Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Mäßigung und feines Gefühl, und dieser Geschmack macht mir viel Freude, ich sehe weder gern Galonirungen noch Schmutzflecke. Es giebt kein Volk, das unsrige ausgenommen, wo die Frauen im Allgemeinen weniger goldenen Staat trügen. Man sieht die nämlichen Stoffe in allen Ständen, und man würde Mühe haben, die Herzogin von der Bürgersfrau zu unterscheiden, wenn jene nicht so geschickt gewesen wäre, Unterscheidungszeichen aufzufinden, die sich diese nicht nachzuahmen getraut. Die Sache scheint ihre Schwierigkeit zu haben; denn welche Mode man auch bei Hofe aufbringe, die Stadt folgt augenblicklich nach, und es ist mit den Bürgersfrauen in Paris nicht wie mit den Frauen in der Provinz und im Auslande, die immer erst bei derjenigen Mode stehen, mit der es vorbei ist. Es ist auch nicht wie in anderen Ländern, wo die Vornehmsten immer zugleich die Reichsten sind und ihre Frauen sich durch einen Luxus unterscheiden, den die anderen nicht mitmachen können. Wenn die Frauen vom Hofe hier diesen Weg einschlügen, so würden sie bald von denen der Financiers überflügelt sein.

      Was haben sie also gethan? Sie haben Mittel gewählt, sicherer, geschickter, mehr von Ueberlegung zeugend. Sie wissen, daß dem Geiste des Volkes die Idee der Schamhaftigkeit, der Sittsamkeit tief eingegraben ist. Darauf haben sie die Erfindung unnachahmlicher Moden gebaut. Sie bemerkten, daß das Volk einen Abscheu vor dem Roth habe, dem es in seiner Plumpheit noch immer hartnäckig den Namen Schminke giebt, und sie legen vier Finger hoch — nicht Schminke,

      sondern Roth auf, denn mit dem geänderten Worte ist die Sache nicht mehr die nämliche. Sie bemerkten, daß ein entblöster Hals dem großen Haufen ein Aergerniß ist; und sie tragen ihr Leibchen tief ausgeschnitten. Sie bemerkten …. ja, mancherlei, was meine Julie, so sehr sie Frauenzimmer ist, gewiß niemals bemerken wird. Sie nahmen Manieren an, denen der selbe Geist innewohnt, der ihren Anzug beherrscht. Die reizende Verschämtheit, welche dein Geschlecht auszeichnet, ehrt und verschönt, achteten sie für gemein und bürgerlich, und belebten ihre Geberden und Reden mit einer edlen Unverschämtheit, so daß kein ehrlicher Mann ist, der nicht vor ihrem zuversichtlichen Blicke die Augen niederschlagen müßte. So auf ihren Rang mehr als auf ihr Geschlecht stolz, verleugnen sie, um nicht den anderen Weibern gleich zu sein, die Weiblichkeit und ahmen den Freudenmädchen nach, um nicht nachgeahmt zu werden.

      Ich weiß nicht, wie weit sie jene Nachahmungen treiben, aber das weiß ich, daß sie dieser, der sie zuvorkommen wollen, doch nicht ganz haben ausweichen können. Das Roth und die ausgeschnittenen Leibchen anlangend, so haben sich die Moden nach Möglichkeit verbreitet. Die Frauen aus der Stadt haben lieber auf ihre natürliche Farbe und die Reize, die ihnen das amoroso pensier ihrer Liebsten giebt, verzichtet als bürgerlich gehen wollen, und wenn das Beispiel nicht auch die unteren Stände ergriffen hat, so kommt das nur daher, weil eine Frau, die in solchem Aufzuge zu Fuße geht, ganz sicher vor Insulten des Pöbels sein würde. Dergleichen Insulten sind der Racheschrei der empörten Schamhaftigkeit, und die Brutalität des Volkes, hier einmal, wie so oft, gesitteter als der Anstand der Gebildeten, hält vielleicht hunderttausend Frauen in den Gränzen der Züchtigkeit; gerade was die geschickten Erfinderinnen jener Moden bezweckt haben.

      Die soldatische Haltung und den grenadiermäßigen Ton anlangend, so fällt er weniger auf, weil er allgemeiner verbreitet ist und sich nur dem Neuling fühlbar macht. Von dem Faubourg Saint-Germain bis zu den Hallen giebt es wenige Frauen in Paris, deren Auftreten und Blick nicht von einer Dreistigkeit wäre, die Jeden aus der Fassung bringen muß, der von Hause her dergleichen nicht gewohnt ist: das Erstaunen, in das man durch die Neuheit dieser Manieren versetzt wird, ist Schuld an der dummen Miene, die man den Fremden vorwirft. Und wenn sie nun erst gar den Mund öffnen! Nichts von der süßen, lispelnden Stimme der Walliserinnen; ein gewisser harter, scharfer, ausfragender, herrischer, höhnischer Ton und eine Stimme stärker als die eines Mannes. Und wenn in ihrem Tone vielleicht noch etwas von der ihrem Geschlechte natürlichen Zartheit übrig ist, so wird auch das durch ihre dreiste und neugierige Art die Leute anzusehen gänzlich in Schatten gestellt. Sie scheinen besonders Vergnügen daran zu finden, sich an der Verlegenheit Derer, die ihrer zum ersten Male ansichtig werden, zu weiden; aber es steht zu glauben, daß diese Verlegenheit ihnen weniger gefallen würde, wenn sie den Grund derselben besser einsähen.

