Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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gut, daß sich der Mensch mit diesem Gedanken unaufhörlich beschäftigte, um mehr Herr seiner selbst, tüchtiger, glücklicher und weiser zu werden.

      Verlangen Sie ein recht schlagendes Beispiel von der eiteln Sophistik einer Vernunft, die sich nur auf sich selbst stützt? Betrachten wir einmal mit kaltem Blute die Aussprüche dieser Herren Philosophen, dieser würdigen Lobredner des Verbrechens, die nie ein anderes als ein schon verdorbenes Herz verführten. Sollte man nicht meinen, diese gefährlichen Klügler hätten es mit ihrem Angriff auf das heiligste und hehrste Bündniß geradezu darauf abgesehen, mit Einem Streiche die ganze menschliche Gesellschaft zu vernichten, die nur auf die Treue der Verträge gegründet ist? Aber sehen Sie doch, auf welche Art sie den geheimen Ehebruch entschuldigen. Es entspringt daraus, sagen sie, kein Uebel, selbst nicht für den Gatten, der nichts davon weiß: als ob sie sicher wären, daß er nie etwas davon erfahren würde! als ob es hinreichend wäre, um Meineid und Untreue zu rechtfertigen, daß dadurch kein Dritter Schaden leidet! als ob es zur Verabscheuung des Verbrechens nicht an dem Uebel genügte, das es Denen zufügt, die es begehen! Wie denn? Ist das kein Uebel, treulos zu sein, so viel an Einem ist, die Kraft des Eidschwurs und der unverbrüchlichsten Verträge zu vernichten? Kein Uebel, sich selbst zur Schelmerei und Lüge zu zwingen? Kein Uebel, Bündnisse einzugehen, die uns das Unglück und den Tod eines Anderen wünschenswerth machen, ja den Tod Desjenigen, den man am meisten zu lieben schuldig ist, und mit dem man geschworen hat zu leben? Kein Uebel ein Zustand, dessen Frucht immer noch tausend andere Verbrechen sind? Ein Gut, das so viele Uebel hervorbrächte, wäre um deßwillen allein schon selber ein Uebel.

      Kann der eine von beiden Theilen denken, er sei unschuldig, weil er vielleicht von seiner Seite frei ist und Niemanden die Treue bricht? Es wäre eine grobe Täuschung. Nicht nur das Interesse der Gatten ist es, sondern die gemeinsame Sache aller Menschen, daß die Reinheit der Ehe nicht getrübt werde. So oft sich zwei Gatten durch ein feierliches Bündniß zusammengeben, tritt eine stillschweigende Verpflichtung für das ganze menschliche Geschlecht ein, dieses Band heilig zu halten, in Jenen den Ehebund zu achten; und dies ist, wie mir scheint, ein sehr starker Grund gegen heimliche Ehen, welche, da sie durch kein äußeres Zeichen das Bündniß kenntlich machen, unschuldige Herzen der Gefahr aussetzen, in ehebrecherischer Liebe zu entbrennen. Das gesammte Volk ist gewissermaßen Bürge für eine Uebereinkunft, die in seiner Gegenwart geschlossen wird, und man kann sagen, daß die Ehre einer züchtigen Frau unter dem besonderen Schutze aller rechtlichen Menschen steht. Also wer sie zu verführen wagt, sündigt erstlich, weil er sie zur Sünde verleitet, und man immer an den Verbrechen Theil hat, zu denen man Andere bestimmt; er sündigt sodann unmittelbar selbst, weil er die öffentlich anerkannte und geheiligte Treue des Ehebundes verletzt, ohne welche in rechtmäßiger Ordnung der menschlichen Angelegenheiten nichts bestehen kann.

      Das Verbrechen ist geheim, sagen sie, und es erwächst für Niemanden ein Uebel daraus. Wenn diese Philosophen an das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele glauben, können sie dann ein Verbrechen geheim nennen, das Den zum Zeugen hat, der vor Allen beleidigt und der einzige wahre Richter ist? Eine schöne Heimlichkeit, die man vor Aller Augen versteckt, nur nicht vor denen, die man am meisten dabei zu fürchten hat! Gesetzt aber auch, sie erkennen die Allgegenwart der Gottheit nicht an, wie dürfen sie dennoch behaupten, daß sie Niemanden Uebles thun? Wie können sie beweisen, daß es einem Vater gleichgültig ist, Erben zu haben, die nicht aus seinem Blute stammen, vielleicht mit mehr Kindern beladen zu sein, als er gehabt haben würde, und gezwungen, sein Gut mit den Pfändern seiner Unehre zu theilen, für die er kein Vaterherz hat? Nehmen wir an, diese Rechenmeister seien Materialisten; so hat man nur umso mehr Grund, ihnen die süße Stimme der Natur entgegenzuhalten, welche im Grunde aller Herzen gegen eine hochmüthige Philosophie Einspruch erhebt, und die man noch nie mit guten Gründen angreifen konnte. In der That, wenn der Leib allein den Gedanken erzeugt, und das Gefühl lediglich von den Organen abhängt, müssen dann nicht zwei Wesen, die aus einerlei Blute sind, einen engeren Zusammenhang, eine stärkere Zuneigung zu einander haben, und sich der Seele wie dem Gesichte nach ähnlich sehen, was doch ein Hauptgrund ist, sich zu lieben?

