Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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die Schwermuth noch vermehrt, von der ich wich niedergedrückt fühle, ist ein Wort, das sie gestern nach der Abreise ihres Mannes fallen ließ. Obgleich sie bis zu diesem Augenblicke ziemlich viel Haltung bewiesen hatte, folgte sie ihm lange mit den Augen und ließ auf ihrem Gesichte eine Wehmuth blicken, die ich zuerst nur der Trennung von diesem glücklichen Gatten beimaß: aber aus ihren Worten erkannte ich, daß diese Wehmuth noch eine andere, mir fremde Ursache hatte, Sie sehen, wie wir leben, sagte sie zu mir, und Sie wissen, ob er mir theuer ist; glauben Sie jedoch nicht, daß das Gefühl, welches mich ihm verbindet, obgleich so zärtlich wie die Liebe und mächtiger als sie, auch die Schwächen von ihr an sich habe. Wenn es uns schwer fällt, die süße Gewohnheit des Beisammenseins unterbrechen zu müssen, so tröstet uns doch bald die sichere Hoffnung seiner Wiederkehr. Ein so dauerhafter Zustand läßt der Furcht vor Wechsel nicht viel Raum, und bei einer Trennung von wenigen Tagen fühlen wir weniger das Unbehagen dieses kurzen Zwischenraumes, als das Vergnügen, sein Ende abzusehen. Die Betrübniß, welche Sie in meinen Mienen lesen, rührt von einem wichtigeren Gegenstande her, und obgleich sie Herrn von Wolmar angeht, ist doch seine Entfernung nicht das, was sie verursacht.

      Mein theurer Freund, setzte sie mit tiefbewegtem Tone hinzu, es giebt kein wahres Glück auf Erden. Ich habe den redlichsten und sanftesten der Menschen zum Manne. Eine gegenseitige Neigung gesellt sich zu der Pflicht, welche uns verbunden hält; er hat keinen anderen Wunsch, als meine Wünsche; ich habe Kinder, die ihrer Mutter nur Freude machen und verheißen; es hat nie eine zärtlichere, tugendhaftere, liebenswürdigere Freundin gegeben, als die, welche der Abgott meines Herzens ist, und ich werde meine Tage mit ihr verleben; auch Sie tragen dazu bei, mir mein Leben lieb zu machen, indem Sie meine Achtung und die Gefühle, die ich für Sie hege, so sehr rechtfertigen; ein langer und verdrießlicher Prozeß ist seinem Ende nahe, und dieses Ende wird den besten der Väter in meine Arme zurückführen. Alles geräth uns wohl; Ordnung und Friede herrschen in unserm Hause; unsere Bedienten sind eifrig und treu; unsere Nachbarn geben uns auf alle Art ihre Anhänglichkeit zu erkennen, wir genießen des allgemeinen Wohlwollens. In allen Stücken von dem Himmel, von dem Schicksale und von den Menschen begünstigt, sehe ich Alles sich zu meinem Glücke vereinigen. Ein geheimer Kummer, ein einziger Kummer vergiftet es mir, und ich bin nicht glücklich. Sie sagte diese letzten Worte mit einem Seufzer, der mir die Seele durchbohrte und an welchem ich nur zu gut erkannte, daß nicht ich dabei betheiligt war. Sie ist nicht glücklich, sagte ich zu mir, nun auch seufzend, und nicht bin ich es mehr, der sie verhindert, es zu sein.

      Dieser traurige Gedanke brachte die meinigen augenblicklich in Aufruhr und zerstörte die Ruhe, deren ich kaum zu genießen angefangen. Gepeinigt von der unleidlichen Ungewißheit, in welche mich ihre Rede versetzt hat, drang ich so in sie, mir ihr Herz vollends zu öffnen, daß sie endlich ihr leidiges Gcheimniß in dem meinigen ansschüttete, und mir erlaubte, es auch Ihnen zu entdecken. Es ist aber eben Zeit zum Spaziergange. Frau von Wolmar kommt schon aus dem Gynäceum, um ihre Kinder in's Freie zu führen; sie läßt es mir eben sagen. Ich eile hin, Milord; ich verlasse Sie für dies Mal, und verspare es mir, den abgebrochenen Gegenstand in einem anderen Brief wieder aufzunehmen.

      Sechszehnter Brief.

       Frau von Wolmar an ihren Mann.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich erwarte Sie Dienstag, Ihrer Andeutung gemäß und Sie werden Alles nach Ihren Absichten eingerichtet finden. Besuchen Sie auf dem Rückwege Frau von Orbe; sie wird Ihnen sagen, was während Ihrer Abwesenheit vorgegangen ist: ich mag lieber, daß Sie es von ihr, als von mir erfahren.

      Wolmar, es ist wahr, ich glaube, Ihre Achtung zu verdienen; aber wie Sie verfahren, ist darum doch nicht recht, und es ist hart, wie Sie der Tugend Ihrer Frau genießen.

      Siebzehnter Brief.

