Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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und gezwängtes Ansehen haben. Die ungemeine Sorgsamkeit der Leute schmeckt immer ein wenig nach Geiz; Alles, was sie umgiebt, verräth eine lästige Aengstlichkeit; die Strenge der Ordnung führt etwas Knechtisches mit sich, das man nur mit Widerwillen erträgt. Die Bedienten thun ihre Schuldigkeit, aber mit unzufriedenen und furchtsamen Mienen. Die Gäste sind wohl aufgenommen, aber sie bedienen sich der Freiheit, die man ihnen gestattet, nur mit Mißtrauen, und da man sich als Gast immer außer der Regel sieht, so thut man nichts ohne Furcht, sich lästig zu machen. Man fühlt, daß diese Sklaven von Vätern nicht für sich leben, sondern für ihre Kinder, ohne daran zu denken, daß sie nicht blos Väter sind, sondern Menschen, und daß sie ihren Kindern ein Beispiel geben sollen von einem wahrhaft menschlichen Leben und von einem Glücke, welches eine Frucht der Weisheit ist. Hier werden vernünftigere Grundsätze befolgt: man ist der Meinung, daß eine der hauptsächlichsten Pflichten eines guten Familienvaters nicht nur die ist, seinen Wohnsitz mit Annehmlichkeiten auszustatten, damit es den Kindern im Hause wohl sei, sondern selber ein behagliches und heiteres Leben zu führen, damit sie fühlen, daß man glücklich ist, wenn man lebt wie er, und niemals in Versuchung gerathen, ein Verhalten, das dem seinigen entgegengesetzt wäre, für das Wesentliche zu nehmen. Eine der Maximen, welche Herr v. Wolmar am häufigsten in Bezug auf die Erheiterungen der beiden Cousinen wiederholt, ist diese, daß ein kleinliches und trauriges Leben der Eltern fast immer die erste Quelle der Unordnungen ist, in welche die Kinder verfallen.

      Julie, die nie etwas Anderes zur Richtschnur nahm, als ihr Herz, und auch keine zuverlässigere finden könnte, folgt dem Antrieb desselben unbedenklich, und thut, um Gutes zu thun, Alles, was es von ihr fordert. Es verfehlt nicht, viel von ihr zu fordern, und Niemand versteht besser als sie, Dem Werth beizulegen, was das Leben süß macht. Wie sollte diese empfindsame Seele für Freuden unempfindlich sein? Im Gegentheil, sie liebt sie, sie sucht sie, sie entzieht sich keiner, die ihr wohlthut. Man sieht, daß sie sie zu genießen versteht, aber ihre Freuden sind die Freuden einer Julie. Sie vernachlässigt weder was zu ihrer eigenen Gemächlichkeit noch was zur Gemächlichkeit der Andern, die ihr lieb sind, das heißt, ihrer ganzen Umgebung, dienen kann. Sie achtet nichts für überflüssig, was zu dem Wohlsein eines vernünftigen Wesens beitragen kann, aber überflüssig nennt sie Alles, was nur dazu dient, in den Augen Anderer zu glänzen, so daß man in ihrem Hause den Luxus des Vergnügens und der Genüsse ohne Verfeinerung und Weichlichkeit findet. Was den Luxus der Pracht und der Eitelkeit anlangt, so sieht man davon nur so viel, als sie dem Geschmacke ihres Vaters nicht hat versagen können, und auch darin selbst erkennt man noch immer den ihrigen, dessen Wesen es ist, den Dingen weniger Glanz und Schimmer als Zierlichkeit und Anmuth zu geben. Wenn ich ihr erzähle, was für Erfindungen in Paris und London täglich gemacht werden, um die Kutschen sanfter in Federn zu hängen, so billigt sie das einigermaßen; wenn ich ihr aber sage, bis zu welchen Preisen man den Firniß nimmt, so versteht sie mich nicht, und fragt nur, ob denn dieser schöne Firniß etwa zur Bequemlichkeit der Wagen beiträgt. Sie hält es für ausgemacht, daß ich sehr übertreibe, wenn ich ihr von den skandalösen Bildern sage, die man mit großen Kosten anstatt der Wappen, die ehemals in Gebrauch waren, auf die Wagen malen läßt; als ob es schöner wäre, sich den Vorübergehenden als einen Mann von schlechten Sitten, denn als einen Mann von Stande anzukündigen. Am meisten war sie empört, als sie hörte, daß die Frauen diesen Gebrauch eingeführt, oder doch begünstigt hätten, und daß deren Karossen sich von denen der Männer nur durch etwas unanständigere Gemälde unterschieden. Ich war genöthigt, ihr hierüber ein Wort Ihres ausgezeichneten Freundes anzuführen, welches sie viel Mühe hatte zu verdauen. Ich war eines Tages bei ihr, als man ihr ein vis-à-vis dieser Art zeigte. Kaum hatte sie die Augen auf den Schlag fallen lassen, als sie hinwegging, und zu dem Besitzer sagte: Zeigen Sie diese Kutsche Frauen vom Hofe; ein anständiger Mensch wird nicht wagen, sich ihrer zu bedienen.

