Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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auf sein ganzes Wesen Einfluß haben soll, besteht in seiner Willensübung. Das Leben ist ein Uebel für den Bösen, der gedeiht, und ein Gut für den unglücklichen Redlichen; denn nicht eine vorübergehende Wandlung, sondern seine Beziehung auf seinen Zweck macht es gut oder böse. Was sind es endlich für unerträgliche Schmerzen, die dich zwingen, ihm zu entsagen? Meinst du, ich hätte nicht unter deiner erheuchelten Unparteilichkeit bei der Aufzählung der Uebel des Lebens die Scham erkannt, von deinen eigenen zu sprechen? Folge mir, gieb nicht alle deine Tugenden zugleich daran; bewahre dir wenigstens deine alte Freimüthigkeit, und sage deinem Freunde offen: ich habe die Hoffnung verloren, eine sittsame Frau zu verführen, bin nun gezwungen ein braver Mann zu sein; ich will lieber sterben.

      Du bist des Lebens überdrüßig, und sprichst; das Leben ist ein Uebel. Ueber Lang oder Kurz wirst du getröstet sein, und wirst sprechen: das Leben ist ein Gut Es wird wahrer gesprochen, und doch nicht besser gesprochen sein; denn es wird sich nichts geändert haben, als du. Aendere dich also von Stund' an, und da dein ganzes Uebel in deiner üblen Gemütsverfassung liegt, so bessere deine ungeregelten Stimmungen, und verbrenne nicht dein Hans, um dir die Mühe des Aufräumens zu ersparen.

      Ich leide, sagst du; hängt es von mir ab, nicht zu leiden? Erstlich ist hiermit der Stand der Frage verschoben; denn es kommt nicht darauf an, ob du leidest, sondern ob das Leben dir zu einem Uebel geworden ist. Sei es. Du leidest, du mußt suchen, des Leides ledig zu werden. Lass sehen, ob es zu diesem Ende nöthig ist, zu sterben.

      Nimm einen Augenblick an, daß der natürliche Fortschritt der Seelenleiden dem der körperlichen Leiden gerade entgegengesetzt sei, wie die beiden Substanzen ihrer Natur nach einander entgegengesetzt sind. Jene wurzeln ein, verschlimmern sich mit der Zeit, und zerstören endlich diese sterbliche Maschine. Diese dagegen, äußerliche und vorübergehende Verstimmungen eines unsterblichen und einfachen Wesens, vergehen allmählig, und lassen es in seiner ursprünglichen Beschaffenheit zurück, die unwandelbar ist. Betrübniß, Ueberdruß, Trauer, Verzweiflung sind Schmerzen von kurzer Dauer, die sich nie im Gemüthe festwurzeln, und die Erfahrung straft jedesmal das bittere Gefühl Lügen, das uns unsere Leiden zu ewigen macht. Noch mehr: ich kann nicht glauben, daß die Laster, die uns bestricken, tiefer in uns haften, als unsere Bekümmernisse. Nicht nur denke ich, daß sie mit dem Leibe vergehen, dem sie ihren Ursprung verdanken, sondern ich zweifle gar nicht, daß schon ein längeres Leben hinreichen würde, um den Menschen zu bessern, und daß wir, wenn wir einige Jahrhunderte in Jugendkraft blüheten, gewiß lernen würden, daß es nichts Besseres giebt als die Tugend.

      Doch davon abgesehen, da die meisten unserer leiblichen Uebel nur immer wachsen, so können heftige Schmerzen, wenn sie unheilbar sind, einen Menschen berechtigen, über sich zu verfügen; denn da der Schmerz alle seine Kräfte lähmt und das Uebel nicht gehoben werden kann, entgeht ihm der freie Gebrauch seines Willens und seiner Vernunft für immer; er hört vor seinem Tode auf, Mensch zu sein, und vollendet nur, indem er das Leben aufgiebt, die Vernichtung eines Leibes, der ihn hindert, und in welchem seine Seele schon nicht mehr heimisch ist.

      Aber mit den Seelenschmerzen ist es nicht ebenso, da diese, wenn sie noch so heftig sind, stets ihre Heilung in sich tragen. In der That, was macht ein Uebel unerträglich? Seine Dauer. Die chirurgischen Operationen sind gemeinlich weit schmerzhafter als die Leiden, die durch sie beseitigt werden sollen, aber der Schmerz, den die Krankheit verursacht, wühlt unablässig fort, der, welchen die Operation verursacht, ist vorübergehend, und so zieht man diesen vor. Was bedarf es also der Operation bei Schmerzen, die an ihrer eigenen Dauer, die sie unerträglich machen würde, sterben? Ist es vernünftig, gewaltsam Curen gegen Uebel anzuwenden, die von selbst vergehen? Welches von den beiden Mitteln, sich von den nämlichen Leiden zu befreien, ist für Den vorzuziehen, der auf das Beständige hält, und die Jahre nur so gering anschlägt, als sie es verdienen, der Tod oder die heilende Zeit? Warte, und du wirst geheilt sein. Was verlangst du mehr?

