Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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und daß gewaltsame Anstrengungen, wenn sie auch die Seele üben mögen, ihr doch Qualen kosten, deren anhaltende Dauer fähig ist, ihr Niederlagen zuzuziehen. Ich benutzte Juliens Milde, um ihre Strenge zu mäßigen. Ich nährte ihre Freundschaft für Sie, sagte er zu Saint-Preux; ich benahm derselben, was an ihr wieder zu viel werden konnte, und ich glaube, Ihnen von ihrem Herzen vielleicht mehr bewahrt zu haben, als Ihnen geblieben wäre, wenn ich sie sich selbst überlassen hätte.

      Mein Erfolg machte mir Muth, und ich wollte es versuchen, Sie zu heilen, wie es mir bei Julie gelungen war; denn ich schätzte Sie, und allen Vorurtheilen lasterhafter Seelen zum Trotz, habe ich stets erkannt, daß es nichts Gutes gebe, was man nicht von schönen Seelen durch Offenheit und Vertrauen erlangen könnte. Ich sah Sie, und Sie haben mich nicht betrogen, werden es auch ferner nicht, und obwohl Sie noch nicht das sind, was Sie werden müssen, finde ich Sie doch fortgeschrittener, als Sie glauben, und bin zufriedener mit Ihnen, als Sie mit sich selbst. Ich weiß wohl, daß mein Benehmen wunderlich aussieht und alle gemeinen Regeln über den Haufen wirft; aber die Regeln verlieren an Gemeingültigkeit, je mehr man in den Herzen liest, und Juliens Gatte muß nicht wie ein anderer Mann verfahren. Meine Kinder, sagte er zu uns, mit einem Tone, der um so ergreifender war, als er von einem ruhigen Manne kam, seid nur ihr selbst, und wir werden alle zufrieden sein. Die Gefahr liegt nur in der Meinung; habt keine Furcht vor euch, und ihr werdet nichts zu fürchten haben; denket nur an die Gegenwart und ich stehe euch für die Zukunft. Ich kann euch heute nicht mehr sagen, aber wenn meine Pläne zu Stande kommen und meine Hoffnung mich nicht trügt, so wird sich unser aller Schieksal besser erfüllen, und ihr werdet beide glücklicher sein, als wenn ihr einander angehört hättet.

      Er stand auf, und umarmte uns, er verlangte, daß auch wir uns umarmen sollten, an diesem Orte .... an diesem nämlichen Orte, wo einst .... Clara, o gute Clara, wie du mich immer geliebt hast! …. Ich machte keine Schwierigkeit; ach! wie unrecht hätte ich gehabt, es zu thun! Dieser Kuß hatte nichts von jenem, der mir das Bosket so furchtbar gemacht hatte; ich wünschte mir mit Betrübniß Glück dazu, und erkannte, daß mein Herz mehr verwandelt war, als ich bis dahin mir zu glauben getraut hatte.

      Als wir den Weg nach dem Hause wieder einschlugen, hielt mich mein Mann bei der Hand fest, und sagte, auf das Bosket deutend, aus dem wir eben getreten waren, mit Lächeln: Julie, fürchten Sie dieses Asyl nicht mehr, es ist nun profanirt. Du willst es mir nicht glauben, Cousine, aber ich schwöre dir, daß er eine übernatürliche Gabe besitzt, in der Tiefe der Herzen zu lesen; möge der Himmel sie ihm immer erhalten! Bei so viel Ursache mich zu verachten, ist es ohne Zweifel nur diese Kunst, der ich seine Nachsicht verdanke.

      Du siehst bis hierher noch keinen Rath zu geben; Geduld, mein Engel, wir sind schon zur Stelle; aber das Gespräch, das ich dir eben mitgetheilt habe, war nöthig um das Uebrige zu verstehen.

      Auf dem Rückwege sagte mir mein Mann, der in Étange schon lange erwartet wird, daß er dorthin zu gehen gedächte, dich im Vorbeigehen besuchen und fünf oder sechs Tage wegbleiben würde. Ohne Alles zu sagen, was mir eine so unzeitige Abreise zu denken gab, stellte ich ihm nur vor, daß sie nicht so unerläßlich wäre, um ihn zu nöthigen, einen Gast, den er selbst in's Haus gerufen, zu verlassen. Wollen Sie denn, antwortete er, daß ich ihm Honneurs mache, um ihn zu erinnern, daß er nicht bei sich, zu Hause ist? Ich bin für die Gastlichkeit der Walliser. Ich hoffe, er wird deren Treuherzigkeit auch hier finden, und uns ihre Freiheit gönnen. Da ich sah, daß er mir kein Gehör geben wollte, nahm ich eine andere Wendung und suchte unsern Gast zu veranlassen, daß er die Reise mit ihm machte. Sie werden einen Ort finden, sagte ich zu ihm, der seine Schönheiten hat, und sogar solche, wie Sie sie lieben. Sie werden meiner Väter und mein Erbgut besuchen; der Antheil, den Sie an mir nehmen, läßt mich nicht glauben, daß es Ihnen gleichgültig sein könnte, es zu sehen. Ich hatte schon den Mund offen, um hinzuzusetzen, daß dieses Schloß dem von Milord Eduard gleiche, welches .... aber glücklicher Weise hatte ich Zeit, mir auf die Zunge zu beißen. Er antwortete mir ganz einfach, ich hätte Recht, und er würde thun, was mir gefiele. Aber Herr von Wolmar, der mich aufs Aeußerste treiben zu wollen schien, versetzte, er sollte doch thun, was ihm selber gefiele. Was ziehen Sie vor, mitzukommen oder zu bleiben? Zu bleiben, antwortete er, ohne sich zu besinnen. Nun gut, so bleiben Sie, entgegnete mein Mann, indem er ihm die Hand drückte. Redlicher und wahrer Mensch, ich bin sehr zufrieden mit diesem Worte. Es ließ sich darüber vor dem Dritten, der uns hörte, nicht viel mit ihm wortwechseln. Ich schwieg. konnte aber meinen Verdruß nicht so verbergen, daß ihn mein Mann nicht bemerkt hätte. Wie! rief er mit unzufriedener Miene in einem Augenblicke, da Saint-Preux von uns entfernt war, hätte ich denn vergeblich Ihre Sache gegen Sie selbst geführt? Und will sich Frau von Wolmar mit einer Tugend begnügen, die es nöthig hat, sich ihre Gelegenheiten auszusuchen? Ich für meinen Theil bin schwieriger; ich will die Treue meiner Frau ihrem Herzen und nicht dem Zufalle verdanken, und es genügt mir nicht, daß sie mir treu bleibt, es kränkt mich, daß sie an sich zweifelt.