      Wie es der erste Schritt zum Guten ist, nichts Böses zu thun, so ist es der erste Schritt zum Glücke, keine Leiden zu haben. Diese beiden Sätze, die wohl verstanden, viele Moralvorschriften überflüssig machen würden, hält Frau von Wolmar werth. Sie besitzt eine außerordentliche Empfindlichkeit für eigenes wie für fremdes Unwohlsein, und es würde ihr nicht leichter fallen, sich glücklich zu fühlen, wenn sie sich von Unglücklichen umgeben sähe, als dem rechtschaffenen Manne, seine Tugend stets rein zu bewahren, wenn er beständig unter schlechten Menschen lebt. Ihr Mitleid ist nicht jenes barbarische, welches sich damit begnügt, von Leiden, die man lindern könnte, die Augen abzuwenden, sie sucht die Leidenden auf, um ihnen zu helfen: daß es Unglückliche giebt, nicht der Anblick solcher ist ihr eine Marter; und es ist ihr nicht genug, nicht zu wissen, daß es welche giebt, sie muß, um ruhig zu sein, wissen, daß es keine giebt, wenigstens in ihrer Umgebung, denn das hieße die Grenzen der Vernunft überschreiten, wenn man sein Glück von dem Glücke aller Menschen abhängig machen wollte. Sie erkundigt sich nach den Bedürfnissen ihrer Nachbarschaft, mit der Wärme, die man sonst an seine eigenen Angelegenheiten wendet; sie kennt alle Bewohner der Gegend; sie dehnt, so zu sagen, den Umkreis ihrer Familie über sie alle aus, und spart keine Mühe, um von ihnen alle Leiden und Schmerzen fern zu halten, denen das menschliche Leben unterworfen ist.

      Milord, ich will mir Ihre Lehren gern zu Nutze machen; aber verzeihen Sie mir einen Enthusiasmus, den ich mir nicht mehr zum Vorwurf mache, und den Sie ja doch theilen. Es wird keine zweite Julie in der Welt geben. Die Vorsehung hat über sie gewacht, und nichts, was sie betrifft, ist eine Wirkung des Zufalls. Der Himmel scheint sie der Erde geschenkt zu haben, um ein Beispiel zu geben von der Trefflichkeit, deren eine menschliche Seele fähig ist, und von dem Glücke, das eine solche in der Dunkelheit des Privatlebens genießen kann, ohne Hülfe jener glänzenden Tugenden, welche sie über sich selbst erheben, oder des Ruhmes, den diese nach sich ziehen können. Ihr Fehltritt, wenn es einer war, hat nur dazu gedient, ihre Kraft und ihren Muth zu entwickeln. Ihre Verwandte, ihre Freunde, ihre Leute, lauter gute Menschen, waren dazu geschaffen, sie zu lieben und von ihr geliebt zu werden. Ihr Vaterland war das einzige, welches dazu geeignet war, ein Wesen wie sie der Welt zu schenken; die Natürlichkeit, in welcher sie sich so erhaben darstellt, mußte in ihrer Umgebung herrschen; sie mußte, um glücklich zu werden, unter glücklichen Menschen aufwachsen. Wenn sie zu ihrem Unglücke inmitten eines unglücklichen Volkes zur Welt gekommen wäre, welches unter dem Joche der Unterdrückung seufzt, und hoffnungslos und erfolglos gegen das Elend kämpft, von welchem es hingerafft wird, so würde jede Klage der Unterdrückten ihr Leben vergiftet, der allgemeine Jammer würde sie erdrückt, und ihr mitleidiges Herz würde, erschöpft von Schmerz und Pein, die Leiden, die sie nicht hätte lindern können. zu ihren Leiden gemacht haben.

      Statt dessen hat nun aber Alles dazu gedient, ihre natürliche Gutmüthigkeit zu beleben und zu fördern. Sie hat kein öffentliches Unglück zu bejammern, sie hat kein grauses Bild von Elend und Verzweiflung vor Augen. Der Bauer in behaglicher Lage [Es liegt bei Clarens ein Dorf Namens Moutru, dessen Gemeinde allein reich genug ist, um alle Gemeindeglieder zu erhalten, hätten sie auch keinen Zollbreit Landes eigen; auch ist das Bürgerrecht dieses Orts fast eben so schwer zu erlangen, als das von Bern. Wie schade doch, daß es nicht da irgend einen braven Gesellen von Subdelegirten giebt, um die Herren von Moutru ein bißchen geselliger und ihr Bürgerrecht ein bißchen weniger theuer zu machen!] bedarf mehr ihres guten Rathes als ihrer Unterstützung. Wenn sich irgend eine Waise findet, die zu jung ist, um sich selbst zu ernähren, irgend eine vergessene Witwe, die im Verborgenen leidet, irgend ein kinderloser Greis, den seine vom Alter geschwächten Arme nicht mehr ernähren können, so hat sie nicht zu fürchten, daß ihre Wohlthaten ihnen nur Schaden thun werden, und ihnen die Last öffentlicher Abgaben aufbürden, damit statt ihrer anerkannte Schurken von denselben befreit bleiben. Sie hat Genuß von dem Guten, welches sie thut, indem sie es gut anschlagen sieht; das Glück, welches sie genießt, vervielfältigt sich und breitet sich ringsum aus. Jedes Haus, das sie betritt, stellt bald ein Bild von dem ihrigen dar, Gemächlichkeit und Wohlsein sind noch das Mindeste, was ihr Einfluß bewirkt; Eintracht und guter Wandel folgen ihren Tritten von Wirthschaft zu Wirthschaft. Wenn sie aus dem Hause geht, begegnen ihren Augen nur angenehme Gegenstände; wenn sie heimkommt, findet sie drinnen noch süßere; überall sieht sie, was ihrem Herzen gefällt, und diese der Eigenliebe so wenig zugängliche Seele lernt sich in ihren Wohlthaten lieben. Nein, Milord, ich wiederhole es, nichts, was Julie berührt, ist ohne Bedeutung für die Tugend. Ihre Reize,

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