Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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zu sprechen. Diese sind die brillanteste Partie der Oper, und wenn man sie für sich allein nimmt, bilden sie ein angenehmes, prachtvolles und wahrhaft theatralisches Schauspiel; nun aber geben sie einen wesentlichen Bestandtheil des Stückes ab, und unter diesem Gesichtspunkte sind sie zu betrachten, Sie kennen die Quinaultschen Opern; Sie wissen, wie die Divertissements in denselben angebracht sind. Bei seinen Nachfolgern ist es ungefähr ebenso oder noch schlimmer. In jedem Akte wird die Handlung im Augenblicke der größten Spannung durch ein Fest unterbrochen, welches den Schauspielern, die sich dazu niedersetzen, gegeben und vom Parterre stehend angesehen wird [Vergl. über das „Divertissement“ die Anmerkung zum 5. Theil der „Bekenntnisse“ S. 44. D. Ueb.]. Dabei geschieht es denn, daß man die Personen des Stücks gänzlich vergißt, oder daß die Zuschauer die Schauspieler ansehen, die wieder etwas Anderes ansehen. Die Art diese Feste herbeizuführen, ist einfach; wenn der Prinz vergnügt ist, so nimmt man Theil an seiner Freude und tanzt; wenn er betrübt ist, so will man ihn aufheitern, und tanzt. Ich weiß nicht, ob es an den Höfen so Mode ist, daß man den Königen geschwind einen Ball giebt, wenn sie übler Laune sind; ich weiß nur in Bezug auf die Theaterprinzen, daß man die stoische Ruhe nicht genug bewundern kann, mit welcher sie einer Gavotte zusehen oder ein Chanson anhören, während vielleicht über ihre Krone oder über ihr Leben hinter den Coulissen entschieden wird. Es giebt aber auch noch viele andere Anlässe zum Tanz; die wichtigsten und ernstesten Actionen des Lebens geschehen tanzend, Priester tanzen, Soldaten tanzen, Götter tanzen, Teufel tanzen. Es wird getanzt und sollte es noch bei dem Begräbnisse sein, kurz Alles wird von Allen betanzt.

      Der Tanz ist also die vierte der schönen Künste, welche zur Herstellung der lyrischen Bühne verwendet werden: die drei anderen haben ihr Wesen in der Nachahmung; aber diese, was ahmt sie nach? Nichts. Der Tanz ist also ein Hors-d'Oeuvre, wenn er eben nur als Tanz angewendet wird; denn was haben Menuetten Rigaudons, Chaconnes in einer Tragödie zu schaffen? Noch mehr, er würde nicht weniger am unrechten Orte sein, wenn er auch etwas nachahmte, weil von allen Einheiten keine unerläßlicher ist, als die der Sprache, und eine Oper, in der die Handlung halb in Gesang, halb in Tanz vor sich ginge, würde noch lächerlicher sein als eine, in der zur Hälfte italienisch und zur Hälfte französisch gesprochen würde.

      Nicht zufrieden, den Tanz als Bestandtheil des lyrischen Dramas einzuführen, haben sie sich manchmal sogar gequält, ihn zur Hauptsache zu machen; sie haben Opern, Ballete [Vergl. „Bekenntnisse“ Th. 4. S. 28 Anm. und was daselbst oben im Texte Rousseau über den Entwurf zu seinem „heroischen Ballet“ erzählt. D. Ueb.] genannt, welche ihrem Titel so schlecht entsprechen, daß der Tanz darin nicht weniger übel angebracht ist als in allen übrigen. Die meisten dieser Ballets enthalten eben so viele verschiedenartige Sujets als Akte, und diese Sujets sind mit einander durch gewisse metaphysische Beziehungen verbunden, von denen der Zuschauer sicherlich nichts merken würde, wenn nicht der Verfasser Bedacht nähme, ihn im Prologe darüber aufzuklären. Die Jahreszeiten, die Lebensalter, die Sinne, die Elemente — ich frage, in welcher Beziehung stehen alle diese Titel zum Tanzen und was können sie der Phantasie in dieser Hinsicht für Stoff zuführen? Manche sind auch blos allegorisch, wie das Carneval und die Narrheit; und diese sind die unerträglichsten von allen, weil sie, bei viel Feinheit, Witz und Geist, weder Gefühle, noch Gemälde, noch Situationen, noch Wärme, noch Interesse darbieten, noch irgend etwas, was der Musik einen Anhalt geben, dem Herzen schmeicheln und die Täuschung nähren kann. In diesen sogenannten Ballets geht die Handlung immer im Gesange vor sich, der Tanz unterbricht die Handlung stets oder ist nur zufällig da und ahmt nichts nach. Das Einzige ist noch, daß bei diesen Ballets, die noch uninteressanter sind als die tragischen Opern, die Unterbrechung weniger auffällt: wären sie weniger frostig, so würde man daran größeren Anstoß nehmen; nun aber bedeckt der eine Fehler den anderen, und die Kunst der Verfasser besteht darin, daß sie, um zu verhindern, daß der Tanz langweile, dafür sorgen, daß das Stück langweilig sei.

