Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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gehalten, die er gezwungen ist wider Willen zu dulden! Aus diesen erlaubt der gnädige Gott dem Menschen sich ein Verdienst zu machen; er nimmt als freiwillige Huldigung den gezwungenen Tribut an, welchen er uns auflegt, und schreibt uns für das jenseitige Leben die Entsagungen des diesseitigen gut. Die wahre Buße ist dem Menschen von der Natur auferlegt; wenn er geduldig alles Das erträgt, was er zu ertragen gezwungen ist, so hat er in dieser Hinsicht Alles gethan, was Gott von ihm fordert, und wenn Einer den Hochmuth hat, mehr thun zu wollen, so ist er ein Narr, den man einsperren, oder ein Schelm, den man bestrafen muß. Entziehen wir uns daher ohne Bedenken allen Uebeln, denen wir entgehen können; es wird uns immer noch nur zu viel zu erdulden übrig bleiben. Befreien wir uns ohne Furcht auch von dem Leben selbst, sobald es ein Uebel für uns ist. da wir es in unserer Gewalt haben und dadurch weder Gott noch Menschen beleidigen. Wenn das höchste Wesen Opfer verlangt, ist Sterben nichts! Bringen wir Gott mit unserem Tode das Opfer, das er uns durch die Stimme der Vernunft auflegt, und ergießen ruhig in seinen Schoß die Seele, die er von uns zurückfordert.

      Dies sind die allgemeinen Regeln, welche die gesunde Vernunft allen Menschen vorschreibt, und welche die Religion gut heißt [Wunderlicher Brief in Betracht des Gegenstandes, um den es sich handelt! Erörtert man eine solche Frage mit solcher Ruhe, wenn man sie für sich selbst in Ueberlegung nimmt? Ist der Brief fabricirt oder wartet der Schreiber nur darauf, widerlegt zu werden? Was hierüber zweifelhaft machen kann, ist das von ihm selbst angeführte Beispiel Robeck's, das Aehnliches auch bei ihm anzunehmen uns ein Recht giebt. Robeck ging mit sich so wohlbedächtig zu Rathe, daß er die Geduld hatte, ein Buch zu schreiben, ein großes, schweres, dickleibiges, eiskaltes Buch, und nachdem er, seiner Meinung nach, zu dem sicheren Schlusse gekommen war, daß es erlaubt sei, sich zu tödten, tödtete er sich mit derselben Ruhe. Seien wir auf unserer Hut vor Zeit- und Volksvorurtheilen! Wenn es nicht im Brauch ist, sich das Leben zu nehmen, sieht man diejenigen, die es thun, nur für Wahnsinnige an; Handlungen des Muths kommen schwachen Seelen stets chimärisch vor: Jeder beurtheilt die Anderen nur nach sich. Allein wie viele beglaubigte Beispiele haben wir nicht von Männern, die in jeder andern Hinsicht voll Verstand, und die ohne Bedenken, ohne Leidenschaft, ohne Verzweiflung dem Leben entsagen, blos weil es ihnen zur Last ist, und ruhiger sterben, als sie gelebt haben!]. Kommen wir auf uns zurück, Sie haben mich gewürdigt, mir Ihr Herz zu öffnen: ich kenne Ihren Kummer, Sie leiden nicht weniger als ich; Ihr Uebel ist unheilbar wie das meinige, und noch unheilbarer, weil die Gebote der Ehre wandelloser sind als die des Geschickes, Sie ertragen es, bekenne ich, mit Festigkeit, Die Tugend hilft Ihnen: einen Schritt weiter und sie einbindet Sie. Sie dringen in mich, zu leiden; Milord, ich erdreiste mich, in Sie zu dringen, Ihren Leiden ein Ende zu machen, und ich überlasse es Ihnen, zu urtheilen, wer von uns beiden den andern am liebsten hat.

      Was zögern wir, einen Schritt zu thun, der immer doch gethan werden muß? Wollen wir warten, bis Alter und Jahre uns auf niedere Weise an das Leben ketten, nachdem sie uns den Reiz desselben geraubt, und bis wir mühsam, schimpflich und schmerzlich den elenden, gebrochenen Leib hinschleppen? Wir sind in dem Alter, wo die Seele noch Kraft genug hat, um leicht ihre Bande abzustreifen, in welchem der Mensch noch zu sterben weiß; später läßt er sich das Leben nur mit Seufzern entreißen. Nutzen wir eine Zeit, da Lebensüberdruß uns den Tod wünschenswerth macht! Später möchte er in seinem Graus zu einer Zeit kommen, da wir ihn nicht mögen. Ich erinnere mich eines Augenblicks in meinem Leben, in welchem ich den Himmel nur um eine Stunde bat: ich wäre in Verzweiflung gestorben, wenn ich sie nicht erhalten hätte. Ach, wie schmerzlich ist es, die Bande zu zerreißen, welche unser Herz an die Erde ketten! und wie weise gethan ist es, ihr zu entfliehen, sobald jene zerrissen sind! Ich fühle es, Milord, wir sind beide einer bessern Wohnung werth: die Tugend weist uns zu ihr hin, und das Schicksal ladet uns ein, den Weg zu betreten. Vereinige uns die Freundschaft, die uns verbindet, noch in unserer letzten Stunde. O welche Wollust für zwei wahre Freunde, ihre Tage freiwillig einer in des andern Armen zu beschließen, ihre letzten Seufzer zu vermischen und zugleich die beiden Hälften ihrer Seele auszuhauchen! Welcher Schmerz, welche Klage könnte ihre letzten Augenblicke vergiften? Was verlassen sie, wenn sie aus der Welt scheiden? Sie gehen mitsammen hin, sie verlassen nichts.

