Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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mein Bekenntniß gehört hätte, so würde er entscheiden, in welchem Maße wir die Gefühle der Freundschaft, die uns verbindet, nähren, und uns unschuldige Beweise davon geben dürfen; aber da ich ihn nun nicht darüber zu Rathe ziehen kann, so habe ich zu sehr zu meinem Schaden erfahren, wie die scheinbar untadelhaftesten Gefühle irreleiten können. Es ist Zeit, weise zu werden. Der Sicherheit meines Herzens ungeachtet, will ich nicht mehr Richter in meiner eigenen Sache sein, noch mich als Frau denselben Täuschungen preisgeben, die mich als Mädchen in's Verderben führten. Dieser Brief ist der letzte, den Sie von mir erhalten werden; ich bitte auch Sie inständigst, mir nicht mehr zu schreiben. Jedoch da ich nie aufhören werde, den zärtlichsten Antheil an Ihnen zu nehmen, und da dieses Gefühl so rein ist, wie der Tag, der mich bescheint, so wird es mich sehr freuen, bisweilen Nachricht von Ihnen zu erhalten und Sie zu dem Glücke gelangen zu sehen, das Sie verdienen. Sie werden ja dann und wann an Frau von Orbe schreiben können, so oft Sie uns irgend ein bemerkenswerthes Ereigniß mitzutheilen haben. Ich hoffe, daß die Rechtschaffenheit Ihrer Seele sich jederzeit in Ihren Briefen abspiegeln wird. Uebrigens ist meine Cousine tugendhaft und zu klug, um mir etwas mitzutheilen, das zu sehen sich für mich nicht schicken würde, und um nicht diese Correspondenz zu unterdrücken, wenn Sie im Stande wären, sie zu mißbrauchen.

      Adieu, theurer, lieber Freund! Wenn ich glaubte, daß Glück in der Welt Sie glücklich machen könnte, würde ich sagen: trachten Sie danach; aber vielleicht haben Sie Ursache, es zu verachten, bei so vielen Schätzen, die es Ihnen entbehrlich machen. Ich will lieber sagen: trachten Sie nach Glückseligkeit, sie ist das Glück des Weisen. Wir haben stets gefühlt, daß es ohne Tugend keines gebe; aber geben Sie Acht, daß nicht der Name Tugend zu einer bloßen Abstraction werde, von schönem Scheine, aber ohne Inhalt, zu einem Paradewort, das mehr dazu dient, Andere zu blenden, als uns selbst zufrieden zu stellen. Ich zittere, wenn ich daran denke, daß Personen, die mit Ehebruch im Grunde des Herzens umgingen, von Tugend zu reden wagten. Wissen Sie wohl, was wir mit diesem so hoch zu haltenden und so entweihten Namen bezeichneten, als wir in einem sträflichen Umgange begriffen waren? Jene rasende Liebe, in der wir beide entbrannt waren, die ihre Brunst unter dem Scheine heiliger Begeisterung barg, um sie uns noch lieber zu machen und uns noch länger zu täuschen. Ich wage zu glauben, daß wir ganz dazu geschaffen waren, die Tugend zu lieben und zu üben, aber wir suchten sie auf falschem Wege und verfolgten einen leeren Schatten. Es ist Zeit, daß die Täuschung aufhöre, es ist Zeit, von einer Verirrung zurückzukommen, die nur schon zu lange gedauert hat. Mein Freund, diese Umkehr wird nicht schwer für Sie sein: Sie haben Ihren Führer in sich selbst; mögen Sie ihn vernachlässigt haben, aber Sie haben ihn nie von sich gestoßen, Ihre Seele ist gesund, sie hängt sich an Alles, was gut ist; und wenn ihr das Gute bisweilen entschlüpft, so kommt das nur daher, daß sie nicht ihre ganze Kraft angewendet hat, um es festzuhalten. Kehren Sie ein in Ihr Gewissen und sehen Sie zu, ob Sie darin nicht irgend ein vergessenes Prineip finden, welches dazu dienen könnte, all Ihr Thun mehr in Ordnung und Zusammenhang zu bringen. Es ist nicht genug, glauben Sie mir, daß die Tugend der Träger Ihrer Ausführung sei, wenn Sie nicht diesen Träger auf einen unerschütterlichen Grund bauen. Erinnern Sie sich jener Indier, welche die Welt auf einem riesigen Elephanten ruhen lassen, und dann den Elephanten auf einer Schildkröte, und wenn man sie fragt, worauf denn die Schildkröte ruhe, so wissen sie nicht mehr, was sie sagen sollen.

      Ich beschwöre Sie, auf das Wort Ihrer Freundin ein wenig zu achten, und einen sichereren Weg zum Glücke zu wählen als den, auf welchem wir so lange irre gegangen. Ich werde nicht aufhören, den Himmel für Sie und für mich um die wahre, reine Glückseligkeit anzuflehen, und werde nicht ruhig sein, bis ich sie für uns beide erlangt habe, Ach, wenn wir an unsere Jugendverirrungen wieder werden denken müssen, lassen Sie uns wenigstens dafür sorgen, daß die Umkehr, welche sie bewirkt haben, uns erlaube, an sie zu denken, und daß wir dann mit jenem Alten sprechen können: Ach wohl, wir würden zu Grunde gehen, wenn wir nicht zu Grunde gegangen wären [Plutarch erzählt in den „Denksprüchen von Königen und Feldherrn", Themistokles habe, als er durch viele Geschenke schnell zu Reichthum gekommen war, das obige Wort zu seinen Kindern gesagt. D. Ueb.].

