Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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im ersten Stock vorhanden. Dieser Privatspeisesaal liegt an der Ecke des Hauses und erhält sein Licht von zwei Seiten; auf der einen hat man die Aussicht auf den Garten, und zwischen den Bäumen hindurch auf den See, auf der andern auf die Rebhügel, die schon anfangen, die Schätze zur Schau zu stellen, die man in zwei Monaten auf ihnen ernten wird. Der Saal ist klein, aber geschmückt mit Allem, was ihn angenehm und freundlich machen kann. In ihm giebt Julie ihre kleinen Feste, ihrem Vater, ihrem Manne, ihrer Cousine, mir, sich und manchmal ihren Kindern. Wenn iie dort zu decken befiehlt, so weiß man schon, was das sagen will, und Herr von Wolmar nennt ihn scherzhaft den Apollosaal. Aber von jenem des Lucullus unterscheidet ihn nicht weniger die Wahl der Tischgenossen, als die der Speisen. Bloße Gäste werden in ihm nicht bewirthet; es wird nie da gegessen, wenn man Fremde hat; es ist die heilige Freistatt des Vertrauens, der Freundschaft, der Freiheit; durch die Herzensgemeinschaft ist an diesem Orte die Tischgemeinschaft bedingt; die Zulassung zu ihm ist gewissermaßen eine Einweihung in die Geheimnisse der Traulichkeit, und nur Personen versammeln sich dort, die sich nie mehr von einander trennen möchten. Milord, die Festlichkeit erwartet Sie, und in diesem Saale werden Sie hier Ihre erste Mahlzeit halten.

      Ich hatte nicht gleich anfangs diese Ehre; erst als ich von Frau von Orbe zurückkam, wurde ich im Apollosaal bewirthet. Ich hatte mir eingebildet, daß nach dem ersten Empfange, den ich gefunden hatte, nichts noch Verbindlicheres stattfinden konnte, aber dieses Abendessen hat mich eines Andern belehrt: ich fand dabei eine unbeschreiblich köstliche Mischung von Traulichkeit, Freude, Seelengemeinschaft, Wohlbehagen, wie ich es noch nie gefunden hatte. Ich fühlte mich zwangloser, ohne daß es dazu einer Aufforderung bedurft hätte: es war mir, als verständen wir uns besser, als zuvor. Die Abwesenheit der Bedienten lud ein, nichts mehr im Herzen verschlossen zu halten; auch fing ich auf Juliens Bitte wieder an, was ich seit so vielen Jahren nicht gethan hatte, mit meinen Wirthen nach der Mahlzeit unvermischten Wein zu trinken.

      Dieses Abendessen war bezaubernd; ich hätte gewünscht, daß alle unsere Mahlzeiten in derselben Weise stattgefunden hätten. Von diesem allerliebsten Saal, sagte ich zu Frau von Wolmar, wußte ich noch nichts: warum essen Sie nicht immer darin? — Sehen Sie, gab sie zur Antwort, er ist so hübsch! Wäre es nicht schade, ihn zu verderben?

      Diese Antwort schien mit zu wenig ihrem Charakter entsprechend, um mich nicht einen verborgenen Sinn vermuthen zu lassen. Warum haben Sie nicht wenigstens immer, fuhr ich fort, dieselben Bequemlichkeiten zusammen, wie hier, damit man der Bedienten entbehren und in Freiheit plaudern könnte? Weil dies zu angenehm wäre, versetzte sie, und die Langweiligkeit, es stets behaglich zu haben, am Ende die schlimmste von allen ist. Mehr brauchte ich nicht, um ihr System zu begreifen, und ich gestand mir, daß in der That die Kunst sich seine Freuden zu würzen nur darin besteht, haushälterisch mit ihnen umzugehen.

      Ich finde, daß sie sich sorgfältiger anzieht, als früher. Die einzige Eitelkeit, die man ihr ehedem vorzuwerfen hatte, war die, daß sie ihren Anzug vernachlässigte; die Stolze hatte ihre Gründe: sie ließ mir keinen Vorwand, ihre Macht in etwas Unrechtem zu suchen. Zwar mochte sie thun, was sie wollte, der Zauber, den sie übte, war zu groß, um ihn in etwas Natürlichem zu suchen: ich bildete mir fest ein, daß ihre Nachlässigkeit ein Kunstmittel sei; sie hätte sich mit einem Sack putzen können und ich würde sie der Koketterie geziehen haben. Jetzt würde nun ihre Macht nicht geringer sein, aber sie verschmäht es, Gebrauch davon zu machen, und ich würde nun wieder sagen, sie wähle mit Absicht einen gesuchteren Putz, um sich blos als die hübsche Frau und nichts weiter darzustellen, wenn ich nicht die wahre Ursache entdeckt hätte, warum sie auf ihre Kleidung mehr Sorgfalt verwendet. Die ersten Tage täuschte ich mich: indem ich nicht bedachte, daß sie bei meiner Ankunft, wo man mich doch nicht erwartet hatte, nicht anders angezogen war, erdreistete ich mich, die Ehre ihrer Sorgfalt auf meine Rechnung zu schreiben. Während der Abwesenheit des Herrn von Wolmar wurde ich enttäuscht. Gleich am andern Tage war nicht mehr die vorige Eleganz zu sehen, die das Auge nicht satt wurde zu betrachten, aber auch nicht jene rührende, wollüstige Kunstlosigkeit, die mich ehedem berauschte, sondern eine gewisse Bescheidenheit, die durch das Auge zum Herzen spricht, die nur Achtung einflößt, und deren Wirkung durch die Schönheit erhöht wird. Die Würde, welche der Gattin und Mutter geziemt, herrschte über alle ihre Reize; der ihr eigene schüchterne und zärtliche Blick war gemessener geworden, und man hätte sagen sollen, daß ein großartigeres, edleres Wesen die Sanftheit ihrer Züge bedeckt hielt. Nicht daß sich die geringste Veränderung in ihrer Haltung und in ihrem Benehmen gezeigt hätte; ihr stets sich gleiches, unschuldiges Wesen hat nie das Mindeste von Zierereien gewußt; sie machte nur von dem den Frauen natürlichen Talente Gebrauch, uns durch eine Abwechselung im Anzuge. durch eine andere Form des Kopfputzes, durch eine neue Farbe des Kleides anders zu stimmen, und über unsre Herzen die Herrschaft des Geschmackes auszuüben, die aus Nichts Etwas macht. An dem Tage, da sie ihren Mann zurückerwartete, stellte die Kunst sich wieder ein, um ihre natürliche Grazie zu beleben, ohne sie zu verdecken; sie war blendend, als sie von ihrer Toilette kam; ich fand, daß sie es nicht weniger verstand, den glänzendsten Putz zu beschämen, als den einfachsten zu zieren, und mit Verdruß sagte ich zu mir selbst, als ich erkannte, wem ihre Bemühung galt: hat sie je für die Liebe so viel gethan?