       Saint-Preux an Milord Eduard.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich will Ihnen, Milord, von einer Gefahr Bericht geben, welche wir in diesen Tagen zu bestehen hatten, und wobei wir zum Glück mit dem Schrecken und etwas Anstrengung weggekommen sind. Dies verdient einen besondern Brief; Sie werden aus ihm sehen, was mich bestimmt, ihn Ihnen zu schreiben.

      Sie wissen, daß das Haus der Frau von Wolmar nicht weit vom See ist, und daß sie gern auf dem Wasser fährt. Vor drei Tagen veranlaßte uns die Unbeschäftigtheit, in welcher wir uns durch die Abwesenheit ihres Mannes befinden und die Schönheit des Abends, eine solche Fahrt für den andern Tag zu verabreden. Um Sonnenaufgang begaben wir uns an das Ufer, nahmen einen Kahn mit Zeug zum Fischen, drei Ruderer, einen Bedienten und schifften uns, mit einigen Vorräthen zum Mittagessen, ein. Ich hatte eine Flinte mitgenommen, um Besolets [Ein Zugvogel auf dem Genfersee. Der Besolet ist nicht gut zu essen.] zuschießen; aber Frau v. Wolmar machte mir Vorwürfe, daß ich Vögel ohne allen Zweck und blos aus Zerstörungslust tödten wollte. Daher belustigte ich mich nur damit, von Zeit zu Zeit Gros-Sifflets, Tiu-Tius, Crenets, Sifflassons zu locken [Verschiedene Vögel auf dem Genfersee. alle sehr gut zu essen. R. — Was ich durch ,,locken“ übersetzt habe, beißt im Original rappeler. Ich habe weder im Dict. de l'Academie noch in anderen mir zu Gebote stehenden Wörterbüchern eine Bedeutung dieses Wortes, die hierher paßte, angeführt gefunden, und die obige auf gut Glück gewählt. — Die Grebe (grèbe) ist eine Taucherart, unser Steißfuß oder Ruch, podiceps. Der Taucher ist übrigens bekanntlich unter allen Umständen schwer zu schießen, wenn auch die Hypothese der Jäger lächerlich ist, daß er den Blitz von der Pfanne sehe und geschwind untertauche ehe ihn die Schrote erreichen. D. Ueb.] und schoß nur ein einziges Mal bei sehr weiter Distanz auf eine Grebe, die ich fehlte.

      Wir brachten ein oder zwei Stunden mit Fischen hin, und zwar fünfhundert Schritte vom Ufer. Der Fang war gut; aber mit Ausnahme einer Forelle, die einen Schlag mit dem Ruder bekommen hatte, ließ Julie Alles wieder in's Wasser werfen. Die armen Thiere ängstigen sich, sagte sie, schenken wir ihnen die Freiheit; genießen wir des Vergnügens, das sie haben werden, der Gefahr entronnen zu sein! Die Ausführung dieses Befehls geschah langsam und mit Widerstreben, auch nicht ohne einige Gegenvorstellungen, und ich konnte leicht bemerken, daß unseren Leuten der Fisch, den sie gefangen hatten, lieber gewesen wäre, als die Moral, die ihm das Leben schenkte.

      Wir fuhren dann auf's hohe Wasser und als ich, aus einer jugendlichen Lebhaftigkeit, von der es Zeit wäre endlich zurückzukommen, mich daran gemacht hatte. zu „fahren" — [Nager im Originale. Kuustausdruck der Schiffer auf dem Genfersee, welcher das Führen desjenigen Ruders bezeichnet, womit der Kahn gelenkt wird. D. U.], steuerte ich so mitten in den See hinein, daß wir bald mehr als eine Lieue vom Ufer entfernt waren — [Was? Es fehlt viel, daß der See, Clarens gegenüber, zwei Lieues breit sei.]. Dort erklärte ich Julien alle Punkte des prachtvollen Horizonts, der uns umgab. Ich zeigte ihr von ferne die Mündung der Rhone, die in ihrem ungestümen Laufe Plötzlich eine Viertelmeile vom See inne hält, als ob sie sich scheute, seinen klaren, blauen Spiegel mit ihrem schlammigen Wasser zu besudeln. Ich ließ sie die Stufenlagen des Gebirges bemerken, dessen einander entsprechende und gleichlaufende Schichten in dem Raume, welcher sie von einander trennt, ein Bett bilden, das des Flusses, welcher ihn ausfüllt, würdig ist. Von unseren Gestaden ab, lenkte ich ihren bewundernden Blick mit Freuden auf die reichen reizenden Ufer des Waadtlandes, wo die Menge der Ortschaften, die unglaublich dichte Bevölkerung, die grünen, schmuckreichen Gelände überall ein entzückendes Gemälde bilden, wo das Land rings angebaut und fruchtbar, dem Ackersmann, dem Hirten, dem Weinbauer eine sichere Frucht ihrer Arbeit schenkt, die kein habgieriger Zollpächter verschlingt. Dann zeigte ich ihr Chablais auf dem entgegengesetzten Ufer, ein Land, das von der Natur nicht weniger begünstigt ist, und dennoch nur ein Schauspiel des Elends darbietet, und ich machte ihr bemerklich, wie verschieden der Einfluß

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