      Indessen sei es nun meinerseits Eingenommenheit für die Schönheit oder ihrerseits ein Instinkt sich ins rechte Licht zu stellen, die schönen Frauen scheinen mir im Allgemeinen ein wenig bescheidener und sittsamer in ihrer Haltung. Diese Mäßigung wird ihnen ja nicht schwer, sie fühlen die Vortheile derselben, sie wissen, daß sie keine Lockmittel nöthig haben, um uns anzuziehen. Vielleicht ist es auch dies, daß ein unverschämtes Wesen bei Häßlichen empfindlicher und auffallender ist; gewiß möchte man ein häßliches Gesicht, das Frechheit zeigt, lieber mit Ohrfeigen als mit Küssen bedecken, während es bei bescheidenem Wesen ein zärtliches Mitleid erregt, das wohl manchmal zur Liebe führen kann. Aber wenn man auch hier bei hübschen Personen etwas Milderes im Benehmen findet, so ist doch noch immer so viel Schönthuerei auch in ihren Manieren, und sie sind immer so sichtlich mit sich selbst beschäftigt, daß man hier zu Lande nie in die Versuchung geräth, in der sich Herr von Muralt bei den Engländerinnen bisweilen befand, einer Frau zu sagen, daß sie schön ist, nur um des Vergnügens willen, der Erste zu sein, der es ihr entdeckt.

      Die der Nation eigene Munterkeit und der Reiz, vornehme Manieren nachzuäffen, sind nicht die einzigen Ursachen der Freiheit im Reden und Benehmen, welche man hier an den Frauen bemerkt, Sie scheint eine tiefere Wurzel in den Sitten zu haben, indem die beständige und rücksichtslose Vermischung der beiden Geschlechter jedem von beiden etwas von der Manier, Sprache und Haltung des andern aufdrängt. Unsere Schweizerinnen haben es ziemlich gern, unter sich zusammenzukommen [Das Alles hat sich sehr geändert. Den Umständen nach scheinen diese Briefe erst vor etwa zwanzig Jahren geschrieben; den Sitten, dem Style nach, sollte man glauben, sie seien aus einem andern Jahrhundert.], und lassen sich dann in süßer Vertraulichkeit gehen, und wiewohl sie dem Anscheine nach den Umgang mit Männern nicht hassen, so ist doch gewiß, daß deren Gegenwart eine Art Zwang in diese kleine Gynäkokratie bringt. In Paris ist es gerade umgekehrt; die Frauen gehen nur gern mit Männern um, sie fühlen sich nur in Deren Gesellschaft wohl. Bei allen geselligen Znsammenkünften ist die Frau vom Hause fast jedesmal die einzige Frau inmitten eines Kreises von Männern. Man kann kaum begreifen, woher so viele Männer kommen, als man überall nöthig hat; aber Paris ist voller Abenteurer und Cölibatäre, die ihr Leben damit hinbringen, von Haus in Haus zu gehen, und wie sonst beim Gelde, macht hier die Circulation bei den Männern, daß sie sich zu vervielfältigen scheinen. So lernt denn die Frau von ihnen reden, handeln, denken und sie lernen es von ihr. Da sie der einzige Gegenstand für die kleinen Galanterien dieser Herren ist, genießt sie in Ruhe der Huldigungen, die in Wahrheit Beleidigungen sind, denn man hält es nicht einmal der Mühe werth, ihnen auch nur einen Anstrich von ehrlicher Meinung zu geben. Was thut's! Ernst oder Spaß, man beschäftigt sich doch mit ihr, und das ist Alles, was sie will. Laß eine andere Frau dazu kommen, im Augenblicke tritt Förmlichkeit an die Stelle des vertraulichen Tones, die feierliche Miene stellt sich ein, die Aufmerksamkeit der Männer theilt sich und allerseits befindet man sich in einer geheimen Befangenheit, aus der man nicht eher herauskommt, als bis man auseinandergeht.

      Die Frauen von Paris gehen gern in's Theater, nämlich nicht um zu sehen, sondern um sich sehen zu lassen; da ist denn jedesmal, wenn sie hingehen wollen, die große Verlegenheit, eine Begleiterin zu finden, denn der Brauch gestattet keiner Frau sich einzeln in offner Loge zu zeigen, selbst nicht mit ihrem Manne oder auch einem anderen Manne. Es ist unsäglich schwer, derartige Partien in dieser sonst so geselligen Stadt zu Stande zu bringen; von zehn, die man verabredet, schlagen neun fehl: die Lust in's Schauspiel zu geben knüpft den Bund, das Mißbehagen, zusammen hinzugehen, zerreißt ihn wieder. Ich glaube, die Frauen könnten diesen, ungeschickten Brauch leicht abschaffen, denn was für einen Grund hat es, sich öffentlich nicht einzeln zeigen zu dürfen? Vielleicht aber erhält sich der Brauch eben deswegen, weil er keinen Grund hat. Es ist zweckmäßig, den Anstand so viel als möglich in Dinge zu setzen, bei denen man durch Verletzung desselben nichts gewinnen kann. Was würde es einer Frau für Vortheil bringen, wenn sie das Recht hätte, ohne Gefährtin in die Oper zu gehen? Ist es nicht viel mehr werth, sich dieses Recht zu versparen, um seine Freunde privatim aufzunehmen?

      Es

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