Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Sie indessen einem Kinderspiel immerhin einiges Lob, und bedenken Sie, daß es ihren Mutterpflichten nie etwas entzogen hat. Ich weiß es, entgegnete ich, ich bin vollkommen davon überzeugt, und das kindische Spiel gefällt mir in dieser Gattung besser, als die Arbeiten der Männer.

      Es ist indessen hier noch Etwas, das ich nicht begreifen kann, fuhr ich fort; nämlich ein Ort, der so ganz anders ist als er früher war, kann doch nur durch Sorgfalt und Pflege so geworden sein, wie er jetzt ist; nun aber sehe ich nirgends die geringste Spur von Cultur; Alles ist grün, frisch, üppig und man spürt die Hand des Gärtners nicht: nichts steht dem Gedanken an eine wüste Insel entgegen, der mir kam, als ich hier eintrat, und ich bemerke keine Tritte von Menschen. Ei, sagte Herr von Wolmar, das kommt daher, daß man Sorge getragen hat, sie zu verwischen. Ich bin oftmals Zeuge, und manchmal Mitschuldiger dieser Schelmerei gewesen. Man säet Gras auf alle bearbeiteten Stellen und bald sind die Fußstapfen der Arbeiter von den Halmen bedeckt; auf mageren und unfruchtbaren Stellen läßt man Winters eine Schicht Dünger liegen, der Dünger verzehrt das Moos und giebt wieder Gräsern und Pflanzen Leben; die Bäume befinden sich auch nicht übel dabei, und im Sommer ist keine Spur mehr davon zu sehen. Was das Moos betrifft, welches in einigen Alleen den Boden überzieht, so ist uns das Geheimniß seiner Erzeugung aus England durch Milord Eduard zugekommen. Diese beiden Seiten, fuhr er fort, waren durch Mauern geschlossen; nun sind die Mauern maskirt worden, nicht mit Spalieren, sondern mit dichtem Gebüsch, so daß die Grenze des Ortes wie der Anfang eines Waldes erscheint. Auf den beiden andern Seiten sind starke lebendige Hecken aus Ahorn, Weißdorn, Rainweide und anderem vermischten Baumwerk angebracht worden, welche in ihrer Mannichfaltigkeit nicht das Ansehen von Hecken, sondern von wildem Waldgebüsch haben. Sie sehen nichts glatt Geebnetes, nichts in geraden Linien Geordnetes; die Schnur ist hier nie angewendet worden, die Natur pflanzt nicht nach der Schnur. Die gewundenen Wege, in ihrer scheinbaren Unregelmäßigkeit, sind mit Kunst so angelegt, daß möglichst viel Raum zum Umherwandeln gewonnen ist, daß sie die Grenzen der Insel verstecken, und den scheinbaren Umfang derselben vergrößern, ohne unbequeme und zu häufige Biegungen zu machen [Also nicht die kleinen Boskets nach der Mode, die so lächerlich hin und her geschwungen sind, daß man nur im Zickzack geht und bei jedem Schritte eine Pirouette machen muß.].

      Indem ich das Alles betrachtete, kam es mir wunderlich vor, daß man sich so viel Mühe gegeben, die Mühe, die man sich gegeben hatte, zu verstecken: wäre es da nicht besser gewesen, sagte ich, sich gar keine zu geben? Trotz Allem, was Ihnen gesagt worden, entgegnete mir Julie, schätzen Sie die Größe der Arbeit nach der Wirkung, und Sie täuschen sich. Alles, was Sie sehen, ist wildes oder stark wachsendes Pflanzenwerk, das man nur in die Erde zu stecken braucht, und das dann von selbst gedeiht. Uebrigens scheint die Natur den Augen der Menschen ihre wahren Schönheiten entziehen zu wollen, weil sie für diese zu wenig Sinn haben, und sie verunstalten, wenn sie ihnen erreichbar sind; sie flieht die bewohnten Orte; hoch auf Bergeshöhen, tief in Wäldern, auf wüsten Inseln entfaltet sie ihre entzückendsten Reize. Die, welche sie lieben und ihr nicht so weit nachreisen können, sind genöthigt, ihr Gewalt anzuthun, und sie gewissermaßen zu zwingen, daß sie sich bei ihnen niederlasse; ohne ein Bißchen Illusion geht das nicht ab. Bei diesen Worten kam mir ein Einfall, der belacht wurde. Ich stelle mir vor, sagte ich, daß ein reicher Herr aus Paris oder London dieses Haus erwirbt und einen Architekten mitbringt, der theuer dafür bezahlt wird, die Natur zu verderben. Mit welcher wegwerfenden Miene würde er diesen einfachen, unscheinbaren Ort betreten, mit welcher Verachtung würde er all dies Gestrüpp ausreißen lassen! Was für schöne gerade Linien würde er ziehen! Was für schöne Alleen hindurchbrechen! Was für schöne Gänsepfoten, im Parasol und Fächer geschnittene Bäume! Was für schöne wohlgeschnörkelte Gitter! Was für schöne wohlgezeichnete, wohlumrissene, wohlgedrechselte Lauben! Was für schöne Boulingrins von feinem englischen Rasen, rund, viereckig, bogig, oval! Was für schöne Buchsfiguren, Drachen, Pagoden, Fratzen und alle Arten Ungeheuer! Was für schöne Vasen von Bronze und für schöne Früchte von Stein [Ich bin überzeugt, daß bald die Zeit kommen wird, da man in unsern Gärten nichts mehr von allen Dem, was es im Freien giebt, wird dulden wollen, weder Pflanzen noch Bäume; man wird nur Blumen von Porzellan, Steinpuppen, Gitterwerk, Sand von allen Farben und schöne Vasen mit nichts darin haben.]! …. Wenn das Alles ausgeführt sein wird, sagte Herr

      von Wolmar, so wird er einen sehr schönen Ort hergestellt haben, den man nicht betreten wird, und aus dem man sich stets beeilen wird hinauszukommen, um in's Freie zu gelangen; einen traurigen Ort, wo man nicht spazieren gehen, sondern den man nur als Durchgang benutzen wird, wenn man spazieren gehen will; während ich auf meinen Gängen im Freien mich oft beeile heim zu kommen, um hier spazieren zu gehen.