      Heißt es also, Ihrer Meinung nach, kein Uebles zufügen, wenn man diese naturgemäße Bereinigung durch ein fremdes Blut aufhebt oder stört, und in ihrer Grundlage die gegenseitige Liebe zerrüttet, welche alle Glieder einer Familie an einander ketten soll? Giebt es einen rechtschaffenen Menschen auf der Welt, der nicht einen Abscheu davor hätte, das Kind eines Andern in der Pflege zu verwechseln? und ist das Verbrechen, es im Mutterschoße zu verwechseln, geringer?

      Wenn ich mein Geschlecht besonders in's Auge fasse, o, wie viele Uebel gewahre ich in dieser Unordnung, von der sie behaupten, sie füge Niemanden Uebles zu; wäre es auch nur die Versunkenheit des strafbaren Weibes, dem der Verlust der Ehre bald alle übrigen Tugenden raubt! Wie viele nur zu sichere Anzeichen hat ein zärtlicher Gatte von einem Einverständniß, das sie durch seine Heimlichkeit gerechtfertigt glauben, wäre es auch nur, daß er sich nicht mehr geliebt sieht von seiner Frau! Was wird sie mit ihren erkünstelten Aufmerksamkeiten Anderes bewirken, als daß sie nur ihre Gleichgültigkeit desto fühlbarer macht? Läßt sich das Auge der Liebe durch geheuchelte Liebkosungen täuschen? Und welche Marter, einer geliebten Person gegenüber, zu fühlen, daß uns der Arm umschlingt und das Herz uns zurückstößt! Ich nehme an, das Glück unterstütze eine Klugheit, die es schon so oft verrathen hat, ich rechne einen Augenblick für nichts die Verwegenheit, seine vorgebliche Unschuld und die Ruhe des Anderen auf Vorsichtsmaßregeln zu setzen, die der Himmel mit tausend Freuden zu Schanden macht: wie viel Falschheit, wie viel Lügen, wie viel Bübereien, um den verdammlichen Umgang zu bedecken, den Mann zu betrügen, Bediente zu bestechen, die öffentliche Meinung zu hintergehen! Welch ein Skandal für Mitschuldige! welch ein Beispiel für Kinder! was soll aus deren Erziehung werden unter allen den Sorgen, die es macht, eine strafbare Liebe ungestraft zu unterhalten? Was wird aus dem Frieden des Hauses und der Einigkeit seiner Häupter? Wie? In dem Allen wäre der Mann nicht gekränkt? Und was soll ihn denn entschädigen für ein Herz, das ihm hätte angehören sollen? was soll ihm die Frau achtungswerth machen? was soll ihm Ruhe und Sicherheit geben? was ihn von seinem gerechten Argwohn heilen? was dem Vater das Vertrauen geben, daß er einem natürlichen Gefühle folgt, wenn er sein eigenes Kind umarmt?

      In Betreff der vorgeblichen Liaisons, welche durch Ehebruch und Untreue zwischen Familien begründet werden können, muß man sagen, daß dies weniger ein ernsthafter Grund als ein dummer und plumper Spaß ist, der statt aller Antwort nur Verachtung und Unwillen verdient. Die Verräthereien, die Händel, die Mordthaten, die Vergiftungen, mit denen diese Unordnung zu allen Zeiten die Erde bedeckt hat, zeigen hinlänglich, was man für die Ruhe und Eintracht der Menschen von einer durch Verbrechen herbeigeführten Freundschaft zu erwarten hat. Wenn eine Art Einigkeit die Folge eines solchen elenden verächtlichen Umgangs ist, so gleicht sie eher der einer Räuberbande, die man ausrotten und vertilgen muß, um die rechtmäßigen Gesellschaften sicher zu stellen.

      Ich habe meine Entrüstung über dergleichen Grundsätze zurückzuhalten gesucht, um mich ruhig darüber gegen Sie auszusprechen. Je sinnloser ich sie finde, desto weniger darf ich es verschmähen, sie zu widerlegen, damit ich mich selbst beschäme, wenn ich ihnen vielleicht mit zu wenig Abneigung Gehör gab. Sie sehen, wie schlecht sie die Prüfung der gesunden Vernunft aushalten. Wo aber soll man die gesunde Vernunft suchen als bei Dem, der ihre Quelle ist? und was soll man von Denen denken, die diese göttliche Leuchte, die Er ihnen gab, um den Weg zu zeigen, dazu gebrauchen, daß sie die Menschen in's Verderben führen? Trauen wir einer solchen Philosophie nicht, die in Worten kramt; trauen wir einer Tugend nicht, die alle Tugenden untergräbt, und sich dazu hergiebt, alle Laster zu rechtfertigen. um ihnen allen ungestraftfröhnen zu können. Das Mittel, um das, was gut ist, zu finden, ist, daß man es aufrichtig suche, und man kann nicht lange so danach suchen, ohne zu dem Urquell alles Guten hinaufzusteigen. Das habe ich, wie mich dünkt, gethan, seitdem ich mich damit beschäftige, meine Gefühle und meine Vernunft zu berichtigen; das werden Sie besser thun als ich, wenn Sie denselben Weg betreten wollen. Es ist mir tröstlich, zu denken, daß Sie meinen Geist oft mit den erhabenen Gedanken der Religion genährt haben, und Sie, dessen Herz nichts vor mir geheim hielt, würden sich nicht so gegen mich ausgesprochen haben, wenn Sie anders gedacht hätten. Es dünkt mich

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