Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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zu rechnen, daß es nicht wohl gethan war, Ihrem rücksichtslosen Dringen einen neuen Vorwand zu liefern. Vor allen Dingen war es zweckmäßig, Sie von einem so gefahrvollen Auftritt entfernt zu halten, und ich wußte doch, daß Sie sich nie dazu verstanden haben würden, mich in einer solchen Gefahr allein zu lassen, wenn Sie darum gewußt hätten.

      Ach! auch diese süße Hoffnung trog mich. Der Himmel machte den verbrecherisch gefaßten Plan zu Schanden: ich verdiente nicht die Ehre, Mutter zu werden; meine Erwartung blieb unerfüllt, und es war mir versagt, meinen Fehltritt auf Kosten meines Rufes zu büßen. Sie haben erfahren [Dies läßt einen Brief vermuthen, den wir nicht haben.], welcher Zufall mit dem Keim, den ich in meinem Schoße trug, den letzten Grund meiner Hoffnungen zerstörte. Dieses Unglück traf mich gerade in der Zeit unserer Trennung, als hätte der Himmel damals alle Uebel auf mich häufen wollen, die ich verdient hatte, und alle Bande zu gleicher Zeit zerreißen, die zu unserer Vereinigung dienen konnten.

      Ihr Scheiden war das Ende meiner Verirrungen wie meiner Freuden: ich erkannte, aber zu spät, mit was für falschen Einbildungen ich mich hintergangen hatte. Ich erblickte mich so verächtlich, wie ich es war, und so unglücklich, wie ich es ewig sein mußte mit einer Liebe ohne Unschuld und mit Wünschen ohne Hoffnung, die ich nicht unterdrücken konnte. Tausend innere Vorwürfe peinigten mich; ich sah, wie eitel sie waren, und verbannte Betrachtungen, die nur schmerzten und nichts halfen; ich war es nicht mehr werth, daß ich an mich dachte, ich widmete mich ganz der Sorge um Sie. Ich hatte keine Ehre mehr als die Ihrige, keine Hoffnung weiter als Ihr Glück, und die Empfindungen, die mir von Ihnen kamen, waren die einzigen, denen ich noch zugänglich zu sein meinte.

      Die Liebe machte mich nicht blind gegen Ihre Fehler, aber sie machte sie mir lieb, und berückte mich darin so sehr, daß ich Sie weniger geliebt haben würde, wenn Sie vollkommner gewesen wären. Ich kannte Ihr Herz, Ihr aufbrausendes Wesen; ich wußte, daß Sie bei mehr Muth als ich, weniger Geduld hätten, und daß die Leiden, welche meine Seele drückten, die Ihrige in Verzweiflung gesetzt haben würden. Aus diesem Grunde verbarg ich Ihnen stets mit Sorgfalt, was mein Vater in Betreff meiner versprochen hatte, und bei unserer Trennung, weil ich von Milord Eduard's Eifer, Ihnen einen Weg zu bahnen, Vortheil ziehen und Ihnen selbst den gleichen einflößen wollte, schmeichelte ich Ihnen mit einer Hoffnung, die ich in der Thal nicht hegte. Noch mehr: da ich die Gefahr wußte, von der wir bedroht waren, wandte ich das einzige Vorsichtsmittel an, das uns dagegen verwahren konnte, und suchte, indem ich Ihnen, soweit es in meiner Macht stand, meine Freiheit verpfändete, Ihnen Vertrauen und mir Festigkeit durch ein Gelöbniß zu verschaffen, welches ich nicht würde zu brechen wagen, und welches Sie beruhigen konnte. Es war eine kindische Verpflichtung, ich gestehe es, und doch würde ich ihr niemals untreu geworden sein. Die Tugend ist unseren Herzen ein solches Bedürfniß, daß, wenn man einmal von der wahren gewichen ist, man sich dann eine eigene macht und vielleicht fester an ihr hält, weil sie selbstgewählt ist.

      Ich will Ihnen nicht alle die Gemüthsbewegungen schildern, die ich seit Ihrer Entfernung erlitt; die schlimmste von allen war die Furcht, vergessen zu werden. Der Aufenthalt, den Sie genommen hatten, machte mich zittern, Ihre Lebensart dort vermehrte meine Angst, ich glaubte Sie schon so tief gesunken, daß Sie nichts weiter als ein Weibernarr wären. Ein solcher Schimpf dünkte mir härter als alle meine Leiden; ich hätte Sie lieber unglücklich wissen mögen als verächtlich. An so viele Kümmernisse hatte ich mich gewöhnen müssen: das einzige, was ich nicht ertragen hätte, war, Sie ehrlos zu wissen.

      Ich wurde wegen einer Furcht, in der mich der Ton Ihrer Briefe zu bestärken anfing, beruhigt und zwar durch Etwas, das der Unruhe einer Andern die Krone aufgesetzt hätte. Ich meine die Ausschweifung, zu welcher Sie sich verleiten ließen, und deren schnelles und offenes Bekenntniß von allen Beweisen Ihrer Freimüthigkeit derjenige war, der mich am meisten gerührt hat. Ich kannte Sie zu gut, um nicht zu wissen, welche Ueberwindung Ihnen ein solches Bekenntniß kosten mußte, selbst dann, wenn ich Ihnen nicht mehr theuer gewesen wäre; ich sah, daß die Liebe allein, die Scham besiegend, es Ihnen hatte entreißen können. Ich schloß, daß ein so aufrichtiges Herz einer geheimen Untreue nicht fähig wäre; ich fand Ihr Unrecht nicht so groß als Ihr Bekenntniß verdienstlich, und indem ich Ihrer alten Versprechen gedachte, war ich auf immer von aller Eifersucht geheilt.