      In jenen weitläufigen und mit Zierat beladenen Anlagen sehe ich nichts, als die Eigenheit des Besitzers und des Künstlers, welche beide stets voll Begierde, der eine seinen Reichthum, der andere sein Talent zu zeigen, mit großen Kosten Jedem, der sich ihres Werkes gern erfreuen möchte, Langeweile bereiten. Eine falsche Liebe zum Großartigen, welches nicht zu des Menschen Wesen stimmt, vergiftet seine Freuden. Ein großartiger Anstrich ist immer etwas Trauriges; man denkt unwillkürlich an die Misere dessen, welcher damit prahlt. Mitten unter seinen Parterres und in seinen großen Alleen wird sein kleines Persönchen nicht größer; ein Baum von zwanzig Fuß Höhe überragt ihn, wie einer von sechszig Fuß [Es wäre hier der Ort, sich etwas über den schlechten Geschmack zu verbreiten, dem zufolge die Bäume lächerlich verschnitten werden, um hoch in die Wolken zu steigen, während man ihnen ihre schönen Kronen und ihren Schatten raubt, ihren Saft erschöpft und es ihnen unmöglich macht, ihn zu benutzen. Diese Methode freilich liefert den Gärtnern Holz, aber sie raubt es dem Lande, das ohnehin schon nicht allzuviel hat. Man sollte meinen, daß die Natur in Frankreich anders beschaffen ist, als in der übrigen Welt, so viel Mühe giebt man sich dort, sie zu verunstalten. Man bepflanzt die Parks nur noch mit langen Ruthen; es sind Wälder von Masten oder Maien, und man spaziert unter lauter Holz, ohne Schatten zu finden.]; er nimmt nie mehr als seine drei Fuß Raum ein, und verliert sich wie eine Milbe in seinen endlosen Besitzungen.

      Es giebt noch einen anderen Geschmack, der diesem gerade entgegengesetzt und noch lächerlicher ist, indem er Einem nicht einmal den Genuß der Promenade. vergönnt, welche doch der Zweck ist, wegen dessen man Gärten unterhält. Ich verstehe, sagte ich: den Geschmack jener Liebhaberchen, jener Blumisten, die beim Anblicke einer Ranunkel in Ohnmacht und vor Tulpen auf die Kniee fallen. Hierbei erzählte ich ihnen, Milord, was mir dazumal in London in jenem Blumengarten begegnet ist, in welchen wir mit so vieler Wichtigkeit eingeführt wurden, und wo wir alle Schätze Hollands prahlen sahen auf vier Mistbeeten. Ich vergaß dabei nicht die Ceremonie mit dem Parasol und dem kleinen Stäbchen, womit man mich Unwürdigen, gleich den andern Beschauern, beehrte. Ich bekannte ihnen demüthig, wie es mir ging, als ich mich auch hervorthun und kühnlich beim Anblick einer Tulpe in Ekstase gerathen wollte, die mir von lebhafter Farbe und von zierlicher Form schien, wie ich davon allen den gelehrten Kennern verspottet, ausgelacht und ausgezischt wurde, und wie der Professor des Gartens von der Verachtung der Blumen zur Verachtung ihres Lobredners überging, und mich keines Blickes mehr würdigte. Ich denke, setzte ich hinzu, daß er es recht bedauert hat, sein Stäbchen und sein Parasol so profanirt zu haben.

      Dieser Geschmack, sagte Herr von Woimar, wenn er in Sucht ausartet, hat etwas Kleinliches und Eitles, das ihn kindisch und auf lächerliche Weise kostspielig macht. Der andere hat wenigstens etwas Edles, Großes und eine Art Wahrheit; aber was ist es mit dem Werthe einer Ranunkelklaue oder einer Zwiebel, die ein Insekt vielleicht im Augenblicke, da man sie kauft, benagt oder zerstört, oder einer Blume, die um Mittag kostbar, und die verwelkt ist, ehe die Sonne untergeht? Was ist es mit einer Schönheit, die von Uebereinkunft abhängt, die nur dem Auge des Liebhabers erkennbar und nur deshalb Schönheit ist, weil es ihm zufällig so beliebt? Es kann eine Zeit kommen, da man in diesen Blumen gerade das Gegentheil von dem findet, was man jetzt darin sucht, und mit ebenso gutem Grunde; dann werden Sie Ihrerseits der Gelehrte und Ihr Kenner wird der Unwissende sein. All dies Herumschnüffeln und Achten auf Kleinigkeiten, das zu einer Art Studium ausartet, paßt nicht für den vernünftigen Mann, der seinem Körper eine mäßige Bewegung machen, oder seinem Geist auf Spaziergängen eine Erholung im Gespräche mit seinen Freunden verschaffen will. Die Blumen sind dazu da, um

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