Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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dem Gegenstande einen Werth giebt, den er nicht behalten kann.

      Sie müssen auch noch erwägen, daß in dieser Hinsicht die Wirkung jedes einzelnen Dinges weniger aus ihm selbst entspringt, als aus seiner Anwendung und seiner Uebereinstimmung mit den übrigen; Julie weiß aus Stücken von geringem Werthe ein Ganzes von großer Schätzbarkeit zu machen. Der Geschmack wirkt gern schöpferisch und will den Dingen ganz allein ihren Werth geben. So unbeständig und aufreibend das Gesetz der Mode ist, so ersparend und vorhaltend ist die ihrige. Was der rechte Geschmack einmal billigt, ist immer gut; wenn es selten modisch ist, so ist es dafür niemals lächerlich; in ihrer bescheidenen Einfalt leitet sie aus den wesentlichen Verhältnissen der Dinge sichere und unwandelbare Regeln ab, welche bleiben, wenn die Moden nicht mehr sind.

      Rechnen Sie endlich noch hinzu, daß Ueberfluß an blos Nothwendigem nicht in Mißbrauch ausarten kann, weil das Nothwendige sein natürliches Maß hat, und die wahren Bedürfnisse nie zu Ausschreitungen führen. Man kann das, was zwanzig Kleider kosten, in ein einziges stecken, und in einer einzigen Mahlzeit die Einkünfte eines ganzen Jahres aufessen; aber man kann nicht zwei Anzüge auf einmal tragen, und zweimal an einem Tage schmausen. So ist die herrschende Meinung schrankenlos, während die Natur uns von allen Seiten bindet, und wer in mittelmäßigen Verhältnissen sich auf das Wohlsein beschränkt, läuft nicht Gefahr, sich zu Grunde zu richten.

      So. mein Lieber, fuhr der weise Wolmar fort, kann man sich mit Oekonomie und Fleiß über seinen Glückszustand erheben. Es hinge nur von uns ab, unser Vermögen zu vermehren, ohne unsere Lebensart zu verändern, denn es wird hier beinahe keine Auslage gemacht, die nicht einen Ertrag zum Zwecke hätte, und Alles, was wir ausgeben, liefert uns Mittel, noch weit mehr auszugeben.

      Nun sehen Sie, Milord, nichts von dem Allen springt hier sogleich in die Augen. Ein Anstrich von Verschwendung verdeckt überall die gute Ordnung, durch welche dieselbe erst möglich geworden. Man muß sich Zeit lassen, um hinter die Luxusgesetze zu kommen, welche hier zu einem behaglichen und genußreichen Leben führen, und man hat anfangs Mühe, zu begreifen, wie es möglich ist, Genuß von dem zu haben, was man spart. Sieht man schärfer zu, so wächst die Befriedigung, weil man wahrnimmt, daß hier die Quelle derselben unversieglich ist, und daß die Kunst, sich ein glückliches Leben zu bereiten, wie sie hier geübt wird, zugleich zu dessen Verlängerung dient. Wie sollte man eines Zustandes müde werden, der so ganz der Natur gemäß ist? Wie könnte man sein Erbtheil erschöpfen, wenn man es alle Tage verbessert? Wie sein Vermögen zu Grunde richten, wenn man immer nur seine Einkünfte verzehrt? Wenn man jedes Jahr schon für das folgende sicher gestellt ist, welche Gefahr kann dann dem laufenden drohen? Hier liefert die Frucht der vorjährigen Arbeit den gegenwärtigen Ueberfluß, und die Frucht der diesjährigen Arbeit kündigt den künftigen an; man genießt zu gleicher Zeit dessen, was man ausgiebt, und dessen, was man einerntet, und die verschiedenen Zeiten greifen zur Sicherstellung der Gegenwart in einander.

      Ich bin in alle Einzelheiten der Wirthschaft eingegangen und habe überall denselben Geist herrschend gefunden. Alle Stickerei und alles Klöppelwerk geht aus dem Frauengemach hervor, alles Linnen ist im Hofe gesponnen oder von armen Frauen, denen man Nahrung giebt. Die Wolle wird in Fabriken geschickt, aus denen man dafür fertiges Tuch eintauscht, um die Leute zu kleiden; der Wein, das Oel und das Brod werden im Hause gemacht: man hat im Holze Schläge, welche so viel liefern, als man nur verbrauchen kann. Der Holzbauer wird in Kleinvieh bezahlt; der Würzkrämer erhält Korn für das, was er liefert: das Lohn der Bedienten kommt aus dem Landertrage, den sie verwerthen; die Miethe, welche die Häuser in der Stadt tragen, reicht hin, um das Ameublement derjenigen, die hier bewohnt sind, zu bestreiten; die Zinsen von Staatspapieren geben so viel her, als die Herrschaft braucht, und als das wenige Silberzeug kostet, das man sich verstattet; aus dem Erlös für Wein und Getreide, das man nicht selbst consumirt, wird ein Reservefonds für außerordentliche Ausgaben gebildet, ein Fonds, den Juliens Klugheit nie versiegen und den ihre Mildthätigkeit noch viel weniger anwachsen läßt. Auf Sachen der bloßen Annehmlichkeit verwendet sie nur den Ertrag der Arbeit, welche im Hause geschieht, der Aecker, die sie selbst urbar gemacht, der Bäume, die sie angepflanzt haben u.s.w. Indem so der Ertrag und die Ausgaben sich immer auf die natürlichste Weise decken, kann das Gleichgewicht nie aufgehoben werden, und es ist unmöglich, in Unordnung zu gerathen.