      Mein Freund, ich war deshalb nicht glücklicher: für eine Qual weniger entstanden unablässig tausend andere, und nie überzeugte ich mich mehr, wie unsinnig es ist, in Herzensverirrungen eine Ruhe zu suchen, welche uns ein sittliches Leben allein gewähren kann. Seit langer Zeit weinte ich im Stillen über den Zustand meiner guten Mutter, die an einem tödtlichen Zehrübel allmählig verging. Babi, der ich mich wegen der traurigen Folge jenes Falles hatte anvertrauen müssen, verrieth mich, und entdeckte ihr unsere Liebe und meinen Fehltritt. Kaum hatte ich mir meine Briefe von meiner Cousine zurückgeben lassen, so wurden sie aufgefunden. Der Beweis war überzeugend; der Schmerz hierüber nahm meiner Mutter den letzten Rest von Kraft, den ihr das Uebel noch gelassen hatte. Ich starb fast vor Reue zu ihren Füßen. Weit entfernt, mich dem Tode Preis zu geben, den ich verdient hatte, deckte sie meine Schande zu, und seufzte nur im Stillen. Sie selbst, von dem sie sich so grausam hintergangen sah, auch Sie konnte sie nicht hassen. Ich war Zeuge von der Wirkung, welche Ihr Brief auf ihr weiches, mitleidiges Herz hervorbrachte. Ach! sie wünschte Ihr und mein Glück. Sie machte mehr als einmal den Versuch .... Wozu eine Hoffnung zurückrufen, die auf immer begraben ist? Der Himmel hatte es anders verhängt. Sie beschloß ihre trübseligen Tage in dem Schmerze, daß sie den Willen eines harten Gatten nicht hatte ändern können und ihre Tochter so wenig ihrer würdig zurücklassen mußte.

      Gebeugt von einem so schmerzlichen Verluste, hatte meine Seele zu nichts Kraft, als ihn zu fühlen; die Stimme der Natur erstickte mit ihrem Jammer die murrende Stimme der Liebe, Ich faßte wie einen Abscheu vor der Ursache so vieler Leiden, ich wollte endlich die verhaßte Leidenschaft ersticken, die sie mir zugezogen hatte, und auf Sie für immer verzichten. Ohne Zweifel war das nöthig; hatte ich doch schon für mein ganzes übriges Leben genug zu weinen, und brauchte nicht noch immerfort neue Ursache zu Thränen zu suchen. Alles schien meinen Entschluß zu begünstigen. Wenn Traurigkeit die Seele erweicht, tiefe Trübsal verhärtet sie. Das Andenken meiner sterbenden Mutter löschte das Ihrige aus; wir waren fern von einander, die Hoffnung hatte mich ganz verlassen. Nie hatte sich meine unvergleichliche Freundin so groß gezeigt, so würdig, mein ganzes Herz allein einzunehmen; ihre Tugend, ihr Verstand, ihre Freundschaft, ihre zärtlichen Liebkosungen schienen es gereinigt zu haben: ich glaubte Sie schon vergessen, glaubte mich geheilt. Es war zu spät; was ich für die Kälte einer erloschenen Liebe hielt, war nur die Abspannung der Verzweiflung.

      Wie ein Kranker, der, wenn er in Schwäche fällt, nicht mehr leidet, dann aber wieder zu lebhafteren Schmerzen sich aufrafft, fühlte ich die meinigen bald alle wiederkehren, als mein Vater mir die nahe bevorstehende Zurückkunft des Herrn von Wolmar ankündigte. Da gab mir die unüberwindliche Liebe von Neuem Kräfte, deren ich mich nicht mehr fähig glaubte. Zum ersten Male in meinem Leben wagte ich, mich meinem Vater in's Angesicht zu widersetzen; ich erklärte ihm rund heraus, daß Herr von Wolmar mir nichts sein könnte, daß ich entschlossen sei, ledig zu sterben; er könne über mein Leben gebieten, aber nicht über mein Herz, und nichts würde mich zu einer Aenderung meines Willens bewegen. Ich will nichts sagen von seinem Zorn, von der Behandlung, die ich zu erleiden hatlte. Ich war unerschütterlich: da meine Aengstlichkeit einmal überwunden war, ging ich zu dem anderen Aeußersten über, und wenn mein Ton weniger gebieterisch war als der meines Vaters, war er doch ebenso fest.

      Er sah, daß mein Entschluß gefaßt war, und daß er mit Gewalt nichts bei mir ausrichten würde. Schon glaubte ich, daß er mich nun nicht weiter plagen würde; aber wie ward mir, als ich auf einmal den strengsten der Väter weichmüthig und in Thränen zerfließend zu meinen Füßen sah? Ohne zuzulassen, daß ich ihn aufhob, preßte er meine Knie, und seine nassen Augen auf die meinigen geheftet, sagte er mit einer rührenden Stimme, die ich noch in meinem Innern höre: Meine Tochter, achte die weißen Haare deines unglücklichen Vaters, laß ihn nicht mit Schmerzen in die Grube fahren, wie Die, welche dich in ihrem Schoße trug. Ach! willst du deiner ganzen Familie den Tod geben?

      Denken

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