Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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verborgenes Feuer mich noch beseelt und mir den Muth wiedergiebt, den mir die Gewissensbisse rauben wollen. Theure Freundin, ach, weißt du denn wohl, für wie viele Verluste eine solche Liebe wie die meinige dich entschädigen kann? Weißt du, bis zu welchem Grade ein Liebhaber, der nur für dich athmet, dir das Leben lieb machen kann? Begreifst du es recht, wie ich nur für dich allein leben, handeln, denken, fühlen will? Nein, köstlicher Quell meines Seins, ich werde keine Seele mehr haben als deine, ich werde nichts mehr sein als ein Theil von deinem Ich, und du wirst im Grunde meines Herzens ein so süßes Dasein finden, daß du nicht fühlen sollst, was das deinige an Reizen verloren hat. Wohlan! wir werden strafbar sein, aber böse werden wir nicht sein; wir werden strafbar sein, aber wir werden die Tugend doch lieb behalten: weit entfernt, unsere Fehler keck zu entschuldigen, werden wir sie mit einander beseufzen und beweinen; wir werden sie, wo möglich, wieder gut machen, indem wir wohlthätig und gut sind. Julie, Julie! was wolltest du thun? was kannst du thun? Du kannst meinem Herzen nicht entrinnen; hat es sich nicht dem deinigen vermählt?

      Jene eiteln Pläne auf Fortkommen in der Welt, die mich so grob getrogen haben, sind längst vergessen. Ich will es mir einzig angelegen sein lassen, die Pflichten zu erfüllen, welche mir die Dankbarkeit gegen Milord Eduard auflegt: er will mich mit nach England schleppen; ich könnte ihm da von Nutzen sein, behauptet er. Nun wohl: ich werde mit ihm gehen; aber alle Jahre werde ich mich fortstehlen, und mich heimlich in deine Nähe begeben. Wenn ich dich nicht sprechen kann, werde ich dich wenigstens gesehen haben; ich werde wenigstens deine Fußtapfen geküßt haben; ein Blick von deinen Augen wird mir zehn Monate Leben gegeben haben. Wenn ich dann wieder scheiden muß, so werde ich, mich entfernend von der Geliebten, zu meinem Troste die Schritte zählen, die mich zu ihr zurückführen sollen. Diese wiederholten Reisen werden deinen unglücklichen Liebhaber über sein Loos täuschen; er wird schon deinen Anblick zu genießen glauben, wenn er aufbricht, um dich zu sehen; die Erinnerung an sein Entzücken wird ihn auf der Rückreise bezaubern; dem grausamen Schicksal zum Trotze werden seine traurigen Jahre nicht ganz und gar verloren sein; es wird keines sein, das nicht mit einer Freude bezeichnet wäre, und die kurzen Augenblicke, die er in deiner Nähe zubringen wird, werden genug sein, um sein ganzes Leben auszufüllen.

      Siebzehnter Brief.

       Frau von Orbe an Juliens Liebsten.

       Inhaltsverzeichnis

      Sie haben keine Geliebte mehr; ich aber habe meine Freundin wieder gefunden und Sie haben eine erlangt, deren Herz Ihnen weit mehr erstatten kann, als Sie verloren haben. Julie ist verheiratet und werth, den braven Mann glücklich zu machen, der sein Schicksal mit dem ihrigen verbunden hat. Nach so vielen unklugen Streichen müßt ihr dem Himmel danken, der euch alle beide gerettet hat, Julie vor der Schande, und Sie vor dem Leide, sie hineingestürzt zu haben. Achten Sie ihren neuen Stand, schreiben Sie ihr nicht, sie bittet Sie darum. Warten Sie, bis sie Ihnen schreibt, sie wird es in Kurzem thun. Jetzt ist die Zeit, da ich erkennen werde, ob Sie die Achtung verdienen, die ich für Sie hegte, und ob Ihr Herz für eine reine und uneigennützige Freundschaft empfänglich ist.

      Achtzehnter Brief.

       Julie an ihren Freund.

       Inhaltsverzeichnis

      So lange habe ich Ihnen alle Geheimnisse meines Herzens anvertraut, daß es sich von der süßen Gewohnheit nicht mehr losmachen kann. In dem wichtigsten Falle meines Lebens will es sich gegen Sie ausschütten: öffnen Sie ihm das Ihrige, mein liebenswürdiger Freund; sammeln Sie in Ihren Busen die langen Reden der Freundschaft: wenn sie je zuweilen den Freund, der spricht, weitschweifig macht, so macht sie dafür immer den Freund, der hört, geduldig.

      Durch ein unauflösliches Band an das Schicksal eines Gatten oder vielmehr an den Willen eines Vaters gefesselt, trete ich in eine neue Laufbahn, die nur mit dem Tode enden soll. Bei ihrem Beginne lassen Sie uns einen Blick auf diejenige werfen, aus der ich trete; es wird ja nicht peinlich sein, uns eine so liebe Zeit zurückzurufen; vielleicht finde ich dabei Lehren, die ich mir für die Folge merken kann, Sie vielleicht Aufklärung über Manches, was Ihnen in meinem Betragen dunkel geblieben. Wenigstens werden unsere Herzen, indem wir betrachten, was wir einander waren, nur umso besser fühlen, was sie einander bis an's Ende unserer Tage schuldig sind.