      Noch mehr: die Entbehrungen, welche sie sich aus jener zuvor erwähnten, sich selbst beschränkenden Genußliebe auferlegt, sind zu gleicher Zeit auch wieder Mittel, sich Freude zu bereiten, und auch wieder Mittel, zu sparen. Zum Beispiel, sie liebt den Kaffee sehr; in ihrem elterlichen Hause trank sie ihn alle Tage; sie hat diese Gewohnheit aufgegeben, um sich dadurch den Reiz des Genusses zu erhöhen; sie trinkt ihn jetzt nur, wenn sie Gäste hat, oder im Apollosaal, um auch hieran wieder etwas zu haben, was das Fest noch festlicher mache. Dies ist eine kleine Verfeinerung des Genusses, die mehr kitzelt, und weniger kostet, die das Gelüst zugleich befriedigt und zügelt. Mit unermüdlicher Aufmerksamkeit aber sucht Julie das, was ihr Vater und ihr Mann gern mögen, zu errathen und zu besorgen; sie thut dies mit ungeheuchelter, herzlicher Lust und mit solcher Anmuth, daß den Andern das, was sie ihnen auftischt, noch dadurch gewürzt wird, daß sie sehen, wieviel Vergnügen es ihr macht, ihren Wünschen zuvorzukommen. Beide sitzen gern nach Schweizerart noch nach dem Essen einige Zeit bei Tische; wenn sie dies thun, so unterläßt sie nie, eine Flasche besseren, älteren Weins, als gewöhnlich, heraufholen zu lassen. Ich ließ mich anfangs durch die pomphaften Namen zum Besten haben, welche man diesen Weinen gab, die ich übrigens in der That vortrefflich finde, und da ich sie für Weine aus den Orten, nach welchen sie genannt wurden, trank, so zog ich gegen Julien über einen so offenbaren Bruch ihrer Grundsätze los; aber sie erinnerte mich lachend an eine Stelle im Plutarch, wo Flaminius die asiatischen Truppen des Antiochus unter tausend barbarischen Namen mit verschiedenen Ragouts vergleicht, unter deren Maske ihm ein Freund immer wieder dasselbe Fleisch vorgesetzt hatte. Es verhält sich ganz ebenso, sagte sie, mit diesen ausländischen Weinen, wegen deren Sie mich schelten. Der Rancio, der Xeres, der Malaga, der Chassaigne, der Syrakuser, die Ihnen so trefflich munden, sind in der That nur Lavauxweine von verschiedener Zubereitung, und Sie können von hier den Weinberg sehen, welcher alle diese fremden Gewächse erzeugt. Wenn sie an Güte den berühmten Weinen nachstehen, deren Namen sie führen, so sind sie dafür auch von den Mißständen frei, die man bei jenen nicht vermeiden kann, und da man sicher weiß, was in ihnen steckt, so kann man sie wenigstens ohne Gefahr trinken. Ich habe Ursache, zu glauben, daß mein Vater und mein Mann sie ebenso gern mögen, als die seltensten Weine. Es ist etwas dabei, sagte Herr von Wolmar, das ihnen einen Wohlgeschmack giebt, der allen andern abgeht, nämlich das Vergnügen, welches sie darin gefunden hat, sie zu bereiten. — O, erwiderte sie, sie werden auch ohnedem immer ausgezeichnet sein.

      Sie können sich denken, daß bei so mannigfaltiger Thätigkeit der Müßiggang und die Langeweile, die von Besuchen und Gesellschaften unzertrennlich sind, hier keinen Platz finden. Man besucht die Nachbarn nur so viel als nöthig ist, um mit ihnen in angenehmen Verhältnissen zu bleiben, aber nicht so viel, daß man sich zum Sklaven dieses Umganges macht. Gäste sind immer willkommen, werden aber nie herbeigewünscht. Man sieht nur gerade so viel Leute, als dienlich ist, um sich den Geschmack am zurückgezogenen Leben zu erhalten. Die ländlichen Beschäftigungen dienen statt der Lustbarkeiten, und Dem, der im Schoße seiner Familie eine süße Geselligkeit findet, wird jede andere bald unschmackhaft. Die Art, wie man hier seine Zeit zubringt, ist zu einfach und zu gleichförmig, um viele Leute zu reizen; aber den Personen, die sich hier ihrer bedienen, macht ihr ganzes Wesen und Gemüth sie lieb und angenehm. Kann man, bei gesunder Seele, es langweilig finden, die theuersten und entzückendsten menschlichen Pflichten zu erfüllen und sich gegenseitig glücklich zu machen? Jeden Abend mit dem verlebten Tage zufrieden, wünscht sich Julie den nächsten nicht anders, und jeden Morgen bittet sie den Himmel um einen, der dem vorigen gleiche; sie thut immer wieder dasselbe, weil es gut ist, und weil sie nichts kennt, was besser wäre. Ohne Zweifel genießt sie so aller Glückseligkeit, die dem Menschen vergönnt ist. Wenn man nichts wünscht, als die Fortdauer des Zustandes, in welchem man sich befindet, ist dies nicht ein sicheres Zeichen, daß man sich glücklich darin fühlt?

      Wenn man hier selten jene Haufen von Müßiggängern sieht, die man gute Gesellschaft

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