      Zweiundzwanzigster Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Junger Mann, du schwärmst in's Blaue hinaus: sei bescheidener, gieb nicht Rath, indem du Rath verlangst; ich habe andere Leiden gekostet als du. Meine Seele ist fest; ich bin Engländer. Ich weiß zu sterben; denn ich weiß zu leben, als Mann zu dulden. Ich habe dem Tode in die Augen gesehen, und er ist mir zu gleichgültig, um ihn zu suchen. Reden wir von dir.

      Es ist wahr, du warst mir nothwendig; meine Seele bedurfte der deinigen; dein Beistand konnte mir nützlich werden, dein Geist konnte mir in der wichtigsten Angelegenheit meines Lebens zur Klarheit verhelfen; wenn ich mir ihn nicht zu nutze mache, wem giebst du die Schuld? Wo ist er? was ist aus ihm geworden? wozu bist du nütze in dem Zustande, worin du dich befindest? welche Dienste kann ich von dir hoffen? Ein sinnloser Schmerz macht dich stumpf für Alles und mitleidslos: du bist kein Mann, bist nichts; und wenn ich nicht erwöge, was du sein könntest, so wie du bist, wüßte ich nichts in der Welt, was tiefer stände, als du.

      Ich will nichts zum Beweise nehmen, als dein Schreiben selbst. Ehemals fand ich bei dir Sinn, Wahrhaftigkeit; du empfandest natürlich, dachtest richtig, und ich liebte dich, nicht blos aus Neigung, sondern aus Wahl, als ein Mittel mehr für mich, die Weisheit anzubauen. Was hab' ich aber nun in den Entwicklungen dieses Schreibens gefunden, womit du so zufrieden scheinst? Durchgehends eine jämmerliche Sophisterei, die in der Verirrung deines Verstandes zugleich die Verirrung deines Herzens erkennen läßt, und die ich nicht einmal aufzudecken der Mühe werth hielte, wenn ich nicht Mitleid hätte mit deiner Raserei.

      Um das Alles mit einem einzigen Worte umzustoßen, will ich dich nur Eines fragen: Du, der du an das Dasein Gottes, an die Unsterblichkeit der Seele und an die Freiheit des Menschen glaubst, nimmst zweifelsohne nicht an, daß ein vernunftbegabtes Wesen auf gut Glück einen Körper empfange und auf die Welt gesetzt werde, um da zu sein, zu leben und zu sterben? Es hat denn doch vielleicht das Leben einen Zweck, ein Ziel, eine sittliche Bedeutung, wie? Ich bitte dich, mir bestimmt hierauf zu antworten; danach wollen wir Punkt für Punkt deinen Brief vornehmen, und du wirst erröthen, daß du ihn geschrieben hast.

      Aber lassen wir die allgemeinen Sätze, womit man oft viel Lärm macht, ohne je einem nachzuleben; denn es findet sich bei der Anwendung immer irgend ein besonderer Umstand, welcher dergestalt die Lage der Sache verändert, daß Jeder sich der Pflicht überhoben glaubt, die Regel zu befolgen, die er Andern vorschreibt; es ist ja bekannt, daß Jeder, der allgemeine Grundsätze aufstellt, der Meinung ist, daß sie alle Welt binden, nur nicht ihn. Noch einmal, reden wir von dir.

      Es ist dir also erlaubt, meinst du, deinem Leben ein Ende zu machen? Ich möchte doch wohl wissen, ob du einen Anfang gemacht hast. Wie! Wurdest du in die Welt gesetzt, um nichts zu thun? Hat dir der Himmel nicht mit dem Leben eine Aufgabe zu erfüllen gegeben? Wenn du dein Tagewerk vor dem Abend fertig hast, so ruhe dich die übrige Zeit, du darfst es: aber laß dein Werk sehen. Welche Antwort hast du für den höchsten Richter bereit, wenn er dir Rechenschaft von der Anwendung deiner Zeit abfordert? Sprich, was wirst du antworten? Ich habe ein sittsames Mädchen verführt; ich habe einen Freund in seinem Kummer verlassen. Unglücklicher! zeige mir doch den Gerechten, der sich rühmen kann, genug gelebt zuhaben, damit ich von ihm lerne, wie man das Leben getragen haben muß, um das Recht zu haben, es zu verlassen.

      Du rechnest die Leiden der Menschheit auf, schämst dich nicht, hundertmal widerlegte Gemeinplätze auszubeuten, und sagst: das Leben ist ein Uebel. Aber schau umher, suche, ob du in der Ordnung der Dinge irgendwo Gutes findest, das nicht Uebel zur Seite habe. Kann man deshalb sagen, daß es kein Gut auf der Welt gebe? Und darfst du das, was seiner Natur nach ein Uebel ist, mit dem vermengen, dem das Uebel nur zufällig anhaftet? Du hast selbst gesagt, das passive Leben

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