Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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sie wahrlich würde man dort das habgierige und unersättliche Gesindel sich wie die Wölfe zerreißen sehen.

      Dahinter würde ich nicht gekommen sein, wenn ich mich nur an die Schilderungen des Roman- und Lustspieldichters gehalten hätte, der an den Frauen immer eher die Lächerlichkeiten entdeckt, die ihm mit ihnen gemein sind, als die guten Eigenschaften, die ihm selbst abgehen, oder der, anstatt sie zum Guten anzuspornen durch Belobung solcher Tugenden, die sie wirklich üben, ihnen Meisterstücke der Tugend vor Augen stellt, deren Nachahmung sie sich gar nicht zumuthen, weil sie sie für leere Hirngespinnste halten. Der Roman ist vielleicht das letzte Unterrichtsmittel, welches noch übrig bleibt für ein Volk, das so verderbt ist, daß kein anderes Mittel mehr bei ihm anschlägt; ich wollte, die Abfassung derartiger Bücher wäre in diesem Falle nur gesitteten und dabei gefühlvollen Leuten verstattet, deren Herz sich in ihren Schriften abspiegelte, Schriststellern, die nicht erhaben wären über menschliche Schwachheit, die nicht die Tugend auf einmal hoch im Himmel außer dem Bereiche menschlicher Kräfte darstellten, sondern ihr Liebe gewönnen, indem sie sie Anfangs minder streng erscheinen ließen und aus dem Schooße des Lasters heraus unvermerkt zu ihr hinzuleiten verstünden.

      Ich habe es dir vorausgesagt, ich bin in keiner Hinsicht der gewöhnlichen Ansicht über die Frauen hier zu Lande. Es ist nur Eine Stimme darüber, daß der erste Eindruck, den sie machen, bezaubernd sei; man findet an ihnen die verführerischste Grazie, die raffinirteste Koketterie, die Quintessenz der Galanterie und die Kunst zu gefallen im allerhöchsten Grade. Ich aber, ich finde den ersten Eindruck anstößig, ihre Koketterie widrig und ihre Manieren unzüchtig. Ich denke mir, daß das Herz sich allen ihren Avancen nur verschließen kann und man wird mich nicht überreden, daß sie im Stande seien, einen einzigen Augenblick von Liebe zu sprechen, ohne daß sie sich dabei eben so unfähig zeigen, sie zu erwecken, als sie zu fühlen.

      Auf der anderen Seite räth der Leumund, ihrem Charakter zu mißtrauen, schildert sie leichtfertig, verschlagen, ränkevoll, unbesonnen, flatterhaft, gut schwatzend, aber nicht denkend, noch weniger fühlend, und so ihren ganzen Werth in leerem Geplapper ausgebend. Alles das scheint mir nur ihr äußerliches Wesen wie ihre Reifröcke und ihr Roth. Es sind Paradelaster, die man in Paris haben muß, und die bei ihnen, im Grunde Sinn, Verstand, Menschenfreundlichkeit, Gutmüthigkeit verbergen. Sie sind weniger plaudersüchtig und klatschhaft als die Frauen bei uns und vielleicht irgendwo in der Welt. Sie sind gründlicher unterrichtet, und was sie gelernt haben, hat mehr zur Bildung ihres Geistes geholfen. Mit Einem Worte, wenn sie mir in Allem mißfallen, was ihrem Geschlecht eigen ist, das sie verunstaltet haben, schätze ich sie doch aus Rücksicht auf Bezüge, die uns in dem unsrigen Ehre machen, und ich finde, daß sie tausendmal eher verdienstvolle Männer sein könnten, als liebenswürdige Frauen.

      Schluß: wenn Julie auch nicht gewesen wäre, wenn mein Herz einer andern Neigung fähig gewesen wäre, als der, für die es geschaffen ist, würde ich mir doch niemals in Paris meine Frau gesucht haben, noch weniger meine Geliebte, aber ich hätte mir gern dort eine Freundin gemacht, und dieser Schatz hätte mich vielleicht dafür getröstet, daß ich dort die beiden anderen nicht finden konnte [Ich werde mich wohl hüten, über diesen Brief eine Meinung abzugeben aber ich glaube nicht, daß ein Urtheil, welches Denen, die es betrifft, freigebig Eigenschaften zutheilt, die sie verachten, und ihnen die einzigen, denen sie Werth beilegen, abspricht, sehr geeignet sei, eine gute Aufnahme bei ihnen zu finden.].

      Zweiundzwanzigster Brief.

       An Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Seit Empfang deines Briefes bin ich täglich zu Herrn Silvestre nach dem Päckchen gegangen. Es war noch immer nicht angekommen, und von tödtlicher Ungeduld verzehrt, habe ich den Weg siebenmal vergeblich gemacht. Endlich am achten Tage erhielt ich es. Kaum hatte ich es in der Hand, als ich, ohne das Porto zu bezahlen, ohne mich darnach zu erkundigen, ohne Jemanden ein Wort zu sagen, wie ein Toller hinauslief, und, nichts im Sinne als in meiner Stube zu sein, mit solcher Hast durch Straßen flog, die ich nicht kannte, daß ich mich nach einer halben Stunde, als ich mich nach der Straße Tournon umsah, wo ich wohne, im Marais, am andern Ende von Paris fand. Ich war genöthigt, einen Fiaker zu nehmen, um schneller nach Hause zu kommen; es ist das erste Mal, daß mir dies Morgens in Geschäften begegnet ist, ich nehme selbst Nachmittags zu meinen Paar Besuchen nur ungern einen, denn ich habe zwei sehr gesunde Beine, und es würde mir leid sein, diese, weil ich ein bißchen besser mein Auskommen habe, aus der Uebung kommen zu lassen.