      Hierauf führte er uns in sein Cabinet, wo ich aus den Wolken zu fallen glaubte, als ich ihn aus einer Schublade nebst den Abschriften von einigen Berichten unseres Freundes, die ich ihm gegeben hatte, die Originale aller der Briefe hervorziehen sah, die ich, wie ich mir einbildete, Babi ehemals in dem Zimmer meiner Mutter hatte verbrennen sehen. Hierauf, sagte er, indem er sie uns wies, gründet sich meine Sicherheit; tröge mich diese, so wäre es eine Narrheit, auf irgend Etwas zu bauen, was von Menschen geachtet wird. Ich gebe meine Frau und meine Ehre Der in Verwahrung, die, als Mädchen und verführt, eine Handlung der Wohlthätigkeit einem sicheren und vielleicht nicht zu ersetzenden Stelldichein vorzog; ich vertraue Julie, die Gattin und Mutter, Dem, der, da es ihm freistand, seine Wünsche zu befriedigen, es über sich vermochte, Julien, der Geliebten und Jungfrau ihre Ehre zu lassen. Wer von euch Beiden sich genug verachtet, um zu denken, daß ich Unrecht habe, der sage es, und ich nehme augenblicklich mein Wort zurück. Cousine, sage, konnte man sich leicht erkühnen, auf solche Sprache Etwas zu entgegnen?

      Ich suchte jedoch am Nachmittage einen Augenblick, um meinen Mann allein zu nehmen, und ohne mich in Erörterungen einzulassen, in denen ich doch nicht sehr weit hätte gehen können, beschränkte ich mich darauf, ihn um zwei Tage Aufschub zu bitten; sie wurden mir auf der Stelle bewilligt. Ich benutze sie, um dir diesen Expressen zu schicken und deine Antwort zu erwarten, damit ich von dir höre, was ich thun soll.

      Ich weiß wohl, daß ich meinen Mann nur zu bitten brauchte, gar nicht abzureisen; er, der mir nie etwas abgeschlagen hat, wird mir eine so kleine Gunst nicht verweigern. Aber, meine Liebe, ich sehe, daß er Freude daran findet, mir sein Vertrauen zu beweisen, und ich fürchte einen Theil seiner Achtung zu verlieren, wenn er glaubt, daß ich mehr Behutsamkeit nöthig habe, als er mir erlauben will. Ich weiß ebenso gut, daß ich Saint-Preux nur ein Wort zu sagen brauche, der dann keinen Augenblick anstehen wird, ihn zu begleiten. Aber wird sich mein Mann hierdurch täuschen lassen? Und kann ich diesen Schritt thun, ohne mir noch immer den Anschein eines gewissen Einflusses auf Saint-Preux zu geben, der ihm seinerseits wieder eine Art Recht einräumen würde? Ich muß außerdem fürchten, daß er aus dieser Vorsicht die Folgerung ziehe, als fühle ich, daß sie nöthig sei, und so ist dieses Mittel, welches auf den ersten Blick das leichteste scheint, vielleicht das gefährlichste. Endlich weiß ich wohl, daß gegen eine wirkliche Gefahr keine anderweitige Rücksicht in Betracht kommen kann; aber ist denn diese Gefahr in der That vorhanden? Sieh, dies eben ist der Zweifel, den du auflösen sollst.

      Je mehr ich die jetzige Verfassung meiner Seele untersuche, desto mehr Ursache finde ich, mich sicher zu fühlen. Mein Herz ist rein, mein Gewissen ruhig: ich weiß nichts von Verwirrung oder Angst, und bei Allem, was in mir vorgeht, kostet mich meine Aufrichtigkeit, meinem Manne gegenüber, keine Anstrengung. Nicht, daß nicht gewisse unwillkürliche Erinnerungen mich manchmal in eine wehmüthige Stimmung versetzten, die besser nicht aufkäme; aber, weit entfernt, daß die Erinnerungen durch den Anblick Dessen erzeugt würden, der ihre Ursache ist, scheinen sie mir vielmehr seit seiner Rückkunft seltener; und wie süß es mir ist, ihn zu sehen, weiß ich doch nicht, wie wunderlich es zugeht, daß es mir süßer ist, an ihn zu denken; mit einem Worte, ich finde, daß ich nicht einmal nöthig habe, die Tugend zu Hülfe zu rufen, um mich in seiner Gegenwart ruhig zu fühlen,

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