      Es ist ungefähr sechs Jahre her, als ich Sie zum ersten Male sah: Sie waren jung, wohlgebildet, liebenswürdig. Andere junge Leute haben mir schöner und stattlicher geschienen; keiner hat mich in die geringste Aufregung versetzt, und mein Herz gehörte Ihnen vom ersten Augenblicke an [Herr Richardson spottet viel über solche Zuneigungen, die beim ersten Sehen entstehen und auf unerklärlichen Seelenverwandtschaften beruhen. Es ist recht gut und schön, daß er darüber spottet, aber da es nun doch solche Zuneigungen nur zu häufig giebt, wäre es nicht besser, anstatt sich mit Leugnen derselben ein Spiel zu machen, lieber die Mittel zu lehren, wie man ihrer Herr werden kann?]. Ich glaubte, auf Ihrem Gesichte eine Seele abgeprägt zu sehen, wie sie der »einigen noth that. Es schien mir, daß meine Sinne edleren Gefühlskräften nur zum Organe dienten, und ich liebte an Ihnen weniger, was ich sah, als was ich in mir selbst zu fühlen glaubte. Es sind noch nicht zwei Monate, da glaubte ich noch, mich nicht getäuscht zu haben: die blinde Liebe, sagte ich mir, hatte Recht; wir waren für einander geschaffen; ich würde ihm gehören, wenn die menschliche Ordnung nicht die natürlichen Bezüge verstörte, und wenn es Menschen irgend vergönnt wäre, glücklich zu sein, so hätten wir es mit einander sein müssen.

      Unsere Gefühle waren uns gemein; sie würden mich irre gemacht haben, wenn ich sie allein gespürt hätte. Die Liebe, welche ich kennen gelernt habe, kann uur aus einem Passen für einander und aus Seelenübereinstimmung entstehen. Man liebt nicht, wenn man nicht geliebt wird, wenigstens nicht lange. Die unerwiederten Leidenschaften, durch welche, wie man sagt, so Viele unglücklich werden, gründen sich nur auf die Sinnlichkeit; wenn manche bis in die Seele eindringen, so geschieht es durch falsche Zusammenhänge, und man muß sich bald enttäuscht finden. Die sinnliche Liebe kann des Besitzes nicht entrathen, und erlöscht, wenn er erlangt ist. Die wahre Liebe kann des Herzens nicht entrathen, und dauert so lange als die Herzensbezüge, aus denen sie entstanden ist [Wenn diese Bezüge eingebildete sind, so dauert sie so lange, als die Täuschung, welche uns dieselben vorspiegelt]. So war die unsrige anfangs; so wird sie, hoffe ich, bis an unser Lebensende bleiben, sobald wir sie besser geregelt haben werden. Ich sah, ich fühlte, daß ich geliebt wurde, und daß es so sein mußte: der Mund war stumm, der Blick war befangen, aber das Herz machte sich verständlich. Wir erfuhren bald zwischen uns jenes unbeschreibliche Etwas, welches das Stillschweigen beredt macht, welches niedergeschlagenen Augen Sprache verleiht, welches eine kühne Schüchternheit zu Wege bringt, welches in der Furcht die Wünsche verräth und Alles sagt, was es nicht auszudrücken wagt.

      Ich fühlte mein Herz und hielt mich bei Ihrem ersten Worte für verloren. Ich merkte den Zwang, den Sie sich auflegten; ich billigte dies achtungsvolle Benehmen und gewann Sie deshalb nur noch lieber. Ich suchte Sie für Ihr peinliches und unerläßliches Schweigen zu entschädigen, ohne daß es meiner Unschuld etwas kostete; ich that meinem natürlichen Wesen Gewalt an, ahmte meiner Cousine nach, lachte und tollte wie sie, um zu ernsthaften Erklärungen zuvorzukommen und tausend kleine Liebkosungen unter dem Schutze dieser verstellten Lustigkeit durchzubringen. Ich wollte Ihnen Ihr gegenwärtiges Verhältniß so angenehm machen, daß die Furcht vor einer Veränderung desselben Ihre Zurückhaltung noch vermehren sollte. Alles dies gerieth mir schlecht; man geht nicht ungestraft aus seinem Wesen heraus. Ich Unsinnige! ich beschleunigte mein Verderben, anstatt ihm vorzubeugen, ich wendete Gift als Schutzmittel an, und was Sie zum Schweigen nöthigen sollte, war grade das, was Sie zum Reden brachte. Vergeblich, daß ich durch eine angenommene Kälte Sie unter vier Augen in Entfernung zu halten suchte; gerade der Zwang, den ich mir anthat, verrieth mich, Sie schrieben;

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