      Mein Packet machte mir in meinem Fiaker viel Noth; ich wollte es nicht eher öffnen als zu Hause, das war dein Befehl. Ohnehin ist mir Bequemlichkeit, deren ich bei alltäglichen Dingen zu vergessen pflege, aus einer Art Leckerei bei wahren Genüssen etwas, das ich mit allem Fleiße suche. Ich kann bei solchen keine Art von Zerstreuung leiden, und ich will Zeit und meine volle Muße haben, um Alles zu schlürfen, was von dir kommt. Ich hielt also das Packet mit unruhiger Neugier, deren ich nicht Meister werden konnte; ich versuchte, durch die Umschläge zu fühlen, was wohl darin sein könnte, und man hätte denken sollen, daß es mir die Hände verbrenne, wenn man seine beständige Wanderung aus einer in die andere sah. Nicht als ob ich nicht nach dem Umfang und Gewicht und nach dem Tone deines Briefes eine Ahnung von der Wahrheit gehabt hätte, aber wie sollte ich es mir nur möglich denken, daß du den Maler und die Gelegenheit gefunden haben könntest? Das ist mir auch noch jetzt ein Räthsel; es ist ein Mirakel der Liebe; je mehr es meine Vernunft übersteigt, desto wonniger entzückt es mein Herz, und das gehört mit zu der Freude, die es mir verursacht, daß ich die Sache völlig unbegreiflich finde.

      Endlich bin ich da, ich fliege, ich schließe mich in mein Zimmer ein, ich setze mich athemlos nieder, fasse mit zitternder Hand das Siegel. O erste Wirkung des Talisman! Ich fühlte mein Herz klopfen bei jedem Papiere, das ich abnahm und hatte zuletzt eine solche Beklemmung, daß ich genöthigt war, bei dem letzten Umschlage einen Augenblick Athem zu schöpfen .... Julie! .... ach meine Julie! .... der Schleier ist zerrissen .... ich sehe dich ... ich sehe deinen himmlischen Liebreiz! mein Mund, mein Herz bringen ihm die erste Huldigung dar, meine Kniee sinken ein .... Angebetete Reize, noch einmal bezaubert ihr meine Augen! Wie rasch, wie mächtig, wie magisch ist die Wirkung dieser geliebten Züge! Nein, es bedarf nicht, wie du vorgiebst, einer Viertelstunde, um sie zu fühlen: eine Minute, ein Augenblick reicht hin, um meiner Brust tausend heiße Seufzer zu entreißen und mir mit deinem Bilde das Bild meines vergangenen Glückes zurückzurufen. Warum muß der Freude, einen so kostbaren Schatz zu besitzen, sich solche grausame Bitterkeit beimischen! O wie heftig mahnt es mich an die Zeiten, die nicht mehr sind! Ich glaube, indem ich es ansehe, dich noch zu sehen, ich glaube mich zurückversetzt in die köstlichen Augenblicke, deren Erinnerung jetzt das Unglück meines Lebens und die der Himmel mir geschenkt hat und geraubt in seinem Zorne. Ach! ein Augenblick enttäuscht mich, aller Schmerz der Trennung kehrt wieder und ist bitterer als zuvor, indem er mir den Wahn nimmt, der ihn hingehalten hatte, und ich bin gleich jenen Unglücklichen, deren Martern man nur unterbricht, um sie ihnen desto fühlbarer zu machen. Mein Gott! Welche Flammenströme trinken meine gierigen Augen in diesem unerwarteten Gegenstande! O, wie ruft er wieder wach im Grunde meines Herzens alle die ungestümen Regungen, die deine Gegenwart sonst erweckte! Julie! wenn es wahr wäre, daß es deinen Sinnen die süße Raserei, die Täuschung der meinigen durch Zauber mittheilen könnte! .... Aber warum sollte das nicht sein? Warum sollten Eindrücke, welche die Seele mit so großer Thätigkeit aufnimmt, nicht so weit reichen als sie selbst? Ach, liebe Geliebte, wo du seiest, was du thuest in dem Augenblicke, da ich diesen Brief schreibe, in dem Augenblicke, da dein Bildniß Alles empfängt, was dein abgöttischer Liebhaber an deine Person richtet, fühlst du nicht dein liebliches Gesicht von Thränen der Liebe und der Wehmuth überströmt? fühlst tu nicht deine Augen, deine Wangen, deinen Mund, deinen Busen gedrückt, gepreßt, mit meinen heißen Küssen bedeckt? fühlst du dich nicht ganz in Flammen gesetzt von dem Feuer meiner brennenden Lippen? .... Himmel! was höre ich? Es kommt Jemand, .... Ha! hinweg, in Verschluß meinen Schatz! …. Ein Ueberlästiger .... Verwünscht sei der Unmensch,

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