      Ach! das verdoppelt nur meinen Schmerz, daß ich denke, er könnte enden! .... Eitle Sophisterei des Schmerzes! Redensart ohne Sinn, ohne Wahrheit und vielleicht nicht einmal ehrlich! Was für ein abgeschmackter Grund zur Hoffnungslosigkeit, Hoffnung zu haben, daß der Jammer enden werde [Nein, Milord, man endet auf diese Art nicht seinen Jammer, man setzt ihm die Krone auf; man zerreißt das letzte Band, welches uns an das Glück fesselte. In dem Schmerze um das, was uns lieb war, hängt man noch durch den Schmerz selbst an dem Gegenstande des Schmerzes, und dieser Zustand ist weniger schrecklich, als an nichts mehr zu hängen.]! Und selbst diese närrische Empfindsamkeit zugegeben, wer wollte nicht lieber den gegenwärtigen Schmerz noch einen Augenblick durch die Gewißheit, daß er enden wird, steigern, wie man eine Wunde zur Eiterung bringt, damit sie vernarbe? Und hätte der Schmerz einen Reiz, der ihn uns lieb machte, führt man nicht dann, indem man sich ihn mit dem Leben raubt, gerade das herbei, was man von der Zukunft fürchtet?

      Bedenke es wohl, junger Mann, was sind zehn, zwanzig, dreißig Jahre für ein unsterbliches Wesen? Schmerz und Freude gehen vorüber wie ein Schatten: das Leben verrinnt in einem Augenblick: es ist an sich selbst nichts: sein Werth hängt von seiner Anwendung ab. Nur das Gute, das man gethan hat, bleibt, und um dessen willen ist das Leben etwas.

      Sage also nicht mehr, daß das Leben ein Uebel für dich sei, da es von dir allein abhängt, es zu einem Gute zu machen, und wenn es in seiner Vergangenheit ein Uebel war, dies nur ein Grund mehr ist, es noch fortzusetzen. Sage auch nicht, daß es dir freistehe, zu sterben; denn mit demselben Rechte könntest du sagen, es stehe dir frei, nicht Mensch zu sein, es stehe dir frei, dich gegen den Urheber deines Daseins aufzulehnen und das Geschick zu betrügen. Aber wenn du hinzusetztest, dein Tod thue Niemanden Leides, hast du wohl bedacht, daß Der, dem du das zu sagen wagst, dein Freund ist?

      Dein Tod thut Niemanden Leides! Ich verstehe: unser Verlust kümmert dich nicht, unseren Schmerz rechnest du für nichts. Ich will von den Rechten der Freundschaft gar nichts sagen, die du verachtest; giebt es nicht noch theurere [Rechte theurer als die Freundschaft! Und es ist ein Weiser, der das sagt! Aber der vorgebliche Weise war selbst verliebt.], die es dir zur Pflicht machen, dich zu erhalten? Wenn es eine Person auf der Welt giebt, die dich so geliebt hat, daß sie dich nicht überleben mag, und der dein Glück zu ihrem Glücke fehlt, meinst du, ihr nichts schuldig zu sein? Wird nicht die Ausführung deines traurigen Vorhabens den Frieden einer Seele trüben, die mit so großer Mühe ihre frühere Unschuld wiedererworben hat? Fürchtest du nicht, in diesem zärtlichen Herzen Wunden, die nur schlecht geheilt sind, wieder aufzureißen? Fürchtest du nicht, daß dein Untergang einen anderen nach sich ziehe, der noch härter ist, indem er der Welt und der Tugend ihre würdigste Zierde raubt? Und gesetzt, sie überlebt dich, fürchtest du nicht in ihrem Busen Gewissensbisse aufzuregen, die schwerer zu ertragen sind, als das Leben? Undankbarer Freund, Liebhaber ohne Zartgefühl, willst du immer nur mit dir beschäftigt sein? willst du immer nur an deine Leiden denken? hast du kein Gefühl für das Wohl Deren, die dir theuer war? und kannst du nicht leben um ihrer willen, die mit dir sterben wollte?

      Du sprichst von den Pflichten des Staatsbeamten, des Familienvaters, und weil dir nicht diese obliegen, glaubst du dich von allen befreit. Und die Gesellschaft, der du deine Erhaltung, deine Kräfte, deine Einsichten schuldig bist? das Vaterland, dem du angehörst, die Unglücklichen, die deiner bedürfen, bist du denen nichts schuldig? O der genauen Aufzählung, die du machst! Unter den Pflichten, die du aufzählst, vergissest du nur die des Menschen und des Bürgers; wo ist da der tugendhafte Patriot, der sein Blut keinem fremden Fürsten verkaufen will, weil er es nur für sein Vaterland vergießen darf? Er will es jetzt als ein Verzweifelter gegen das ausdrückliche Verbot der Gesetze verschütten. Die Gesetze, die Gesetze, junger Mann! verachtet die der Weise? Der unschuldige Sokrates hat aus Achtung für sie nicht aus dem Gefängnisse entfliehen wollen: du nimmst keinen Anstand, sie zu übertreten, indem du unrechtmäßiger Weise dem Leben entfliehen willst, und fragst noch: was thue ich Uebels?

      Du willst dich durch Beispiele rechtfertigen: du wagst es, mir Römer zu nennen. Du und Römer! dir kommt es auch zu, dich auf jene erhabenen Namen zu berufen! Sage doch, ist Brutus als ein verzweifelter Liebhaber gestorben? Hat sich Cato die Brust durchstochen um seine Maitresse?

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