüpfende Melodie ein, so entsteht ein allgemeines Stampfen, man hört das ganze Parterre mit vieler Noth und großem Geräusch einem gewissen Mann im Orchester [Dem Bucheron. R. Bucheron (hier der Taktangeber, Dirigent) bedeutet eigentlich Holzhacker, Im Dictionnaire de Musique sagt Rousseau: ,,Man hat bemerkt, daß unter allen Orchestern in Europa, das der Pariser Oper, wiewohl es eines der zahlreichsten ist, doch am wenigsten Effect macht. Die Ursachen sind leicht einzusehen: 1) die schlechte Constitution des Orchesters, das tief im Boden liegend, von einer schweren massiven und mit Eisen beladenen hölzernen Einfriedung umgeben ist, alle Resonanz erstickt; 2) die schlechte Auswahl der Instrumentisten, die meistens nach Gunst angestellt, kaum einen Begriff von Musik haben und kein Ensemble zu Stande bringen; 3) ihre tödliche Gewohnheit ohne Ende zu klimpern, zu stimmen, zu präludiren, ohne es zum Stimmen zu bringen; 4) die französische Art, im Allgemeinen Alles zu vernachlässigen und zu verachten. was zur täglichen Pflicht wird; 5) die schlechten Instrumente, welche an Ort und Stelle bleiben, immer nichtsnutziger Ausschuß sind und die Bestimmunq haben, während der Vorstellung zu winseln und in den Zwischenzeiten zu verstocken; 6) die schlechte Aufstellung des Dirigenten, der nicht am Proscenium seinen Platz hat und, ganz mit den Schauspielern beschäftigt, sein Orchester, dem er den Rücken zukehrt, statt es unter Augen zu haben. nicht hinlänglich überwachen kann; 7) das unleidliche Klappen seines Taktstocks, welches die Musik überschallt und ihren Effect zu nichte macht; 8) die schlechte Harmonie in den Compositionen u. s. w.“ D. Ueb.] nachtappen. Sie fühlen sich einen Augenblick angenehm erregt von dieser rhythmischen Bewegung, für die sie so wenig Sinn haben und martern ihr Ohr, ihre Stimme, ihre Arme, ihre Füße, den ganzen Leib, um dem Takte [Ich finde, daß man die leichten Melodien in der französischen Musik nicht übel mit dem Galopp einer Kuh oder den Fliegeversuchen einer fetten Gans verglichen hat.] nachzukommen, der ihnen immer wieder entwischt; während der Deutsche und der Italiener, denen er in der Seele liegt, ihn fühlen und, ohne Anstrengung folgend, niemals nöthig haben, ihn zu schlagen. Wenigstens hat mir Regianino oft gesagt, daß bei der Oper in Italien, wo doch der Rhythmus so hervortretend und lebendig ist, sich nie, weder im Orchester noch unter den Zuschauern, auch nur ein Glied rührt, um den Takt zu marlieren. Hier zu Lande jedoch verräth Alles die Härte des musikalischen Organs; die Stimmen sind rauh und unmelodisch, die Biegung scharf und gewaltsam, die Töne angestrengt und schleppend; in den Melodien ist kein Fluß, keine Declamation; die Regiments-Musik, die Pfeifer bei der Infanterie, die Cavalerietrompeter, alle Hornisten, alle Hauptboisten, die Sänger auf den Straßen, die Dorfmusikanten, alle spielen und singen so falsch, daß man nicht alle Talente dan nämlichen Menschen verliehen, und den Franzosen scheint die musikalische Fähigkeit am wenigsten unter allen europäischen Völkern zugefallen zu sein. Milord Eduard behauptet, daß auch die Engländer wenig davon haben; der Unterschied ist aber, daß diese es wissen und sich aus der Musik nichts machen, wogegen die Franzosen lieber tausend gerechte Ansprüche aufgeben und sich das Verdammungsurtheil über jede andere Sache gefallen lassen würden, ehe sie eingestehen, daß sie nicht die ersten Musiker der Welt sind, Es giebt sogar Leute, die gern die Pariser Musik als eine Staatsangelegenheit betrachten möchten, vielleicht, weil es in Sparta eine war, der Lyra des Timotheus zwei Saiten abzuschneiden; dagegen, fühlen Sie wohl, läßt sich nichts einwenden. Wie dem nun sei, die Pariser Oper möge immerhin eine herrliche politische Institution sein, den Leuten von

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