      Dies führt mich ungesucht auf Betrachtungen über die wahre Beschaffenheit des lyrischen Drama, die aber von zu großem Umfange für diesen Brief sein und mich von meinem Gegenstande zu sehr ablenken würden; ich habe nun eine kleine Abhandlung darüber niedergeschrieben, die ich Ihnen beilege und über die Sie mit Regianino plaudern können. Ueber die französische Oper hätte ich noch zu sagen, daß der größte Fehler, den ich an ihr zu bemerken glaube, eine falsche Liebe zum Prächtigen ist, durch die man sich verleiten läßt, das Wunderbare zur Darstellung zu bringen, ohne zu bedenken, daß dieses, welches nur in der Phantasie ergriffen werden kann, in einem epischen Gedichte wohl an seiner Stelle, auf dem Theater aber lächerlich ist. Ich hätte es schwerlich für möglich gehalten, wenn ich es nicht gesehen hätte, daß Decorateure ungeschickt genug sind, den Sonnenwagen nachahmen zu wollen, und Zuschauer kindisch genug, diese Nachahmung anzugaffen. La Bruyère begriff nicht, wie ein so prachtvolles Schauspiel als die Oper ihn für sein theures Geld so langweilen könnte. Ich begreife es vollkommen, ich, der ich kein La Bruyère bin, und ich behaupte, daß für jeden Menschen, der nicht ganz entblößt von Geschmack in den schönen Künsten ist, die französische Musik, der Tanz und das Wunderbare zusammengenommen, die Pariser Oper nothwendig zu dem langweiligsten Schauspiele machen müssen, das nur denkbar ist. Allem nach würde vielleicht für die Franzosen ein vollkommeneres gar nicht einmal taugen, wenigstens was Ausführung betrifft; nicht, daß sie das Gute würdigen zu lernen außer Stande wären, aber das Schlechte amüsirt sie nun einmal mehr als das Gute. Sie mögen lieber bespötteln als Beifall geben; das Vergnügen der Kritik entschädigt sie für die Langweiligkeit des Schauspiels, und es ist ihnen angenehmer, sich darüber lustig zu machen, wenn sie hinaus sind, als sich drinnen zu gefallen.

      Vierundzwanzigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Ja, ja, ich sehe es wohl, die glückliche Julie ist dir stets theuer. Noch ganz das Feuer, das ehedem aus deinen Augen strahlte, läßt sich in deinem letzten Briefe spüren; ich finde in ihm alle die Glut, die mich beseelt und die meinige entbrennt daran noch mehr. Ja, mein Freund, laß immer das Schicksal uns trennen, wir wollen nur unsere Herzen fest an einander schließen, daß sie sich ihre natürliche Wärme mittheilen wider allen Frost des Fernseins und der Verzweiflung, und Alles, was unsere Anhänglichkeit lockern sollte, möge nur dazu dienen, sie immer fester und fester zu schlingen.

      Stelle dir aber vor, was für ein Kind ich bin: seit ich diesen Brief erhalten habe, spüre ich etwas von den zauberischen Wirkungen, von denen er spricht, und der Scherz mit dem Talisman, obgleich von mir selbst ersonnen, bestrickt mich und kommt mir wie Wahrheit vor. Hundertmal des Tages, wenn ich allein bin, ergreift mich ein Beben, als fühlte ich dich neben mir. Ich bilde mir ein, daß du mein Bild in den Händen hältst, und ich bin so närrisch, daß ich die Küsse, mit denen du es bedeckst, zu fühlen glaube; mein Mund glaubt sie zu empfangen, mein liebendes Herz sie zu genießen, O süße Täuschungen! O Trugbilder! letzte Zuflucht des Unglücklichen! ach, dient uns, wenn es möglich ist, anstatt der Wirklichkeit! Ihr seid doch immer noch etwas für Den, dem das Glück nichts mehr ist.

      Wie ich es angestellt habe, dieses Porträt zu erlangen? Ja, die Liebe hat dabei gewaltet, aber glaube mir, wenn es wahr wäre, daß sie Wunder thun kann, so würde sie sich nicht dieses ausgesucht haben. Wir hatten vor einiger Zeit einen Miniaturmaler hier, der aus Italien kam; er brachte Briefe von Milord Eduard, der vielleicht, als er sie ihm gab, das im Auge hatte, was geschehen ist. Herr von Orbe wollte die Gelegenheit benutzen, um meine Cousine malen zu lassen; ich wollte ihr Porträt ebenfalls haben, Sie und meine Mutter verlangten das meinige, und auf meine Bitte machte er heimlich noch eine Copie. Ich wählte dann, ohne mich um Original oder Copie zu kümmern, schlau das ähnlichste von den dreien, um es dir zu schicken. Das ist ein Schelmstreich, aus dem ich mir kein großes Gewissen gemacht habe, denn auf ein Bißchen Aehnlichkeit mehr oder minder kommt es meiner Mutter und meiner Cousine nicht an; aber die Huldigungen, die du einem andern Gesichte als dem meinigen darbrächtest, wären eine Art Untreue und um so gefährlicher, je mehr mein Porträt mich überträfe, und auf alle Fälle will ich nicht,

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