      Die Freude am Schmuck hat sich von der Herrin des Hauses über Alle verbreitet, die demselben angehören. Der Herr, die Kinder, die Bedienten, die Pferde, die Gebäude, die Meubles, Alles ist mit einer Sorgfalt gehalten, welche zeigt, daß man nicht unvermögend ist, Pracht zu entwickeln, daß man es aber verschmäht; oder vielmehr es ist in der That Pracht da, wenn es anders wahr ist, daß diese weniger in dem Reichthum gewisser Gegenstände besteht, als in einer schönen Ordnung des Ganzen, welche die einzelnen Theile in Uebereinstimmung setzt und Einheit in den Gedanken des Ordners verräth [Dies scheint mir unbestreitbar. Es ist Pracht in der Symmetrie eines gr0ßen Palastes, keine in einer Masse durcheinander gewürfelter Häuser. Es ist Pracht in der Uniform eines in Parade aufmarschirten Regiments, keine in der Volksmasse, welche zuschaut, obgleich sich unter dieser vielleicht kein Einziger befindet, dessen Kleidung nicht mehr werth wäre, als die jedes Soldaten. Mit Einem Worte, die wahre Pracht liegt nur in der im Großen und Ganzen sichtbar gemachten Ordnung, und daher kommt es, daß von allen erdenklichen Schauspielen das der Natur das prachtvollste ist.]. Ich für mein Theil wenigstens finde, daß es ein größerer und edlerer Gedanke ist, in einem einfachen und bescheidenen Hause eine kleine Anzahl von Menschen zu sehen, die sich durch gemeinsames Glück beseligt fühlt, als in einem Palaste Zwietracht und Unordnung herrschen und jeden von Denen, die ihn bewohnen, sein Wohl und sein Glück in dem Schaden eines Andern und in der allgemeinen Verwirrung suchen zu sehen. Das wohlgeordnete Haus ist erst eines, und bildet ein erfreuliches Ganze; in dem Palaste findet man nur ein verworrenes Gemenge von verschiedenartigen Gegenständen, deren Verbindung unter einander nur scheinbar ist. Auf den ersten Blick glaubt man Alles zu Einem Ziele wirken zu sehen; wenn man besser zusieht, findet man sich bald enttäuscht.

      Nur nach dem natürlichsten Eindruck zu urtheilen. sollte es scheinen, daß man, um Glanz und Luxus zu verachten, weniger einen mäßigen Sinn, als Geschmack nöthig habe. Symmetrie und Regelmäßigkeit gefallen jedem Auge; jedes Bild des Wohlseins und des Glückes rührt das menschliche Herz, welches danach lüstern ist: welche Vorstellung aber könnte ein eitler Prachtaufwand, der weder auf schöne Ordnung noch auf menschliches Glück zielt, und nichts Anderes zum Zwecke hat, als in die Augen zu fallen, dem Beschauer zu Gunsten Dessen machen, der ihn zur Schau stellt? Eine Vorstellung von Geschmack? Offenbart sich aber der Geschmack nicht tausendmal besser in einfachen Dingen, als in denen, welche mit Reichthum überladen sind? Oder eine Vorstellung von Bequemlichkeit? Giebt es aber etw^s Unbequemeres als überflüssige Pracht [Das Geräusch der vielen Leute im Hause stört unablässig die Ruhe des Herrn; er kann vor so vielen Argusaugen nicht das Geringste verbergen. Die Schaar seiner Gläubiger läßt ihn die seiner Bewunderer theuer bezahlen. Seine Zimmer sind so prächtig, daß er gezwungen ist in einem Verschlage zu schlafen, um sich's bequem zu machen, und sein Affe wohnt manchmal besser als er. Wenn er speisen will, so hängt er von seinem Koche ab, und niemals von seinem Hunger; wenn er aus will, ist er von seinen Pferden tyrannisirt; tausend Hindernisse halten ihn in jeder Straße auf; er brennt vor Ungeduld, sen Ziel zu erreichen, und denkt nicht daran, daß er Beine hat. Chloe erwartet ihn, der Straßenkoth ist ihm ein Hinderniß, die Last des

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