      Die Predigerin ist mit ihrer Rede am Ende; sie wird nun genug zu thun haben sich selbst zu predigen. Leben Sie wohl, mein liebenswerther Freund, leben Sie wohl auf ewig; so heischt die unerbittliche Pflicht. Aber glauben Sie nur, Juliens Herz kann nicht vergessen, was ihm theuer war .... Mein Gott! was mache ich? .... Sie werden es dem Papiere nur zu sehr ansehen. O! ist es denn nicht erlaubt, weich zu sein, wenn man seinem Freunde das letzte Lebewohl sagt?

      Einundzwanzigster Brief.

       Von Juliens Liebsten an Milord Eduard.

       Inhaltsverzeichnis

      Ja Milord, es ist wahr, meine Seele ist erdrückt von der Last des Lebens. Seit lange schon ist es mir zur Last. Was es mir lieb machen konnte, habe ich verloren, es ist mir nichts geblieben, als seine Qual. Indeß es soll mir nicht erlaubt sein, wird gesagt, darüber zu verfügen, ohne das Geheiß Dessen, von dem ich es habe. Ich weiß auch, daß es Ihnen und zwar aus mehr als einem Grunde gehört; Sie haben es mir durch Ihre Fürsorge zweimal gerettet, und Ihre Wohltaten fristen es mir fortwährend, Ich werde nie darüber verfügen, wenn ich nicht sicher bin, daß ich es ohne Sünde thun kann, und solange mir die geringste Hoffnung bleibt, es für Sie zu verwenden.

      Sie sagten, ich wäre Ihnen nothwendig: warum hintergingen Sie mich? Seit wir in London sind, haben Sie, weit entfernt mich etwas für Sie thun zu lassen, sich nur mit mir zu thun gemacht. Wie viel überflüssige Mühe Sie sich geben! Milord, Sie wissen, ich hasse die Sünde noch mehr als das Leben; ich bete das ewige Wesen an. Ich verdanke Ihnen Alles, ich liebe Sie, ich hänge nur noch an Ihnen auf Erden. Die Freundschaft, die Pflicht können noch einen Unglücklichen an die Erde ketten; Vorwände, Sophismen werden ihn nicht zurückhalten. Klären Sie meine Vernunft auf, sprechen Sie zu meinem Herzen; ich bin bereit, Sie zu hören, aber vergessen Sie nicht, daß die Verzweiflung sich nicht zum Besten haben läßt.

      Sie sagen, man müsse mit der Vernunft prüfen; wohlan, prüfen wir! Sie sagen, man müsse desto mehr überlegen, je wichtiger die Sache sei, um welche es sich handelt; auch das will ich. Suchen wir die Wahrheit in aller Ruhe und ohne Leidenschaft, sprechen wir das Thema im Allgemeinen durch, als wenn dabei von einem Dritten die Rede wäre. Robeck faßte eine Vertheidigung des freiwilligen Todes ab, ehe er ihn sich gab. Ich will nicht, gleich ihm, ein Buch schreiben, bin auch mit dem seinigen nicht sonderlich einverstanden, aber ich hoffe es ihm an Kaltblütigkeit bei dieser Untersuchung nachzuthun [Jos. Robeckii Exercitatio de morte voluntaria erschienen Rinteln 1736, nachdem der Verfasser im Jahre zuvor sich in Bremen den Tod in der Weser gegeben hatte. Er war zu Kalmar in Schweden 1672 geboren, Jesuit und Missionar gewesen, und nach einem längeren Aufenthalte in Rinteln, wo er zuletzt seine ganze Habe vertheilte, nach Bremen gegangen, um sich das Leben zu nehmen. D. Ueb.].

      Ich habe lange über diesen ernsten Gegenstand nachgedacht; Sie müssen es wissen, denn Sie kennen mein Schicksal, und ich lebe noch. Je mehr ich ihn überlege, desto mehr finde ich, daß sich die Frage auf folgenden Hauptsatz zurückführen läßt: Sein eigenes Wohl suchen und sich dem Uebel entziehen, soweit es geschehen kann, ohne Anderen zu schaden, ist ein natürliches Recht. Wenn daher unser Leben ein Uebel für uns, und für Niemanden ein Gut ist, so muß es erlaubt sein, uns davon zu befreien. Wenn es einen klaren und unumstößlichen Satz auf der Welt giebt, so ist es meiner Meinung nach dieser; und könnte es gelingen, ihn umzustoßen, so würde keine menschliche Handlung mehr sein, die man nicht zu einem Verbrechen stempeln könnte.

      Was sagen darüber unsere Sophisten? Erstlich betrachten sie das Leben als eine Sache, die nicht uns gehört, weil sie uns geschenkt ist; aber gerade weil sie uns geschenkt ist, gehört sie uns. Hat ihnen Gott nicht zwei Arme gegeben? Und doch lassen sie sich, wenn sie den kalten Brand fürchten, einen oder nötigenfalls beide abnehmen. Beide Fälle sind für Den, der an Unsterblichkeit der Seele glaubt, vollkommen gleich; denn wenn ich meinen Arm opfere, um etwas Kostbareres

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